Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nach der Europawahl vorantreiben!

I. Ausgangslage

Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)) ist das Kernstück des Menschenrechtsschutzes in Europa. Sie wurde am 4. November 1950 von 13 Mitgliedstaaten des Europarates unterzeichnet, darunter auch Deutschland. Die EMRK trat 1953 in Kraft und gilt heute für mehr als 830 Millionen Menschen in 47 Staaten. Die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert bürgerliche und politische Menschenrechte. 

Da die EMRK, der sämtliche Mitgliedstaaten beigetreten sind, das führende Instrument für den Schutz der Grundrechte in Europa ist, schien der Beitritt der Europäischen Gemeinschaft (EG) zur EMRK die logische Antwort auf die Notwendigkeit zu sein, die EG an die aus den Grundrechten erwachsenden Verpflichtungen zu binden. Die Kommission hat wiederholt (d. h. in den Jahren 1979, 1990 und 1993) den Beitritt der EG zur EMRK vorgeschlagen. Der Gerichtshof, der hierzu um Stellungnahme ersucht worden war, hat 1996 in seinem Gutachten 2/94 festge- stellt, dass der Vertrag keine Zuständigkeit der EG enthalte, Vorschriften über die Menschenrechte zu erlassen oder internationale Übereinkommen in diesem Bereich abzuschließen, was den Beitritt rechtlich unmöglich mache.

Mit dem Vertrag von Lissabon wurde dies durch die Einführung von Artikel 6 Absatz 2 behoben, der den Beitritt der EU zur EMRK zwingend vorschreibt. Im Jahr 2010, unmittelbar nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, nahm die EU Verhandlungen mit dem Europarat über den Entwurf einer Beitrittsübereinkunft auf, der im April 2013 fertiggestellt wurde. Die Kommission forderte den EuGH im Juli 2013 auf, über die Vereinbarkeit dieser Übereinkunft mit den Verträgen zu entscheiden. Am 18. Dezember 2014 gab der EuGH eine negative Stellungnahme ab, in der er zu dem Schluss kam, dass man bei dem Entwurf der Übereinkunft möglicherweise Gefahr läuft, die besonderen Merkmale und die Autonomie des EU-Rechts zu beeinträchtigen (Gutachten 2/13).

Auf Grundlage der erneuerten Verhandlungsleitlinien von 2019 wurden 2020 die Verhandlungen über den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) wieder-aufgenommen und 2023 zum Abschluss gebracht. Die Ad-hoc-Verhandlungsgruppe (im Format „46+1“) hielt vom 14. bis 17. März 2023 ihre 18. und bisher letzte formale Sitzung über den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention ab. Darin konnte u.a. eine Einigung zu den Abstimmungsregeln im Ministerkomitee des Europarats erzielt werden, die angewandt werden sollen, wenn das Gremium die Umsetzung der Urteile des Straßburger Menschenrechtsgerichtshofs durch die EU überwacht (Artikel 7 des Entwurfs des Beitrittsabkommens von 2013). Die Verhandlungsrunde markierte den Abschluss der Verhandlungen auf technischem Level.

Bevor der Beitritt der EU angenommen werden kann, muss jedoch noch eine unionsinterne Lösung über die gerichtliche Grundrechtskontrolle in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) erarbeitet werden. In diesem Zusammenhang wird ein EuGH-Urteil in den Verfahren C-29/22 P und C[1]44/22 P für 2024 erwartet, dem große Bedeutung für den EU-Beitritt zur EMRK beigemessen wird. Parallel dazu werden die Arbeiten an den unionsinternen Regeln (u.a. zur Bestellung der Richterinnen und Richter, zur Mitwirkung der EU im Ministerkomitee des Europarates und zur Beteiligung der EU an Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte) in den Ratsgremien fortgesetzt.

Um gleiche Bedingungen auf dem Gebiet der Menschenrechte auf dem gesamten Kontinent zu garantieren, ist ein zeitnaher Beitritt der EU zu EMRK von entscheidender Bedeutung. Damit kann auch die Kohärenz der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Straßburg) und des Europäischen Gerichtshofs (Luxemburg) im Bereich der Menschenrechte gewährleistet werden.

Der Beitritt würde es den EU-Bürgern, aber auch den Bürgern von Drittstaaten, die im Hoheitsgebiet der EU leben, ermöglichen, auf der Grundlage der Rechtsvorschriften der EMRK von der EU verabschiedete Rechtsakte zu den gleichen Bedingungen anzufechten wie die Rechtsakte von EU-Mitgliedstaaten selbst, etwa vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Gemäß der EMRK ist die EU dann verpflichtet, jede vom Straßburger Gerichtshof festgestellte Verletzung der Menschenrechte zu beheben.

Gemäß Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) basieren die Werte, auf die sich die Europäische Union gründet, auf der Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören. Die EU ist zudem an die Charta der Grundrechte gebunden.

Die Einhaltung dieser Rechte muss unser ständiges und oberstes Ziel sein. Human Rights Watch weist auf besorgniserregende Trends bei den Menschenrechten innerhalb der EU hin. Ein Essay in dem Bericht analysiert langfristige Trends beim Menschenrechtsschutz in Europa. Demnach befinden sich die Menschenrechte in Europa in einer Krise: Sie würden immer weniger geachtet, gegen ihre Verletzung werde nur ungenügend vorgegangen, extremistische Parteien hätten immer mehr Einfluss und die Menschenrechte verlören zunehmend ihre universale Gültigkeit.

Es besteht Handlungsbedarf: Wir dürfen uns nicht auf vergangenen Errungenschaften ausruhen, sondern müssen diese vielmehr für die Zukunft bestmöglich schützen. Der Beitritt der EU zur EMRK stellt einen wichtigen Schritt zur Sicherung der Menschenrechte und Grundrechte in Europa dar und muss nun umgesetzt werden.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Der Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist geboten.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • dass Nordrhein-Westfalen als Bundesland, den Beitritt der Europäischen Union zur EMRK auch nach der Europawahl am 09.06.2024 in allen Institutionen weiter anstrebt und unterstützt.