„Das Beste liegt noch vor uns!“ - Prof. Lars Feld und Henning Höne

Doppelinterview mit Professor Dr. Dr. h. c. Lars Feld, Direktor des Walter Eucken Instituts, und Henning Höne, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion NRW

Doppelinterview mit Professor Dr. Dr. h. c. Lars Feld, Direktor des Walter Eucken Instituts, und Henning Höne, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion NRW

Henning Höne und Professor Dr. Dr. h. c. Lars Feld (v.l.)

Interview: Tobias Havers

Bei “The Pioneer” las ich letztens, wer heute noch an die Marktwirtschaft glaube, „wirkt auf die Mehrheitsgesellschaft wie ein Querdenker ohne Aluhut“. Was sagen Sie dazu?

Feld: Ganz so schlimm empfinde ich das nicht. Mir ist schon bewusst, dass es für die Liberalen in der jetzigen Regierungskonstellation mit SPD und Grünen auf Bundesebene nicht ganz einfach ist. Auf der anderen Seite stehen zwei Koalitionspartner, die einen starken Schwerpunkt auf Arbeitsmarkt, Soziales und Klimaschutz legen. Für die Liberalen ist es wichtig, klarzumachen, dass es bei der sozialen Marktwirtschaft auf das Hauptwort ankommt: die Marktwirtschaft. Während eines langen Aufschwungs ist es zudem ungeheuer schwierig, liberale Reformen durchzusetzen. In Krisenzeiten, wie wir sie aktuell haben, ist es daher wichtig, dass die Liberalen in der Bundesregierung sind und die Möglichkeiten für Reformen nutzen. Damit können sie liberale Inhalte in der Wirtschafts- und Finanzpolitik in den Vordergrund rücken.

Stichwort „liberale Stimme“, die Rolle der FDP-Landtagsfraktion hat sich mit der NRW-Landtagswahl im Mai geändert. Wie haben Sie die ersten Monate in Opposition erlebt?

Höne: Der Wechsel auf die harten Bänke der Opposition fällt niemandem richtig leicht. Wir haben die Rolle angenommen. Für eine einfachere Grundsteuer haben wir schnell einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Denn wir haben uns von Anfang an gesagt: Es braucht eine aktive, kritische und vor allem konstruktive Opposition. Aktuell mischt sich ein Cocktail zusammen, der für NRW äußerst unbekömmlich werden kann: langsame Genehmigungen, ein relativ hohes Lohnniveau und eine Infrastruktur, die in die Jahre gekommen ist. Zu diesem Cocktail kommt jetzt noch die giftige Zutat der hohen Energiepreise hinzu. Während viele Menschen seit der Corona-Pandemie noch mehr nach dem Staat rufen, machen wir ein anderes Angebot: Jetzt ist die Zeit, klug zu überlegen, an welchen Stellen der Staat sich zurückziehen muss. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Wir haben uns ganz klar als Ziel gesetzt: Wir machen hier 100 Prozent FDP pur, mit allen Ecken und Kanten.

Prof. Feld, Sie stehen für das marktwirtschaftliche Ordnungsdenken in Deutschland und gelten als Erfinder der Schuldenbremse. Es braucht sicher besonders in Krisenzeiten eine Disziplin des Staates bei den Finanzen?

Feld: Nach den unmittelbaren Krisenfinanzierungen in den Jahren 2020 bis 2022 muss der Staat wieder zu finanzpolitischer Disziplin zurückkehren. Nur so können wir die Schulden über die Zeit reduzieren. Das hält uns für die nächsten Krisen handlungsfähig. Ich kann nur davor warnen, das Thema solide Staatsfinanzen zu weit von sich zu weisen – nach dem Motto: Der Staat kann gar nicht pleitegehen. Wir haben in Griechenland gesehen, dass eine solche Staatspleite möglich ist. Deutschland ist weit davon entfernt. Höhere Zinsen sorgen aber auch bei uns für deutlich höhere Kosten. Wir sehen das jetzt gerade: Im Jahr 2021 hat der Bund noch vier Milliarden Euro Zinsen gezahlt, im nächsten Jahr sind es knapp 40 Milliarden Euro.

Herr Höne, wie bewerten Sie den Umgang der NRW-Landesregierung mit Steuergeld und die aktuelle Disziplin beim Landeshaushalt?

Höne: Haushaltsdisziplin gibt es in der Koalition von CDU und Grünen in NRW nicht. Die selbsternannte „Zukunftskoalition“ wollte erst Geld einfach in den Haushalt umbuchen, das ausschließlich für die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie vorgesehen war. Unsere verfassungsrechtlichen Zweifel wurden unter anderem vom Landesrechnungshof geteilt. Es folgte eine Kehrtwende um 180 Grad. Tarnen, Tricksen und Täuschen statt einer kritischen Überprüfung des Haushaltes in einer Ausnahmesituation – so kommen wir nicht durch die Krise. Wir stehen für einen Staat, der rechnen kann. Und dazu gehören die Regeln der Schuldenbremse.

Wie kann unser Staat leistungsfähiger und die Verwaltung effizienter werden?

Feld: Meines Erachtens ist es ganz wesentlich, dass die Verwaltungen in Deutschland schnellstmöglich auf Digitalisierung ausgerichtet werden. Das heißt: Wir brauchen eine große Verwaltungsreform. Das ist keine Föderalismusreform und kaum Sache des Bundes. Es kommt hier auf die Länder und Gemeinden an. Die Länder sollten sich koordinieren. Ihre Systeme müssen Schnittstellen nach außen haben, oder sie setzen gleich auf einheitliche Systeme. Zudem müssen wir Genehmigungsverfahren für öffentliche oder private Investitionen dringend beschleunigen.

Stimmen Sie zu, Herr Höne, dass wir jetzt den Turbo zünden müssen?

Höne: Ja, ausdrücklich. Und ich wünsche mir in der Digitalisierung und anderen großen Themen mehr Mut zu großen Fragen. Wir haben in vielen Bereichen im Moment zu sehr die Schere im Kopf. Wie ist denn der Stand heute? Ob bei der Kfz-Zulassung oder beim Informationsfluss zwischen Gesundheitsämtern zum Pandemiemanagement, es wird nicht digital genug gedacht. Eine PDF-Datei auf der Homepage eines Amtes anzubieten, ist nicht genug. Diese Minimalhaltung geht an den Bedürfnissen der Menschen vorbei. Und es sollte doch ausreichen, das Formular für die Kita-Anmeldung des Kindes einmal auszufüllen. Die Bürgerinnen und Bürger fragen sich zu Recht: Stadt und Finanzamt, ihr müsstet euch doch untereinander kennen. Geht das nicht automatisiert? Wir müssen also neu denken. Denn so, wie es ist, nehmen wir es nicht mehr hin.

Richten wir den Blick in die Zukunft. Wie geht es weiter?

Feld: Ich denke, dass gerade für NRW der Strukturwandel zur Klimaneutralität wichtig ist. Natürlich kenne ich die Tendenzen, überall jetzt Altindustrien mit Subventionen zu stützen. Der Stahlindustrie soll der Übergang zum Betrieb mit Wasserstoff vermeintlich erleichtert werden. Ich hoffe sehr, dass alle Bundesländer und auch der Bund die Gefahren einer solch umfassenden Subventionitis sehen. Das wird am Ende vor allem den betroffenen Unternehmen Vorteile bringen. Das Ziel der Klimaneutralität wird damit kaum erreicht werden. Es muss vielmehr darum gehen, Härten abzufedern. Ich glaube, dass eine kritische, liberale Stimme in den Ländern dafür sorgt, dass die Dämme nicht schon wieder brechen.

Höne: Ihre Argumente teile ich, Herr Professor Feld. Ich warne vor dem Glauben, dass Politik alles steuern kann, und es dann anders wäre als bei den Kohlesubventionen. Da man niemals alle Technologien gleichermaßen subventionieren und fördern kann, folgt immer eine Festlegung. Und diese Art der Politik fördert Abhängigkeiten, die es in vielen anderen Ländern nicht gibt. Es gibt zahlreiche Beispiele, wo uns andere Länder überholt haben, beispielweise bei Photovoltaik-Modulen. Da waren wir mal führend. Und heute werden sie hier kaum noch produziert. Wir setzen uns hier in NRW weiter mit aller Kraft für Technologieoffenheit und möglichst geringe Abhängigkeiten ein. Das Beste liegt noch vor uns. Das gilt vor allem für neue Ideen und Technologien.

Wir bedanken uns für das Gespräch und freuen uns auf ein Wiedersehen bei unserer Jahresauftaktveranstaltung im Landtag NRW am 4. Februar 2023!