PISA Ergebnisse: Bildungschancen im Sinkflug

In der aktuellen PISA-Studie haben die Schülerinnen und Schüler in Deutschland so schlecht abgeschnitten wie noch nie. Die deutlichen und erschreckenden Ergebnisse, insbesondere bei den mathematischen Kompetenzen, sind ein deutlicher Weckruf für die Bildungspolitik und müssen jetzt endlich zum Umdenken und Umsteuern bei der Landesregierung führen. In den Ergebnissen wird deutlich, dass die Gruppe der leistungsstarken Schülerinnen und Schüler zurückgegangen und die der Leistungsschwachen gewachsen ist. Insgesamt ist Deutschland im internationalen Vergleich nur noch Mittelmaß.

Hinzu kommt: Immer mehr Kinder in Nordrhein-Westfalen weisen schon bei den Schuleingangsuntersuchungen Defizite auf. Das geht aus der aktuellen Berichterstattung der Rheinischen Post vom 09.12.2023 hervor. Das heißt, sie verfügen nicht über die Vorläuferfähigkeiten, die beim Schulstart erforderlich sind. Die Zahl der Kinder mit Förderbedarf steigt in fast allen Bereichen – das zeigt der Report der Schuleingangsuntersuchungen des Landeszentrums für Gesundheit NRW aktuell. Die Defizite zeigen sich sowohl bei den körperlichen Untersuchungen als auch bei der Überprüfung der sozial-pädiatrischen Fähigkeiten, wie etwa der Umgang mit Zahlen, der für das spätere Rechnenlernen entscheidend ist.

Diese Ergebnisse sind prägend und determinierend für die kommenden Jahre. Denn wenn diese Defizite nicht aufgeholt werden, haben sie massive Auswirkungen auf die weitere Bildungsbiographie der Kinder. Und nicht zuletzt wird sich diese Bildungsmisere auf unsere gesamte Volkswirtschaft auswirken.

In den Schulen wird es immer schwieriger, individuell zu fördern und auf die unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder einzugehen. Dies zeigen auch die steigenden Klassengrößen in unseren Grundschulen, die im Bundesvergleich in NRW am größten sind. Es ist angesichts der Ergebnisse der Untersuchungen davon auszugehen, dass die Situation in den kommenden Jahren nicht besser wird, wenn nicht entschieden gehandelt wird. Offenbar sieht auch Ministerpräsident Hendrik Wüst nach einer dpa-Meldung vom 07.12.2023 den Handlungsbedarf bereits in der Kita.

Nach den Veröffentlichungen der Ergebnisse der PISA-Studie am 5. Dezember 2023 haben sich Presse und Öffentlichkeit in der vergangenen Woche breit mit den Ursachen für das schlechte Abschneiden befasst und es kommen verschiedene Ansätze wie jetzt damit umzugehen ist. Als einer der Gründe für das schlechte Abschneiden der Schülerinnen und Schüler wird auch der enorme Lehrkräftemangel ausgemacht. Im Schatten dieser Debatte veröffentlichte am vergangenen Freitag (08.12.2023) die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz ihr Gutachten „Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht“. Darin sehen die 16 Bildungswissenschaftler des Gutachtens die Kompetenzen der Lehrkräfte als entscheidend für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler an und warnen vor einer Deprofessionalisierung des Lehrerberufs. Hochwertige Ausbildung sei ein Schlüssel für die Attraktivität des Berufs. Auch die Attraktivität des Berufs sowie die Qualität der Ausbildung gehören im Zusammenhang mit den PISA-Ergebnissen nun auf den Prüfstand.

Aber auch die Zusammensetzung der Schülerschaft und fehlende sprachliche Voraussetzungen bei einer großen Zahl von Schülerinnen und Schülern haben Einfluss auf die Ergebnisse. Sprachdefizite wiederum haben ihre Folgewirkungen auf alle anderen Kompetenzbereiche. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger mahnt, Deutschland müsse sich der Debatte stellen und sich fragen: Wie muss gute Bildungspolitik in einem Einwanderungsland aussehen?

Deutschland habe lange nicht erkennen wollen, dass wir zu einem Einwanderungsland geworden sind. Dass wir unser Bildungssystem auch darauf ausrichten müssen, konstatieren verschiedene Medienkommentare, u.a. in der Rheinischen Post.

Die Landesregierung hat in der Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung am 6. Dezember 2023 bereits ergriffene Maßnahmen für die Grundschulen vorgestellt. Für die Schülerinnen und Schüler ab der 7. Klasse hat die Landesregierung jedoch keine Verbesserungen in Aussicht gestellt. Eine entsprechende Nachfrage im Ausschuss blieb unbeantwortet.

Wir Freie Demokraten sehen einen dringenden Bedarf, im Parlament über die Anforderungen an unsere Bildungsqualität und gute Startchancen für alle Kinder zu debattieren. Die Landesregierung darf insbesondere nicht das Signal an unsere Jugendlichen im Land aussenden, dass sie diese Schülergeneration im Stich ließe. Wir brauchen jetzt von der frühkindlichen Bildung bis zum Schulabschluss ein ganzheitliches Konzept für die Chancen der Kinder in Nordrhein-Westfalen.

Aufgrund des dringenden öffentlichen Interesses muss sich der Landtag mit diesem Thema im Rahmen einer Aktuellen Stunde auseinandersetzen.