Vertrauen in den Rechtsstaat erneuern: Besetzungsverfahren für Präsidentenstellen an oberen Landesgerichten überprüfen

I. Ausgangslage

Die Besetzung von Präsidentenstellen in der nordrhein-westfälischen Justiz basiert gemäß Art. 33 Abs. 2 GG auf dem Grundsatz der Bestenauslese. Der Minister der Justiz von Nordrhein-Westfalen leitet mit seinem Ressort das Bewerbungsverfahren zur Besetzung von Präsidentenstellen, trifft die Auswahlentscheidung, bringt diesen Personalvorschlag ins Kabinett ein und ernennt den Kandidaten oder die Kandidatin nach entsprechendem Kabinettsbeschluss zum Präsidenten des oberen Landesgerichts.

Das aktuelle Besetzungsverfahren für die vakante Präsidentenstelle des OVG Münster zeigt beispielhaft, welche Herausforderungen mit solch einem Auswahlprozess für ein Spitzenamt in der Justiz verbunden sind –und weshalb eine ergebnisoffene Diskussion über die verschiedenen Modelle zur Kandidatenfindung geführt werden sollte.

Die Stelle des nordrhein-westfälischen OVG-Präsidenten ist seit nunmehr drei Jahren unbesetzt. Zu weiter andauernden Verzögerung kam es, weil zunächst typische Mechanismen eines Besetzungsprozesses für ein Spitzenamt in der Justiz griffen: Zunächst sorgte ein Regierungswechsel für eine Unterbrechung des bereits weit fortgeschrittenen Verfahrens. Es trat sodann aus dem Umfeld der neu gebildeten Regierung eine zusätzliche Kandidatin in das Bewerberfeld ein. Als diese nach einem langen Findungsverfahren als Siegerin aus dem Bewerbungsprozess hervorging, legten zwei unterlegene Konkurrenten Rechtsmittel gegen die Ernennung ein und bekamen zunächst Recht. Hiergegen wehrte sich das Justizministerium mit einer Beschwerde zum OVG Münster und obsiegte. Einer der unterlegenen Konkurrenten hat nun Verfassungsbeschwerde eingelegt, sodass die Ernennung einer neuen Präsidentin oder eines neuen Präsidenten des OVG Münster auf absehbare Zeit unmöglich ist.

Neben diesen verfahrensrechtlichen Verzögerungen blieb in diesem Besetzungsverfahren der Verdacht einer politischen Einflussnahme auf die Besetzungsfindung zurück. Insbesondere konnte Justizminister Benjamin Limbach die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bisher nicht entkräften. Auch daher sollte die derzeit in Nordrhein-Westfalen geltende Besetzungspraxis durch eine von der Landesregierung berufene Kommission eingehend und ergebnisoffen diskutiert werden.

Beispiele für alternative Findungsmodelle gibt es: So ernennen andere Bundesländer ihre Präsidenten der oberen Landesgerichte durch ein einvernehmliches Votum von Justizminister und Richterwahlausschuss. Dieser Richterwahlausschuss ist regelmäßig mit Mitgliedern des Landtags, Vertretern der Justiz sowie Vertretern der Rechtsanwaltskammern besetzt. Auf Vorschlag des Justizministers und unter Zurverfügungstellung aller Bewerbungsunterlagen wird gemeinsam ein geeigneter Kandidat bestimmt. Ein anderes Modell sieht vor, dass der Landtag aufgrund einer Vorschlagsliste, die der Justizminister des Landes erstellt, die Präsidenten der oberen Landesgerichte mit Zweidrittelmehrheit wählt.

Um die Autorität und die Glaubwürdigkeit der Justiz zu stärken, erscheint es sinnvoll, über das Auswahlverfahren zur Besetzung von Präsidentenstellen der oberen Landesgerichte politisch parteiübergreifend nachzudenken. Wir setzen uns mit Nachdruck dafür ein, das derzeit in Nordrhein-Westfalen geltende Besetzungsmodell grundlegend und ergebnisoffen zu überprüfen. Wir brauchen Transparenz, Fairness und eine echte Bestenauslese, die frei von politischem Kalkül ist. Denn allen demokratischen Fraktionen im Landtag Nordrhein-Westfalen ist daran gelegen, dass die Dritte Gewalt im Lande Nordrhein-Westfalen eine hohe Akzeptanz genießt und in ihrer Autorität nicht durch das Auswahlverfahren zur Besetzung von Stellen geschwächt wird.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest,

  • dass das Vertrauen in die Besetzung von Positionen in der Justiz elementar für das Vertrauen in den Rechtsstaat ist.
  • dass das Ansehen der Justiz durch das aktuelle Besetzungsverfahren für die vakante Präsidentenstelle des OVG Münster gelitten hat.
  • dass zur Wiederherstellung des Vertrauens eine ergebnisoffene Debatte um den Besetzungsprozess notwendig ist.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • eine Kommission unter Beteiligung des Landtags einzurichten, die die verschiedenen existierenden Modelle zur Besetzung von Präsidentenstellen der oberen Landesgerichte prüft und einen Bericht verfasst, der Diskussions- und Entscheidungsgrundlage für eine Änderung des Bewerbungsprozesses in Nordrhein-Westfalen ist.