Erhalt des gegliederten Schulsystems – Keine Einheitsschule durch die Hintertür

I. Ausgangslage

Mit der geplanten Änderung von § 132c Schulgesetz NRW wird Schulträgern dauerhaft ermöglicht, an Realschulen Hauptschulbildungsgänge bereits ab Klasse 5 einzurichten – insbesondere dort, wo keine eigenständige Hauptschule mehr existiert. In der Folge werden Schülerinnen und Schüler beider Bildungsgänge gemeinsam im Klassenverband unterrichtet, jedoch nach unterschiedlichen Lehrplänen, mit abweichenden Prüfungsanforderungen und Abschlüssen.

Diese Maßnahme führt faktisch zur Aufweichung der Realschule als Schulform und zur schritt-weisen Abschaffung der Hauptschule. Die betroffenen Schulen werden organisatorisch und pädagogisch erheblich belastet werden. Der Unterricht verliert dadurch an Qualität und Differenzierung. Auf Strecke dürfte die Realschule – neben der Gesamt- und der Sekundarschule – zu einer ebenfalls integrierten Schulform werden, die mehrere Bildungsgänge „unter einem Dach“ anbietet.

Die geplante Maßnahme stößt auf breite Kritik in der Fachwelt: In der Verbändeanhörung des Schulausschusses des Landtags vom 25. März 2025 haben alle relevanten Lehrerverbände – darunter Lehrer NRW, der Philologenverband, der VBE sowie die GEW – die Gesetzesänderung abgelehnt oder kritisch bewertet. Auch Elternvertreter wie die Landeselternschaft der Realschulen schließen sich der Kritik an. Insbesondere wird bemängelt, dass durch die Integration zweier Bildungsgänge ohne entsprechende Ressourcen ein erheblicher Qualitätsverlust im Unterricht drohe und die Schulform Realschule damit in ihrem pädagogischen Profil nachhaltig beschädigt werde. Sie würde durch diese Änderung zu einer „Sekundarschule ohne die Ausstattung einer Sekundarschule“. Die besonderen Profile sowie der Vorteil, dass es sich häufig um kleine Schulen handelt, drohe verloren zu gehen.

Zudem stellt das Gesetz ein bildungspolitisches Entgegenkommen an kommunale Schulträger dar, die in der Zusammenlegung von Schulformen primär eine Kostenersparnis und Lösung für eine verfehlte kommunale Schulentwicklungsplanung sehen. Eine solche Entwicklung lehnt die Fraktion der Freien Demokraten ab. Bildungspolitik muss sich an Qualität, Leistungsorientierung und Vielfalt orientieren – nicht an kurzfristigen haushaltspolitischen Interessen. Mangelnde kommunale Schulentwicklungsplanung sollte nicht durch landesgesetzliche Regelungen korrigiert werden müssen.

II. Beschlussteil

Der Landtag stellt fest, dass

  • der vorgelegte Gesetzentwurf die Realschulen in ihrer pädagogischen Struktur und personellen Ausstattung überfordert.
  • der Gesetzentwurf dazu führen wird, dass mehr kommunale Schulträger Hauptschulbildungsgänge an Realschulen einrichten werden statt bestehende Haupt- und Realschulen zu stärken.
  • eine gemeinsame Unterrichtung von Haupt- und Realschülerinnen und -schülern im gleichen Klassenverband bei unterschiedlichen Lehrplänen, Prüfungsordnungen und Abschlusszielen nicht den Anforderungen an qualitätsvollen, differenzierten Unterricht gerecht wird.
  • der vorgelegte Gesetzentwurf das gegliederte Schulwesen langfristig aushöhlt, einen schleichenden Prozess hin zur Einheitsschule weiter vorantreibt und die Hauptschule als eigenständige Schulform schwächt.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • sich zum Erhalt und zur Stärkung des mehrgliedrigen Schulsystems in Nordrhein-Westfalen als Ausdruck von Leistungsdifferenzierung, Durchlässigkeit und echter Wahlfreiheit für Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern zu bekennen.
  • das im 17. Schulrechtsänderungsgesetz vorgesehene Vorhaben, dauerhaft Hauptschulbildungsgänge an Realschulen ab Klasse 5 zu ermöglichen, zurückzunehmen.
  • keine weitere strukturelle Integration von Schulformen über gesetzliche Umwege vorzunehmen und stattdessen:

o Hauptschulen als praxisorientierte Schulform mit starker Berufsorientierung zielgerichtet weiterzuentwickeln,
o Realschulen in ihrem eigenständigen Profil zu schützen und personell wie materiell zu stärken,
o Kommunen bei der Schulentwicklungsplanung nicht nur nach Wirtschaftlichkeitsaspekten, sondern hauptsächlich nach pädagogischen Kriterien zu begleiten und
o ein transparentes, digitales und leistungsgerechtes Anmeldeverfahren für weiterführende Schulen zu etablieren.