Anpassung der Anforderungen im Einstellungsprozess für den juristischen Staatsdienst entsprechend der aktuellen Entwicklung des Arbeitsmarktes

Ein Rechtssystem basiert nicht nur auf den Gesetzen und Verordnungen, sondern vor allem auf den qualifizierten Anwenderinnen und Anwendern. So werden für die Berufe eines Richters oder Staatsanwalts in der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen ausschließlich besonders gut ausgebildete und fachkundige Bewerberinnen und Bewerber gesucht und eingestellt. Aber auch in der Justiz macht sich der anhaltende Fachkräftemangel des Arbeitsmarktes bemerkbar. Nachwuchsjuristen haben zudem zunehmend Interesse an Anstellungen in der Privatwirtschaft, da diese in der Regel besser bezahlt sind. Nicht zuletzt wird sich die Lage noch verschlimmern, wenn ein Großteil der Richterinnen und Richter in den kommenden zehn Jahren in Rente geht, zumal aktuell bereits über 230 Planstellen des richterlichen Dienstes unbesetzt sind.2

Mit Blick auf den Personalbedarf hat das Land Hessen die Einstellungskriterien für Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte angepasst. Künftig benötigen die Bewerberinnen und Bewerber 15 Punkte addiert in beiden Staatsexamen, bislang waren es 16 Punkte. Damit soll auf ein höheres Bewerberfeld zurückgegriffen werden können, was wiederum dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken vermag.

In Nordrhein-Westfalen sind die Anforderungen andere als in Hessen. Nach den landeseinheitlichen Einstellungsvoraussetzungen sollen grundsätzlich nur solche Bewerberinnen und Bewerber zu einem Einstellungsverfahren geladen werden, welche die zweite juristische Staatsprüfung mit mindestens 9,0 Punkten (vollbefriedigend) abgeschlossen haben. Daneben können auch solche Bewerberinnen und Bewerber geladen werden, die in der zweiten juristischen Staatsprüfung weniger als 9,0 Punkte, aber mehr als 7,75 Punkte erreicht haben und sich darüber hinaus durch besondere Eigenschaften auszeichnen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Plant die Landesregierung in Anbetracht des Personalmangels in der Justiz eine Änderung der Einstellungsvoraussetzungen bzw. setzt sie sich für eine Änderung der Einstellungsvoraussetzungen ein?
  2. Wenn ja, welche Notengrenze soll zukünftig Voraussetzung für die Einstellung von Richterinnen und Richtern sein und warum?
  3. Welche Vor- und Nachteile könnte die Addition beider Examensnoten zu einer Gesamtpunktzahl und die Auswahl der Richterschaft durch ebendiese Gesamtpunktzahl (wie beispielsweise in Hessen) mit sich bringen?
  4. Sind andere konkrete Maßnahmen seitens der Landesregierung geplant, um die Anstellung in der Justiz des Landes NRW attraktiver zu gestalten (z.B. sog. Assessorbrücke oder Umgestaltung der Proberichterzeit)?
  5. Wie viele nordrhein-westfälische Richterinnen und Richter werden in den kommenden zehn Jahren bei planmäßigem Ausscheiden in Pension bzw. Rente gehen?

Dr. Werner Pfeil