Die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen durch optimierte Rahmenbedingungen für den Handel mit den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und BENELUX stärken!

I. Ausgangslage

Die Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union wirkt sich auf Nordrhein-Westfalen und seine Bürgerinnen und Bürger in vielerlei Hinsicht positiv aus. Die Möglichkeit frei über die Grenzen in die Nachbarstaaten zu fahren, die Achtung der Bürger-, Freiheits- und Menschenrechte sowie ein Leben in Frieden und Freiheit sind dafür eindeutige Beispiele. Die Mitgliedschaft ist für die hiesigen Unternehmen und ihre Beschäftigten im Besonderen von hoher Relevanz. Der europäische Binnenmarkt ermöglicht es den Betrieben, ihre Produkte und Dienstleistungen einfach und schnell in den Mitgliedsstaaten zu verkaufen und anzubieten. Einheitliche Standards und Regeln vereinfachen den Handel und regen den Wettbewerb an.

Dass die dargestellten Vorteile für die nordrhein-westfälische Wirtschaft nicht nur leere Floskeln sind, zeigt eine jüngst veröffentliche Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Das darin durchgespielte Szenario eines fiktiven Austritts Nordrhein-Westfalens aus der Europäischen Union, ähnlich des Brexits, zeigt die verheerenden Folgen, welcher ein Austritt für die Unternehmen, die Beschäftigen und die Volkswirtschaft im Gesamten im bevölkerungsreichsten Bundesland hätte. Im Fall eines Ausscheidens aus der Europäischen Union und damit dem gemeinsamen Binnenmarkt würde das Wachstum in Nordrhein-Westfalen innerhalb von fünf Jahren um fünf Prozent zurückgehen, 490.000 Arbeitsplätze gingen verloren und es wäre ein Wohlstandsverlust von 38 Milliarden Euro zu erwarten.

Die Studie unterstreicht die engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Nordrhein-Westfalen und den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. 84 Prozent des nordrhein-westfälischen Handels in Europa findet mit den Staaten der Europäischen Union statt. Zudem gehen Zweidrittel der Exporte aus Nordrhein-Westfalen in die Mitgliedsstaaten. Des Weiteren finden sich sowohl bei den Ex- als auch Importen unter den Top zehn der Handelspartner sieben Länder, die ebenfalls Mitglied der Europäischen Union sind.

Auch weitere Untersuchungen und Umfragen zeigen ein ähnliches Bild der Bedeutung des europäischen Binnenmarktes für Nordrhein-Westfalen auf. Hier lässt sich beispielsweise der Außenwirtschaftsreport der IHK NRW für die Jahre 2022/2023 nennen. Darin wird unterstrichen, dass der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union Schwierigkeiten für die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen mit sich gebracht habe. Zudem fasst der Bericht eine Umfrage zusammen, in welcher circa 75 Prozent der Betriebe in Europa, hier der Eurozone, wichtige Handelsmöglichkeiten sehen.

Ein Austritt aus der Europäischen Union würde auch gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Lage hohe negative Auswirkungen für Nordrhein-Westfalen nach sich ziehen. Für das laufende Jahr wird lediglich ein Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent erwartet, im letzten Jahr ist sogar ein Rückgang um 1,1 Prozent ermittelt worden. Trotz des leicht positiv erwarteten Wachstums blicken die Unternehmen eher negativ auf die weitere Entwicklung.

Dass ein starker Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen in direktem Bezug zu Europa steht, verdeutlicht ebenfalls die Bedeutung der hohen Summe der Direktinvestitionen, die aus der Europäischen Union getätigt werden. Die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln beziffert diese auf knapp 113 Milliarden Euro und veranschaulicht, wie viele Unternehmen und Beschäftigte davon profitieren. Die Zahl unterstreicht, dass die Landesregierung gefordert ist, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für Investoren aus der Europäischen Union zu schaffen. Dazu zählen unter anderem einfache und schnelle Genehmigungsverfahren, der Abbau von Bürokratie sowie eine gut ausgebaute Verkehrs- und Energieinfrastruktur.

Die hohen wirtschaftlichen Verflechtungen zu den Partnern in der Europäischen Union werden insbesondere in Bezug auf die Benelux-Staaten Niederlande, Belgien und Luxemburg ersichtlich. Die Niederlande sind beispielsweise sowohl bei den Im- als auch bei den Exporten der wichtigste Handelspartner Nordrhein-Westfalens. 11,5 Prozent der gesamten Exporte gehen in das Nachbarland und 13,8 Prozent der Importe werden von dort nach Nordrhein-Westfalen eingeführt. Damit liegt das Land in beiden Rankings auf dem Spitzenplatz. Aber auch Belgien ist mit dem vierten Platz bei den Im- und Exporten ein zentraler Handelspartner. Auch das Großherzogtum Luxemburg ist die für hiesige Wirtschaft ein wichtiges Partnerland. Der genannten Studie zufolge stammen 56 Prozent der Direktinvestitionen aus der Europäischen Union aus dem kleinsten Beneluxstaat. Auch die Niederlande sind mit circa 11 Prozent in dieser Kategorie ein zentrales Herkunftsland. Die dargelegten Zahlen verdeutlichen, dass enge Handelsbeziehungen zu den Benelux-Staaten für Nordrhein-Westfalen von entscheidender Bedeutung für Wachstum und Wohlstand sind.

Um diese wichtigen ökonomischen Verbindungen zu den Benelux-Staaten zu stärken und aus- zubauen sind zwischenstaatliche Abkommen notwendig, die Zielvorstellungen und konkrete Vorhaben beschließen. Beispielhaft kann an dieser Stelle die in der 17. Wahlperiode durch die damalige schwarz-gelbe Landesregierung initiierte „Politische Erklärung zur Zusammenarbeit“ zwischen Nordrhein-Westfalen, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg genannt werden. Dabei wurden Vereinbarungen in Bereichen getroffen, die Verbesserungen für die Wirtschaft mit sich bringen. Zu nennen sind hier die Chemieindustrie, die Arbeitsmarktpolitik, der Verkehrsbereich sowie die Digitalisierung.

Ein weiterer Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zu den Staaten der Europäischen Union und den Benelux-Staaten im Besonderen stellt eine Möglichkeit dar, das Wirtschaftswachstum in Nordrhein-Westfalen zu erhöhen, Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen und den Wohlstand in der Region zu erhalten. Dazu muss Nordrhein-Westfalen eine unternehmensfreundliche Wirtschaftspolitik betreiben und eng mit den Handelspartnern in Feldern wie der Digitalisierung oder im Energiebereich zusammenarbeiten.

II. Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • sich über den Bundesrat und im Ausschuss der Regionen für eine Stärkung des Binnenmarktes einzusetzen und die Umsetzung eines Digital- und Energiebinnenmarktes sowie die Schaffung einer gemeinsamen Kapitalmarktunion voranzutreiben.
  • passende Standortbedingungen zu schaffen, um Investitionen aus den Staaten der Europäischen Union in Nordrhein-Westfalen weiter zu fördern und zu vertiefen, insbesondere durch den Verzicht auf die Übererfüllung („Gold-Plating“) von Bundes- und EU-Regeln oder durch den konsequenten Abbau von Bürokratie.
  • die Benelux-Gespräche sowie die bilateralen Treffen mit Regierungsvertretern von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union für die Formulierung und Umsetzung von Vereinbarungen zu nutzen, die grenzüberschreitendes Wirtschaften vereinfachen und den Handel zwischen Nordrhein-Westfalen und den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ausbauen. Darunter sollen beispielsweise Maßnahmen für ein vereinfachtes grenzüberschreitendes Arbeiten oder die bessere Anerkennung von Berufsabschlüssen fallen.
  • die Zusammenarbeit mit den Beneluxstaaten weiter zu intensivieren und den Beitritt Deutschlands zum Benelux-Vertrag anzustoßen.
  • gemeinsam mit den Partnern in den Niederlanden und in Belgien jährlich eine gemeinsame Regierungskonsultation unter Beteiligung des Bundes und von Rheinland-Pfalz zu vereinbaren und durchzuführen mit dem Ziel, den Ausbau gemeinsamer Infrastruktur und Wirtschaftsbeziehungen voranzutreiben. Wichtige Stakeholder aus dem Wirtschafts-, Verkehrs- und Energiesektor sind in die Konsultationen miteinzubeziehen.
  • den gemeinsamen Ausbau weiterer Leitungssysteme für Erdgas und Wasserstoff mit den Niederlanden und Belgien voranzutreiben. Dabei kann die etablierte Zeelink-Pipeline zwischen Antwerpen-Zeebrügge und dem Münsterland ein Vorbild sein.
  • den gemeinsamen Ausbau von Schienen-, Straßen- und Wasserstraßeninfrastruktur mit Belgien und den Niederlanden voranzutreiben.
  • für den grenzüberschreitenden Ausbau von Verkehrs- und Energieinfrastrukturen das Tempo und die Umsetzungsschritte der Planungs- und Genehmigungsverfahren in Nordrhein-Westfalen mit den Verfahren der Nachbarländer zu harmonisieren und mit den Nachbarländern gemeinsame Standards und Verfahren zu entwickeln.
  • dem Landtag jährlich über alle gemeinsamen Projekte und Bemühungen der Landesregierung mit den Niederlanden und Belgien für den Ausbau gemeinsamer Wirtschaftsbeziehungen und Infrastruktur Bericht zu erstatten.