Flächendeckendes Abwasser-Monitoring auf SARS-CoV-2 ausbauen – wenn der Bund seine Förderung ausweitet, muss auch das Land weitere Standorte fördern

I. Ausgangslage

Untersuchungen des Abwassers ermöglichen den Nachweis von SARS-CoV-2 unabhängig von Testungen einzelner Personen und damit auch unabhängig von unterschiedlichen Testfrequenzen zum Beispiel über Feiertage, da infizierte Personen das SARS-CoV-2 u. a. auch über den Stuhl ausscheiden. Bei diesen Abwasseruntersuchungen handelt es sich im Prinzip um ein Pool-Verfahren, mit dem die Ausscheidungen vieler Personen aus einem Einzugsgebiet gleichzeitig untersucht werden. Ein Abwasser-Monitoring in Bezug auf SARS-CoV-2 kann daher neben anderen Instrumenten ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung des Infektionsgeschehens darstellen. Es kann insbesondere als Frühwarnsystem bzw. Entwarnungssystem für Veränderungen der Infektionsdynamik, lokale Ausbrüche oder das Auftreten neuer Varianten dienen. Entsprechende Entwicklungen lassen sich im Abwasser bereits bis zu zehn Tage früher feststellen als über die Meldung von Testergebnissen. So empfiehlt der Corona-ExpertInnenrat der Bundesregierung in seiner elften Stellungnahme vom 8. Juni 2022: „Identifikation von lokalen Ausbrüchen oder erhöhtem Infektionsgeschehen durch die Etablierung des Abwassermonitorings in Bezug auf SARS-CoV-2. Öffentliche Darstellung der Daten mit Etablierung eines Vorhersagesystems unter Einbindung von Inzidenzen und Krankheitsschwere.“

Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat sich bereits in der letzten Legislaturperiode dafür ausgesprochen, neues Wissen und Innovationen zur Bekämpfung der Pandemie zu fördern und gewonnene Erkenntnisse zu nutzen. So wird in dem am 17. Februar 2022 beschlossenen Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP zu den Pandemischen Leitlinien gemäß § 3 Absatz 2 Satz 1 Infektionsschutz- und Befugnisgesetz (Beschlussdrucksache 17/16586) aufgeführt: „Die Pandemie darf hierzulande nicht länger eine Krise von fehlenden Daten darstellen. Wir müssen dazu kommen, vorhandenes Datenmaterial stärker zusammenzuführen und systematisch auszuwerten. So sind wir für zukünftige Herausforderungen besser gewappnet.“ In dem am 16. Dezember 2021 beschlossenen Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP zu den Pandemischen Leitlinien (Beschlussdrucksache 17/16068) wird zudem aufgeführt: „Aus Sicht des Landtags ist es essenziell, dass die Anstrengungen zur Aufklärung des Infektionsdunkelfelds intensiviert werden.“ Im Sinne dieser Beschlüsse des Landtags könnte ein Ausbau des Abwasser-Monitorings als innovatives Instrument dazu beitragen, Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen zu gewinnen

Die EU-Kommission hat die Mitgliedstaaten in ihrer Empfehlung 2021/472 vom 17. März 2021 aufgefordert, im Umgang mit der Corona-Pandemie die Abwasserüberwachung auf SARSCoV-2 und insbesondere seine Varianten systematischer zu nutzen und die Ergebnisse in ihre nationalen Teststrategien zur Eindämmung der Pandemie einzubeziehen. Bereits seit Mitte 2021 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Projekte zum Abwasser-Monitoring auf Sars-CoV-2 unter anderem in der Kläranlage Aachen-Soers, in Eschweiler, Bottrop, in der Kläranlage Duisburg Alte Emschergenossenschaft sowie an der Kläranlage Emschermündung. Zur Umsetzung der Empfehlung der EU-Kommission wurden zwischen Februar und April 2022 im Rahmen des Projekts „Systematische Überwachung von SARS-CoV-2 im Abwasser“ mit Hilfe von EU-Fördermitteln in Höhe von rund 3,7 Millionen Euro 20 Pilotstandorte in ausgewählten Kommunen eingerichtet. Die Federführung des Projekts haben das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) übernommen. Anhand des Pilotbetriebes soll zunächst die praktische Umsetzung des Abwasser-Monitorings erprobt werden. Von den 20 Pilotstandorten liegen Bonn, Köln und Dinslaken in Nordrhein-Westfalen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat darüber hinaus seit April 2022 mit Borken, Düsseldorf, Gütersloh und Waldbröl weitere Standorte gefördert.

Auf Bundesebene wird aktuell eine Ausweitung des Abwasser-Monitorings geplant. Ein Konzept soll voraussichtlich im September 2022 vorgelegt werden. Im Gespräch ist derzeit die Förderung von rund 150 Standorten bundesweit. Grundsätzliches Ziel sollte aber eine möglichst flächendeckende Einführung mit der Einbeziehung aller größeren Klärwerke sein. Das Land sollte daher nicht nur die von der Bundesregierung geplante Ausweitung z. B. durch die Unterstützung von Kommunen bei der Antragstellung begleiten, sondern auch die ergänzende Landesförderung ausweiten, um möglichst alle größeren Kläranlagen im Hinblick auf ein flächendeckendes Monitoring einzubeziehen. In den Eckpunkten der Landesregierung zum Umgang mit der Coronapandemie in der zweiten Jahreshälfte 2022 vom 1. August 2022 findet sich jedoch leider nur ein Prüfauftrag zur Bedeutung des Abwasser-Monitorings. Diese aktuelle Position der Landesregierung steht auch im Widerspruch zur Position der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der letzten Legislaturperiode, die in dem Antrag „Einführung eines landesweiten Abwasser-Monitorings als Frühwarnsystem gegen ein erneutes Ausbrechen der Pandemie“ (Drucksache 17/14255) eine flächendeckende Einführung gefordert hatten.

II. Beschlussfassung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  • die von der Bundesregierung geplante Ausweitung des Abwasser-Monitorings zu begleiten und in Nordrhein-Westfalen umzusetzen sowie
  • ergänzend dazu mit Hilfe zusätzlicher Landesförderung möglichst alle größeren Kläranlagen im Hinblick auf ein flächendeckendes Monitoring einzubeziehen.

Henning Höne
Marcel Hafke
Angela Freimuth
Yvonne Gebauer

und Fraktion