Andauernde Belastungen für Steuerpflichtige durch die neue Grundsteuererhebung – Welchen Aufwand betreibt die Landesregierung für die Beratung, Unterstützung und Hilfe unzähliger verzweifelter Steuerzahler?
Die Verärgerung breiter Teile der Bevölkerung über die neue Grundsteuerbürokratie hält unvermindert an. Sogar viele Fachleute verzweifeln an der neuen Grundsteuererklärung, die allgemein verpflichtend über das ELSTER-Onlineportal der Finanzverwaltung zu erfolgen hat. Bereits der erzwungene digitale Übermittlungsweg für die Daten stellt für Betroffene ein großes Ärgernis dar, da Wohneigentümer deutlich älter als der Bevölkerungsdurchschnitt sind. Aber auch für digital affine Zielgruppen sind die Defizite und Unzulänglichkeiten des ELSTEROnlineverfahrens eine Zumutung.
Die Selbsttests in der Verzweiflung, die derzeit viele Betroffene im Internet zeigen, sprechen eine eindeutige Sprache. Spätestens seit dem Zusammenbruch des Onlineportals ELSTER und dessen zwischenzeitlicher Abschaltung durch Überlastung ist der Unmut über das völlig unzureichende Unterstützungsangebot groß.
Die Finanzverwaltung hat auf das Erhebungschaos bei der neuen Grundsteuer inzwischen reagiert. Da die von Steuerzahlern geforderten Dateneingaben ansonsten gar nicht leistbar sind, hat sie die Kapazitäten der Grundsteuerhotlines bei den Finanzverwaltungen deutlich aufgestockt, Personal intern in die Grundsteuerstellen abgeordnet und zusätzliche externe Arbeitskräfte eingestellt. Außerdem werden Erklärvideos im Internet angeboten, da amtliche Formulare nicht selbsterklärend sind.
Mittlerweile haben sich private Fintechs als externe Drittanbieter im Markt etabliert – wie beispielsweise das Portal „www.smartgrundsteuer.de“. Was auf den ersten Blick wie ein kreativer Wettbewerb um die beste Nutzererfahrung aussieht, ist vor dem Hintergrund der durch diese Fintechs und Drittanbieter jeweils verarbeiteten sensiblen Steuerdaten der Bürger alles andere als unkritisch zu betrachten. Um diese Dienstleistungen nutzen zu können und den Drittanbieter die direkte Kommunikation mit den offiziellen Schnittstellen der Finanzverwaltung zu ermöglichen, müssen Nutzer grundsätzlich in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten und insbesondere ihrer persönlichen Steuerdaten einwilligen.
Ein Grund für die aktuelle Arbeitsbelastung der Steuerpflichtigen ist das wertbasierte Scholz-Modell für die Grundsteuer. Dies wird automatisch in Nordrhein-Westfalen zur Anwendung kommen, wenn der Landtag nicht in diesem Herbst ein einfacheres Modell beschließt. Für das Scholz-Modell sind Daten notwendig, die für ein flächenbasiertes Modell unerheblich sind.
Die FDP-Landtagsfraktion hat dafür bereits unmittelbar zu Beginn dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf im Parlament vorgelegt (LT-DS 18/49), der weitgehend dem Modell des Bundeslandes Hessen entspricht (Flächen-Faktor-Ansatz).
Für die FDP-Landtagsfraktion ist das Thema Grundsteuerreform seit langer Zeit von großem Interesse, da diese gleichermaßen selbstnutzende Wohneigentümer, Vermieter und Mieter sowie Betriebe, Vereine und andere Organisationen betrifft. Anders als beim Kauf von reinen Konsumgütern ist Wohnen ein Existenzbedürfnis, und es besteht regulär keine Möglichkeit zur Grundsteuervermeidung.
In der Sachverständigenanhörung des Haushalts- und Finanzausschusses haben Experten am 25. August 2022 bei der Sitzung ebenso wie im Vorfeld mit schriftlichen Stellungnahmen des Verbandes Haus & Grund, vom Bund der Steuerzahler und der Immobilienwirtschaft im Zentralen Immobilienausschuss (ZIA) ihre umfangreiche Kritik am Scholz-Modell artikuliert und einen Systemwechsel hin zu einem flächenbasierten Modell gefordert.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Genau wie viele Anfragen sind bei der Hotline der Finanzverwaltung, bitte jeweils täglich ab dem 22. Juli 2022 bis heute, zu Sachverhalten der Grundsteuer eingegangen? (bitte identische Fortschreibung der Übersicht aus LT-DS 18/599)
- Wie verteilt sich die Gesamtzahl der Anrufe bei der Hotline zu Grundsteuerfragen im Zeitraum vom 1. Juni 2022 bis heute hinsichtlich ihrer örtlichen Herkunft auf die einzelnen für die Grundsteuerfeststellung zuständigen Finanzämter? (aggregierte Anruferanzahl pro Finanzamt ausreichend, tagesaktuelle Auswertung nicht nötig)
- Welche Kosten sind seit dem 1. Januar 2022 jeweils für die einzelnen Hilfsangebote der Finanzverwaltung im Kontext der Grundsteuerfeststellung, beispielsweise für den Druck und Versand der Informationsschreiben, die Produktion der Erklärvideos, die zusätzlichen Hotlinekapazitäten etc. angefallen? (vollständige Darstellung sämtlicher Aufwendungen im Kontext der Grundsteuerkommunikation erbeten)
- Wie sieht bis zum heutigen Tag die Einreichungsquote der Grundsteuererklärungen landesweit sowie jeweils aufgeschlüsselt nach den jeweiligen Finanzämtern sowie ihrer Form der Einreichung (Daten durch Papierformulare vs. Portaleingabe) aus?
- Wie bewertet der Finanzminister im Detail den bei Steuerpflichtigen wachsenden Bedarf des Rückgriffs auf die sich zunehmend ausbreitenden Fintech-Angebote zur Grundsteuereingabe insbesondere hinsichtlich Systemqualität des ELSTER-Portals und den mit der Dateneingabe bei Externen verbundenen datenschutzrechtlichen Folgen?
Ralf Witzel