Aschaffenburg steht in einer Reihe mit den Fällen des Behördenversagens in Nordrhein-Westfalen und erzwingt eine neue Realpolitik in der Migration
Am 22.01.2025 soll ein 28-jähriger Afghane im bayerischen Aschaffenburg zwei Menschen mit einem Messer getötet und weitere verletzt haben. Aus noch unbekannter Motivlage soll der Tatverdächtige eine Kindergartengruppe angegriffen haben. Bei den Verstorbenen handelt es sich um einen zweijährigen Jungen marokkanischer Herkunft und einen 41-jährigen Passanten, welcher der Kindergartengruppe zur Hilfe gekommen ist. Der Tatverdächtige soll im November 2022 nach Deutschland eingereist sein, sein Asylverfahren war abgeschlossen und er war damit ausreisepflichtig. Es liegen zudem Erkenntnisse vor, dass der Tatverdächtige auch wegen mehrerer Gewalttaten polizeibekannt war und bereits in psychiatrischer Behandlung gewesen ist.
Dieser in seinen Dimensionen besonders erschütternde Vorfall steht in einer Reihe mit Fällen in Nordrhein-Westfalen aus der jüngeren Vergangenheit: Täter bzw. Tatverdächtige waren stets Asylbewerber, die sich eigentlich nicht mehr in Deutschland hätten aufhalten dürfen und bei denen die zuständigen Behörden in der jeweiligen Fallbearbeitung versagt haben.
Am 23.08.2024 stach nach derzeitiger Erkenntnis ein 26-jähriger Syrer auf dem Solinger Stadtfest wahllos auf Menschen ein. Drei Menschen starben, mehrere wurden verletzt. Der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) reklamierte die Tat für sich. Der tatverdächtige Syrer war über Bulgarien in die EU eingereist, sodass nach dem Dublin-Verfahren Bulgarien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig war. Eine für den 05.06.2023 geplante Abschiebung scheiterte daran, dass der Syrer in seiner Unterkunft nicht angetroffen werden konnte. Weitere Versuche wurden nicht unternommen, bis die Überstellungsfrist am 20.08.2023 schließlich ablief. Möglichkeiten zur Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate wurden nicht genutzt bzw. nicht geprüft. In der Folge erhielt der Syrer Ende 2023 subsidiären Schutz.
Am 10.10.2024 entfachte nach derzeitiger Erkenntnis ein 38-jähriger Iraner mehrere Feuer in der Krefelder Innenstadt und konnte nur durch den Schusswaffeneinsatz der Polizei davon abgehalten werden, in einem belebten Kino einen Brand zu legen. Der Mann, der über 27 Alias-Identitäten verfügen soll, war den Behörden bereits seit 2009 als psychisch auffälliger Gewalttäter bekannt und musste bis 2014 eine vierjährige Haftstrafe verbüßen. Nachdem der Iraner im September 2024 eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde bedroht haben soll, wurde dieser wenige Stunden vor der Tat von Polizeibeamten kontaktiert und zu einem Präventivgespräch im Rahmen des Programms „Periskop“ eingeladen. Eine Abschiebung des Iraners habe nicht erfolgen können, weil dieser über keine Ausweisdokumente verfügte und sich weigerte, eine sogenannte „Freiwilligkeitserklärung“ zu unterschreiben, die der Iran bei der Aufnahme seiner Staatsbürger fordert.
Am 23.11.2024 soll ein 35-jähriger Mann, der mutmaßlich aus Algerien stammt, in der Unterbringungseinrichtung in Schleiden-Vogelsang einen Brand gelegt haben, bei dem 16 Menschen Rauchvergiftungen erlitten. Der tatverdächtige Nordafrikaner wurde im Dezember 2015 erstmals in Deutschland registriert, stellte jedoch erst im Januar 2024 in Nordrhein-Westfalen einen Asylantrag. Dieser wurde abgelehnt, weil der mutmaßliche Algerier beim Asylverfahren nicht mitwirkte. Damit war er seit Juli 2024 ausreisepflichtig. Bekannt ist, dass der 35-Jährige wegen mehrerer Straftaten polizeilich aktenkundig wurde und nach Suizidversuchen im April und November 2024 psychiatrisch behandelt worden war. Am 27.08.2024 wurde ihm von Mitarbeitern der Zentralen Ausländerbehörde ein Gespräch zu seiner Ausreise angeboten, was dieser ablehnte. Danach wurde eine sogenannte „Passersatzbeschaffungsmaßnahme“ für die Staaten Algerien, Tunesien und Marokko eingeleitet, bislang blieb diese jedoch erfolglos.
All diesen Vorfällen sind erhebliche Defizite bei der behördlichen Durchsetzung des Asylrechts und von Ausreisepflichten gemein. Zudem lassen vorherige Straftaten und bekannte psychische Auffälligkeiten Defizite bei der Risikobewertung annehmen. Es ist der Bevölkerung nicht mehr vermittelbar, warum bestehendes Recht nicht umgesetzt werden kann, warum bürokratische Verfahren kein Ziel finden und warum bereits vorher auffällige Personen erhebliche Straftaten verüben können. Wir erleben nicht nur ein „dysfunktionales System“, wie die zuständige Ministerin Josefine Paul achselzuckend feststellt, sondern ein veritables Staatsversagen.
Vor diesem Hintergrund müssen umgehend sachliche, personelle und organisatorische Maßnahmen zur Beschleunigung und Verbesserung der Asylverfahren erfolgen. Die schwarz-grüne Landesregierung hat mit ihrem Sicherheitspaket viel versprochen, aber bislang wenig umgesetzt. Zum Stichtag 31.10.2024 waren in Nordrhein-Westfalen 52.239 Personen ausreisepflichtig. Dies entspricht einem NRW-Anteil von 23,7 Prozent, der damit über dem NRW-Anteil an der Gesamtbevölkerung von 21,5 Prozent liegt. Von diesen Ausreisepflichtigen waren 8.654 Personen, die nicht im Besitz einer Duldung waren, vollziehbar ausreisepflichtig.
Umfangreiche Vorschläge der Opposition u. a. zur Bündelung von Kompetenzen bei Rückführungen, zur Beschleunigung von Asylgerichtsverfahren und zur Prävention sind von der Regierungsmehrheit bisher immer abgelehnt worden. So wurde erst am 22.01.2025 im Integrationsausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen ein Antrag der FDP-Fraktion zur Prävention gegen Messergewalt bereits in Flüchtlingsunterkünften (Drucksache 18/9719) mit den Stimmen der Regierungsfraktionen abgelehnt. Im mitberatenden Innenausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen wurde zudem am 23.01.2025 ein Antrag der FDP-Fraktion zur Neuordnung der Zuständigkeiten für Rückführungen und Schaffung von Rückführungszentren (Drucksache 18/10532) ebenfalls von der schwarz-grünen Regierungsmehrheit abgelehnt. Es bedarf einer umgehenden Debatte über Mittel und Richtung der Asylpolitik in Nordrhein- Westfalen.
Auch Innenminister Herbert Reul hat sich zur Gewalttat in Aschaffenburg geäußert. Er sagte im WDR2 Morgenmagazin: „Wir haben in der Vergangenheit viel zu oft darüber geredet, was alles nicht geht. Wir müssen aber darüber reden, was geht und wie weit wir gehen können.“ Ministerpräsident Hendrik Wüst hat ausgeführt, dass es Aufgabe des Bundes sei, für mehr Rückführungen zu sorgen.Tatsächlich aber auf Landesebene bestehende Kompetenzen zur Verbesserung der Rückführung werden von der Landesregierung nicht genutzt, entsprechende Anträge der FDP-Fraktion, wie etwa zur Neuordnung der Zuständigkeiten für Rückführungen und Schaffung von Rückführungszentren (Drucksache 18/10532) wurden von der Regierungsmehrheit abgelehnt. Hier zeigt sich einmal mehr, dass Wüst gerade nicht in der Lage ist, selbst schnelle Konsequenzen zu ziehen, sondern lieber mit den Fingern auf andere zeigt. Dabei gibt es auch in Nordrhein-Westfalen viel und zügig zu tun.