Cum-Cum-Geschäfte in NRW – Wird wirklich alles getan, um diesen Steuerbetrug schlagkräftig zu verfolgen und die hinterzogenen Milliarden zurückzuholen?
I. Ausgangslage
Cum-Cum-Geschäfte sind nicht schwer zu verstehen: Inhaber von Aktien deutscher Unternehmen müssen auf anfallende Dividenden Steuern abführen. Anders als ausländische Banken können sich deutsche Finanzunternehmen diese Steuer später zurückholen, weil sie bereits Körperschaftsteuer bezahlt haben. Hier setzt der Trick von Cum-Cum an: Ausländische Banken leihen ihre Aktien kurz vor dem Stichtag der Dividende an deutsche Institute aus. Diese fordern die Steuer zurück, bevor die Aktien wieder an die ausländischen Banken zurück übertragen werden. Die Steuerersparnis teilen sich beide Seiten. Durch die Transaktionen rund um den Dividendenstichtag sollten Cum-Cum-Geschäfte für Steuerfahnder daher leicht nachweisbar sein.
Schon im März 2017 berichtete der Focus, dass eine deutsche Großbank inländische Aktien, die ausländische Investoren hielten, an eine Volksbank weiterverliehen habe. In Unterlagen, die dem „Handelsblatt“ vorlägen, werde namentlich die Volksbank Rhein-Ruhr erwähnt.
Die Bundesregierung hat im Dezember 2024 bekannt gegeben, dass 54 Kreditinstitute eine unmittelbare Beteiligung an sogenannten Cum-Cum-Geschäften angegeben haben. Unter Berufung auf eine Umfrage der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) heißt es, es habe sich um 19 Kreditinstitute in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft, 15 genossenschaftliche Kreditinstitute sowie 20 private Finanzinstitute gehandelt.
Am 22. Januar 2025 hat in der Sitzung des Rechtsausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen der neue Leiter der Hauptabteilung H der Staatsanwaltschaft Köln geäußert, dass bei Cum-Cum die Strafbarkeit noch etwas ungeklärter als bei Cum-Ex sei und es noch keine Urteile gebe. Bei der strafrechtlichen Bewertung sei man noch gar nicht unbedingt an dem Punkt, an dem man total losschießen könne. Diese Aussage des maßgeblich verantwortlichen Strafverfolgers überrascht angesichts des höchstrichterlichen Urteils des Bundesfinanzhofs zu Wertpapierleihgeschäften über den Dividendenstichtag aus dem Jahr 2015 sowie weiteren in der Folgezeit ergangenen finanzgerichtlichen Urteilen und dem BMF-Schreiben vom 9. Juli 2021. Seitdem kann von einer unklaren Rechtslage zu Cum-Cum-Geschäften keine Rede mehr sein. Zudem steht die o.g. Aussage vom 22. Januar 2025 aus dem Justizministerium im Widerspruch zur Wertung einer Anweisung aus dem NRW-Finanzministerium.
Denn Ende August 2024, also fünf Monate vor dieser Aussage aus dem Justizministerium, verschickte die Oberfinanzdirektion Münster (OFD) einen internen Vermerk an die zuständigen Finanzbehörden. Das achtseitige Papier skizziert mögliche Ansätze für Ermittlungen: Es könne sich bei Cum-Cum-Gestaltungen um Steuerhinterziehung handeln.
Am 26. März 2025 war in dem Report von Finanzwende „CUMCUM: UNTER DEM RADAR“ zu lesen, dass die Verfolgung von Cum-Cum noch keinen ausreichenden Stellenwert habe. Teilweise beriefen sich staatliche Stellen sogar auf das Steuergeheimnis, weil sie offensichtlich das Schutzinteresse der die in Cum-Cum-Geschäfte verwickelten Kreditinstitute selbst ohne Nennung der betroffenen Institute und Unternehmen für gewichtiger hielten als das öffentliche Interesse an Aufklärung von steuergetriebenen Geschäften in Milliardenhöhe zu Lasten der öffentlichen Kassen. Hier wird auf das Justizministerium in Nordrhein-Westfalen Bezug genommen.
Am 28. März 2025 titelte die Rheinische Post: „NRW-Finanzminister will mehr Cum-Cum-Ermittler einstellen – und setzt auf Quereinsteiger“. Insbesondere ziele die Suche auf solche neuen Mitarbeiter, die aus eigener Erfahrung wissen, wie Cum-Cum-Geschäfte, internationale Kapitalströme oder steuerliche Gestaltungsspielräume funktionieren, auch seien Informatiker, IT-Forensiker und Experten für digitale Datenanalyse gefragt. Das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität NRW (LBF NRW) bündelt seit Anfang des Jahres 2025 die gesamte NRW-Steuerfahndung mit rund 1200 Experten. Der Landtag hatte dem LBF zu dessen Start bereits 15 zusätzliche Stellen zugewiesen.
Im April 2025 hat sich die ehemalige Leiterin der Hauptabteilung H der Staatsanwaltschaft Köln und Geschäftsführerin von Bürgerbewegung Finanzwende e.V. Anne Brorhilker ausdrücklich an alle Finanzminister gewandt und sowohl die Benennung und Umsetzung der in 2025 konkret geplanten Schritte zur Beschleunigung der Rückforderung der illegalen Cum-Cum-Gewinne in den einzelnen Bundesländern als auch eine abgestimmte Initiative der Länder zur Aufforderung des Bundesfinanzministeriums, die Ressourcen der Bundesbetriebsprüfung zur Unterstützung der Landesbehörden bereitzustellen, gefordert. Es sei nicht verständlich, warum laut Bundesfinanzministerium bis zum 31. Dezember 2023 erst rund 200 Millionen Euro an illegalen Cum-Cum-Profiten zurückgefordert wurden, also weniger als ein Prozent des geschätzten Gesamtschadens von 28,5 Milliarden Euro. Diese Summe hatte Prof. Spengel in seiner Stellungnahme zur Anhörung im Rechtsausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen am 19. März 2025 zum Antrag der Fraktion der FDP „Effizientere Bekämpfung von Cum-Cum-Geschäften“ mitgeteilt.
In der Sitzung des Rechtsausschusses am 14. Mai 2025 wurde von Seiten des Justizministeriums erneut die Ansicht geäußert, dass mehr Staatsanwälte für die Aufklärung der Cum Ex/Cum-Cum Geschäfte nicht förderlich seien, da diese erst neu eingearbeitet werden müssten. Auch wurde mit einem Halbsatz auf die Haushaltslage verwiesen. Beides überzeugt nicht, ist es doch evident, dass sich mehr Staatsanwälte schneller durch das umfangreiche, oft tausende Seiten umfassende Beweismaterial arbeiten können. Dies ist gerade auf die drohende Verjährung von entscheidender Bedeutung. Wenn bis jetzt erst ein Prozent des Gesamtschadens bei Cum-Cum zurückgefordert wurde, muss hier dringend in neue Ressourcen investiert werden. Es darf nicht auf dem Status Quo verharrt und das Problem in die Zukunft verschoben werden, weil es bequemer ist, kein neues Personal einzuarbeiten.
Hieraus ergeben sich folgende Feststellungen:
(a) Steuerrechtliche Verfolgung der Cum-Cum-Verfahren
Landesweit wird das neue Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität NRW (LBF NRW) mit 1.200 Experten neben all der bisher angefallenen Arbeit auch zur Bekämpfung von Cum-Cum-Verfahren, rechtswidrigen Umsatzsteuerkarussellen und sonstigen Steuerhinterziehungsmodellen tätig. Neues Personal wird zusätzlich gesucht. Ob aber hier wirklich ausreichendes getan wird, um die Cum-Cum-Verfahren in Zukunft schlagkräftig verfolgen zu können, wird sich in einigen Monaten zeigen.
(b) Strafrechtliche Verfolgung der Cum-Cum-Verfahren
aa) Bearbeitung der verbundenen Verfahren
Strafrechtlich wird die Abteilung H der Staatsanwaltschaft Köln bei den Cum-Ex-Verfahren, die als Koppelverfahren auch Cum-Cum-Verfahren beinhalten, bei 1.200 Beschuldigten und mindestens einhundert Verfahren mit 37 Ermittlungspersonen tätig. Dass dies zu wenig Personal ist, wurde von uns mehrfach geäußert.
bb) Umgang mit den ausgelagerten Cum-Cum-Verfahren
Für die ausgelagerten Cum-Cum-Verfahren müssen ausreichend Staatsanwälte flächendeckend eingearbeitet werden, um diese effizient bearbeiten zu können, weil gerade eine Bündelung das Ministerium nicht wünscht. Ob dies die gewünschten Erfolge bringt, wird auch erst in einigen Monaten zu sehen sein.
II. Beschlussfassung
Der Landtag beauftragt die Landesregierung, konkrete Schritte zur Beschleunigung der Rückforderung der illegalen Cum-Cum-Gewinne im Jahr 2025 und den Folgejahren sowie der zukünftigen Verhinderung ähnlicher Modelle öffentlich zu benennen und hierzu folgendes umzusetzen:
- Durch das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität NRW (LBF NRW) in einen fortlaufenden Prüfungsprozess mit (spätestens) zweimonatigen internen Bewertungen, Prüfungen und der Evaluierung der neu getroffenen internen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Problemaufdeckung bei der Cum-Cum-Verfolgung und sonstigen Umsatzsteuer-Karussell-Verfahren einzusteigen, um neuen Modellen finanzrechtlicher und strafrechtlich-relevanter Verhalten zu Lasten der deutschen Steuerzahler dauerhaft den Boden zu entziehen und die Finanzämter hierüber fortlaufend zu unterrichten.
- Durch personal- und IT-verstärkende Maßnahmen bei der Abteilung H der Staatsanwaltschaft Köln die Voraussetzungen zu schaffen, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren betreffend Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte zum Abschluss und zur Anklage zu bringen.
- Fortlaufend neue Staatsanwälte auszubilden, die in der Lage sind, die komplexen Cum- Cum-Verfahren auch bei den ausgelagerten Cum-Cum-Verfahren effizient zu verfolgen.