Landesregierung muss hohe Überstundenberge rechtssicher vor Verfall schützen – Mehrarbeit wertschätzen und bei Bedarf in Langzeitarbeitskonten überführen
I. Ausgangslage
Personalknappheit bei zugleich wachsender Aufgabenfülle im Öffentlichen Dienst hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass ein erhebliches Volumen an behördlich angeordneter Mehrarbeit und von Überstunden entstanden ist. Ein baldiges Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Das aktuelle Volumen an Überstunden und von angeordneter Mehrarbeit entspricht einem Äquivalent Tausender Vollzeitstellen.
Die Berichterstattung der Landesregierung zeigt, dass sich im Landesdienst eine Zahl von stabil über 20.000 unbesetzter Stellen eingependelt hat. Beim letzten Erhebungsstichtag zum 1. Januar 2023 sind über 21.000 Stellen vakant gewesen. Für die Aufgabenerledigung fehlen damit aktuell rund 17.000 Beamte und über 4.000 Tarifbeschäftigte (LT-Vorlage 18/798). Da dringende und wichtige Tätigkeiten im Öffentlichen Dienst aber dennoch zu erledigen sind, dürfte die Entstehung von Mehrarbeit und Überstunden noch für einen längeren Zeitraum unvermeidbar sein.
Auch die demografische Situation spricht nicht für eine baldige strukturelle Verbesserung. In Zeiten des allgemeinen Fachkräftemangels haben rund 30.000 Beschäftigte beim Land ein Lebensalter von über 60 Jahren und werden daher in den kommenden Jahren regulär in den Ruhestand eintreten. Zuletzt hat das Land nicht alle seine Ausbildungsstellen besetzen können, zugleich ist die Verlustquote bei Anwärtern in mehreren großen Ressortbereichen leider gestiegen.
Nach § 61 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW besteht für die Beschäftigten eigentlich ein Anspruch auf Freizeitausgleich oder auf die Vergütung der geleisteten Mehrarbeit, der allerdings gemäß § 195 BGB nach drei Jahren zu verjähren droht. Die vormalige Regierungskoalition aus CDU und FDP hat den Bediensteten verbindlich zugesagt, dass Überstunden aus angeordneter Mehrarbeit nicht verfallen, da ein kurzfristiger Abbau der erbrachten Mehrarbeit aufgrund von dienstlichen Belangen und einem hohen Arbeitsaufkommen faktisch nicht möglich gewesen ist. Dieser Verfallsschutz wurde bisher im Wege von ministeriellen Erlassen zum Wohle der Bediensteten umgesetzt, welche nun absehbar auslaufen. Auf analoge Nachfolgeregelungen haben sich CDU und Grüne in der Koalition bislang nicht verständigt.
Mit ihrem Gesetz zur Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes in Nordrhein-Westfalen vom 13. April 2022 (GV. NRW. S. 523-552) hat die ehemalige Landesregierung aus CDU und FDP mit der Schaffung von Langzeitarbeitskonten in der letzten Legislaturperiode ein flexibles personalwirtschaftliches Instrumentarium geschaffen. Dies ist unter anderem auch deshalb geschehen, um die Ansprüche aus Überstunden vor Verjährung zu bewahren. Mehrarbeitsstunden können demnach einmalig bei Einrichtung des Langzeitarbeitskontos sowie ab dann jährlich in Höhe von bis zu maximal 122 Mehrarbeitsstunden unabhängig von ihrem Entstehungszeitpunkt auf das Konto übertragen und so vor Verfall geschützt werden.
II. Handlungsnotwendigkeiten
Der Öffentliche Dienst ist in Nordrhein-Westfalen unverzichtbar für die Gewährleistung der Daseinsvorsorge und des Allgemeinwohls in unserem Land. Ein funktionierender Staat und eine intakte soziale Marktwirtschaft stützen sich unter anderem auf die Leistungsfähigkeit des Öffentlichen Dienstes. Dabei kann die Aufgabenwahrnehmung und die damit verbundene Dienstleistung für die Bevölkerung nur erbracht werden, wenn in quantitativer und qualitativer Hinsicht genügend Personal vorhanden ist.
Die Aufgabenfülle und die Stellenvakanzen werden sich in einzelnen Ressorts nicht zeitnah reduzieren lassen. Von umso größerer Bedeutung ist es für die betroffenen Bediensteten, dass ihre längst erbrachten Arbeitsstunden rechtssicher zu einem späteren Zeitpunkt durch Freizeitausgleich zurückgegeben werden und nicht irgendwann kompensationslos entfallen. Ein entschädigungsloser Verfall bereits erbrachter Arbeitskraft widerspräche zutiefst dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit.
Eine flächendeckende Implementierung der Langzeitarbeitskonten hat bis zum heutigen Tag leider nicht ansatzweise stattgefunden (LT-Drucksache 18/2315). Sie ist im Gegenteil immer noch der Ausnahmefall. Damit entfällt für zahlreiche Betroffene bislang die versprochene Perspektive zur Sicherung geleisteter Arbeitsstunden vor Verfall. Auch zeigt der Blick auf das Stundenvolumen, dass die Befüllungsmöglichkeiten des Langzeitarbeitskontos für etliche Bedienstete offenbar nicht ausreichend dimensioniert sind.
III. Beschlussfassung
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- Langzeitarbeitskonten gemäß der Gesetzesinitiative zur Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes endlich flächendeckend und zeitnah in allen Ressorts einzuführen.
- Langzeitarbeitskonten so auszugestalten, dass sämtliche geleistete Mehrarbeit auf diese überführt werden kann.
- bis dahin auch weiterhin sicherzustellen, dass gemäß der bislang politisch verabredeten Zielsetzungen zum Verfallsschutz auch zukünftig keine Überstunden aus behördlich angeordneter Mehrarbeit kompensationslos verlorengehen.