„Abgeordnetenrechte massiv verletzt“ – Gefahr für die Demokratie

Fraktionen von FDP und SPD klagen vor dem Verfassungsgerichtshof gegen den Landtag NRW

Henning Höne

Henning Höne, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion

Nur wenige Wochen ist es her, dass die Fraktionen von FDP und SPD umfangreiche Klagen gegen die NRW-Landesregierung aus CDU und Grünen eingereicht haben. Diese betrafen die fragwürdige Konstruktion des schuldenfinanzierten „Sonder­vermögens zur Krisenbewältigung“, die aus Sicht der Fraktionen verfassungswidrig ist. Die Grundlage dafür, Milliarden-Euro-Summen und jahrzehntelange Schuldenverpflichtungen für die Bürgerinnen und Bürger aufzunehmen, hatten die sogenannten „Notlagenbeschlüsse“ im parlamentarischen Verfahren geschaffen.

Genau dieses Verfahren haben die Freien Demokraten stark kritisiert und jetzt rechtlich bewerten lassen: „Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass nicht nur die Gesetze von CDU und Grünen verfassungswidrig sind. Auch das parlamen­tarische Verfahren im Vorfeld ist verfassungswidrig. Was wir gesehen haben, gefährdet die Demokratie. Je größer und weitreichender die Beschlüsse sind, desto unvermittelter und formfreier werden Entscheidungen getroffen. Abgeordnetenrechte wurden massiv verletzt“, kritisierte Henning Höne, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion NRW, bei einem heutigen Pressegespräch. Gemeinsam mit SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty sowie den Verfahrensbevollmächtigen Universitätsprofessor Dr. Hinnerk Wißmann und Professor Dr. Martin Beckmann erläuterte Höne die Hintergründe und Bestandteile des Verfahrens.

Abgeordnete überrumpelt

Das Vorgehen von CDU und Grünen bei den NRW-Notlagenbeschlüssen hat dazu geführt, dass in geradezu überfallartiger Weise Entscheidungen getroffen wurden. Dabei sind die Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger besonders gravierend. „Wir haben dies in den Corona-Verfahren gesehen, als Parlamente die Prozesse zwischenzeitlich kaum noch kontrollieren konnten, z. B. bei den Corona-Verordnungen. Gerade die Freien Demokraten haben auf Landes- und Bundesebene die Kontrollrechte des Parlaments zurück­erkämpft. Für uns ist klar, wir müssen zurück zu geordneten Verfahren. Parlamentarische Ausnahmen dürfen nicht missbraucht werden“, so Höne. „Es geht um die Tiefen-Grammatik des Verfassungsstaats“, ergänzte Wißmann.

Schwarz-Grün hat ein insgesamt chaotisches Verfahren aufgesetzt und auch die Abgeordneten überrumpelt. Eine außergewöhnliche Notsituation festzustellen ist komplex. Und die verfassungs­rechtliche Bedeutung für die Einhaltung der Schuldenbremse ist offensichtlich. Das parlamentarische Verfahren muss dem Rechnung tragen. Abgeordnete müssen in der Lage sein, die für eine außergewöhnliche Notsituation vorgetragenen Gründe zumindest nachzuvollziehen. Das geht nicht im Stunden- oder gar Minutentakt. Doch diesen haben CDU und Grüne den Abgeordneten aufgezwungen, durch die Veränderung der Tagesordnung und die Beschlussfassung sowohl am 07.12. als auch am 20.12.2022.

Die Abgeordneten konnten den ersten Antrag durch den Sonderversand am Vorabend des Plenums um 16:34 Uhr zur Kenntnis nehmen. Eine ernsthafte Befassung unter Einbeziehung von Experten war kaum möglich. Den Antrag zur Feststellung der zweiten außergewöhnlichen Notsituation erhielten die Abgeordneten erst um 10:34 Uhr, das heißt 26 Minuten vor Beginn der Landtagssitzung.

„Lassen wir nicht durchgehen“

Höne weiter: „Es bestand keine Gelegenheit, sich vor Sitzungsbeginn noch näher mit dem Antrag zu befassen. Abgeordnete müssen die Möglichkeit haben, die zur Rechtfertigung einer solchen Notlage angeführten Informationen, Gutachten etc. entweder aus öffentlichen Quellen oder aus dafür zur Verfügung gestellten Informationen bewerten zu können. Schwarz-Grün hat dies bewusst missachtet, um über Parlamentsmehrheiten Fakten zu schaffen. Das lassen wir so nicht durchgehen“, so Höne.

Die Abgeordneten von FDP und SPD wurden in ihren verfassungsgemäßen Beteiligungs­rechten auf ein ordnungs­gemäßes Gesetzgebungsverfahren verletzt. Gemeinsam mit den SPD-Abgeordneten haben die Freien Demokraten Klage gegen den Landtag Nordrhein-Westfalen beim Verfassungsgerichtshof eingereicht.

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