Eigenverantwortliche Altersvorsorge und Vermögensaufbau schützen – Beschäftigte, Unternehmen und öffentliche Haushalte nicht weiter belasten – Ausweitung der Beitragsbemessung in der Krankenversicherung verhindern!
I. Ausgangslage
Die Ausgaben der umlagefinanzierten Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und Sozialen Pflegeversicherung (SPV) sind in den letzten Jahren deutlich angestiegen. So sind die Leistungsausgaben der GKV von 239,49 Milliarden Euro im Jahr 2019 auf 288,62 Milliarden Euro im Jahr 2023 gestiegen. Für das Jahr 2025 erwartet der GKV-Schätzerkreis Ausgaben der Krankenkassen von voraussichtlich 341,36 Milliarden Euro, davon Leistungsausgaben von 325,87 Milliarden Euro. Aus den Schätzergebnissen für das Jahr 2025 ergibt sich eine Erhöhung des rechnerischen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent. Tatsächlich liegen die Zusatzbeiträge der meisten Krankenkassen inzwischen über diesem Wert.
Diese Ausgabendynamik der GKV belastet Versicherte und Arbeitgeber gleichermaßen. Hohe Sozialversicherungsbeiträge verhindern, dass Unternehmen neue Jobs schaffen und machen die Arbeitsaufnahme unattraktiv. Daher wären politische Maßnahmen erforderlich, die diese Ausgabenentwicklung bremsen. SPD und Grüne setzen hingegen auf eine Erhöhung der Ein- nahmen durch eine Ausweitung der Grundlagen zur Beitragsbemessung. So fordert die SPD: „Die Beiträge der Versicherten sollen sich noch stärker als jetzt an ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientieren.“ Die Grünen fordern: „Die Beitragsbemessung werden wir reformieren und beispielsweise auch Kapitaleinnahmen zur Finanzierung unseres Gesundheits- und Pflegesystems heranziehen.“
Bereits 2023 haben Vertreterinnen von SPD und Grünen eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze über die regulären jährlichen Anpassungen hinaus vorgeschlagen. Dahinter steht das Ziel einer Anhebung auf das Niveau der Rentenversicherung. Aktuell hat der Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin die Einbeziehung von Einkünften aus Kapitalerträgen für die Finanzierung der GKV hervorgehoben. Er schlägt vor, „auch diese Einkommensquellen (...) sozialversicherungspflichtig (zu) machen“.
Nach § 223 Abs. 3 SGB V sind beitragspflichtige Einnahmen bis zu einem Betrag von einem Dreihundertsechzigstel der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 SGB V für den Kalendertag zu berücksichtigen (Beitragsbemessungsgrenze). Diese „alte“ Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 SGB V stellt ansonsten eine Bestandsschutzregelung dar für Personen, die bereits Ende 2002 versicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert waren. Sie ist zu unterscheiden von der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 SGB V, bei deren Überschreiten Beschäftigte versicherungsfrei werden und die anteilig höher liegt als die Grenze nach § 6 Abs. 7 SGB V. Beitragsbemessungsgrenze und Versicherungspflichtgrenze sind demnach miteinander verknüpft.
Nach der Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung 2025 wurden zum Jahresanfang die Beträge für die Beitragsbemessungsgrenze in der GKV auf 5.512,50 Euro im Monat (2024: 5.175 Euro), für die Versicherungspflichtgrenze in der GKV auf 6.150 Euro im Monat (2024: 5.775 Euro) sowie für die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung auf 8.050 Euro im Monat (2024: 7.550 Euro) angehoben.
Eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der GKV auf das Niveau der Rentenversicherung würde angesichts dieser Beträge vor allem Arbeitsplätze hochqualifizierter Fachkräfte belasten. Entsprechende Beschäftigte würden geringere Netto-Entgelte erhalten, ihre Arbeitgeber müssten höhere Lohnnebenkosten tragen. Eine zusätzliche Beitragspflicht auf Kapitaleinkünfte würde in der bestehenden Systematik der Beitragserhebung nur diejenigen Menschen betreffen, deren Arbeitsentgelt noch unter der Beitragsbemessungsgrenze liegt. Dies würde insbesondere die Sparleistung, den Vermögensaufbau und die eigenverantwortliche Altersvorsorge der Mittelschicht entwerten. Die negativen wirtschaftlichen Folgen beider Vorschläge wären erheblich.
Das Institut der deutschen Wirtschaft e.V. (IW) hat die Auswirkungen einer Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der GKV und SPV simuliert. Demnach wären in Deutschland 6,3 Millionen Beschäftigte mit ihren Arbeitgebern durch die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze betroffen. In Nordrhein-Westfalen wären dies 1,3 Millionen Menschen und damit 17,5 Prozent aller Mitglieder der GKV. Für diese würde eine Beitragsmehrbelastung in Höhe von 4,9 Milliarden Euro jährlich entstehen. Die durchschnittliche Pro-Kopf-Zusatzbelastung liegt in Nordrhein-Westfalen bei 640 Euro im Jahr.
Eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze würde auch zu Steuerausfällen beim Bund, in den Ländern und in den Kommunen führen, da die höheren Beiträge als Sonderausgaben bei der Einkommensteuer abzugsfähig sind. Insgesamt müsste der Staat nach den Berechnungen des IW Steuerausfälle in Höhe von 4,7 Milliarden Euro im Jahr hinnehmen. Davon würden 2,1 Milliarden Euro auf den Bund entfallen. In Nordrhein-Westfalen würden das Land und die Kommunen Steuereinnahmen in Höhe von 547 Millionen Euro verlieren. Davon würden 404 Millionen Euro im Landesetat fehlen. Diese Steuerausfälle würden auf bereits angespannte öffentliche Haushalte treffen.
Die Vorschläge zur Ausweitung der Grundlagen der Beitragsbemessung würden weder eine nachhaltige Finanzierung der Krankenversicherung noch eine Eingrenzung des Ausgabenwachstums bewirken. Vielmehr würden Beschäftigte, Unternehmen und öffentliche Haushalte erheblich belastet, Arbeitskosten erhöht, die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen geschwächt sowie Vermögensaufbau und eigenverantwortliche Altersvorsorge erschwert. Je höher der Anteil relativ gutverdienender Arbeitnehmer in den Belegschaften ist, desto stärker würden einzelne Unternehmen getroffen.
Zudem hätte eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze voraussichtlich auch eine Anhebung der Versicherungspflichtgrenze zur Folge und damit eine Verschiebung der „Friedensgrenze“ zwischen Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung, die das duale System in Frage stellen würde. Die Ausweitung der Grundlagen der Beitragsbemessung zielt letztlich auf die Einführung einer so genannten Bürgerversicherung als Einheitsversicherung.
II. Beschlussfassung
Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- sich auf Bundesebene gegen eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der GKV auf das Niveau der Rentenversicherung einzusetzen,
- sich auf Bundesebene gegen eine zusätzliche Einbeziehung von Einkünften aus Kapitalerträgen für die Finanzierung der Sozialversicherung einzusetzen,
- sich aktiv in Diskussionen über die Reduzierung der Ausgabendynamik in der GKV einzubringen
- sich für den Erhalt des dualen Systems von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung einzusetzen.