Augen auf beim Heizungstausch – Ein emissionsfreier Wärmemarkt kann nur mit, nicht gegen die Hauseigentümer umgesetzt werden
I. Ausgangslage
Mehr als 70 Prozent der Wohngebäude in Nordrhein-Westfalen werden derzeit mit Erdgas und Öl beheizt. Fernwärme kommt auf einen Anteil von 6,6 Prozent. Elektrowärmepumpen machen 3,4 Prozent aus. Diese Zahlen zeigen eindrucksvoll, wie abhängig auch Nordrhein-Westfalen derzeit von Gas- und Öllieferungen aus dem Ausland ist. Der Abbruch der Gaslieferungen aus Russland hat zu einem sprunghaften Anstieg der Gas- und Ölpreise in Deutschland geführt. Es ist daher inzwischen politischer Konsens, unsere Abhängigkeit von Gas und Öl zu reduzieren. Eine Abkehr von Heizungen auf Basis fossiler Energieträger ist auch zur Einhaltung des Ziels, bis 2045 klimaneutral zu werden, erforderlich.
Über zwei Drittel der neu gebauten Wohnungen in Deutschland und Nordrhein-Westfalen werden ganz oder teilweise mit erneuerbaren Energien beheizt (70,7 Prozent). In der Erwartung zunehmender Stromversorgung aus erneuerbaren Energie kommen in mehr als der Hälfte der neuen Wohngebäude Wärmepumpen als primäre Heizenergiequelle zum Einsatz. Da Neubauten hohe energetische Standards einhalten müssen, sind Wärmepumpen hier auch besonders effizient. Hauseigentümer und Bauträger entscheiden sich deshalb bei neuen Gebäuden bereits heute ganz ohne staatliche Verbote für klimafreundliche Heizungen.
Für Bestandsgebäude ist der Wechsel der Heiztechnik in der Regel deutlich schwieriger. Damit eine Wärmepumpe ihre volle Effizienz ausspielen kann, muss ein Gebäude über eine Fußbodenheizung verfügen und umfassend energetisch saniert und gedämmt sein. Diese Voraussetzungen treffen aber auf große Teile des Gebäudebestands in Deutschland nicht zu. Eine umfassende Sanierung inklusive Dämmung von Fassade, Dach und Keller und dem Einbau einer Wärmepumpe sowie einer Fußbodenheizung ist teuer und aufwändig. Trotz staatlicher Zuschüsse werden viele Eigentümer von Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen die Kosten dafür nicht tragen können. Für den ohnehin in vielen Städten angespannten Mietwohnungsmarkt wäre es zudem sozialer Sprengstoff, wenn Mieten zur Finanzierung von teuren Sanierungen deutlich erhöht und Mieter in größerem Umgang aus ihren Wohnungen ausziehen müssten, damit umfangreiche Sanierungen (wie z.B. dem Einbau einer Fußbodenheizung) überhaupt möglich werden.
Damit die energetische Modernisierung auch für Bestandsgebäude zum Erfolg werden kann, benötigen wir unterschiedliche technische Lösungen. Die CO2-Emissionen von Brennstoffen wie Gas, Heizöl und Benzin sind bereits im Rahmen des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEGH) mit einem nationalen CO2-Preis erfasst. Die nationale CO2-Bepreisung in diesem Bereich ist an den europäischen Emissionshandel geknüpft. Dies bedeutet, dass die maximale Menge an CO2, die Bürger und Unternehmen ausstoßen dürfen, europaweit gedeckelt ist. Der Ausstoß von jeder Einheit CO2 wird mit einem Preis belegt. Der Betrieb von Heizungen mit CO2-Ausstoß wird dadurch teurer und der Betrieb von Heizungen ohne bzw. mit einem geringerem CO2-Ausstoß relativ billiger. Jeder Hauseigentümer kann entscheiden, ob es günstiger ist, in eine Sanierungsmaßnahme oder eine neue Heizung zu investieren oder eine bestehende Heizung weiter zu nutzen und den Aufpreis für den CO2-Ausstoß in Kauf zu nehmen.
Unternehmen haben daher einen Anreiz, unterschiedliche technische Lösungen zur Einsparung von CO2 für unterschiedliche Arten von Gebäuden zu entwickeln. Ein solcher Wettbewerb als Entdeckungsverfahren bietet somit die besten Voraussetzungen für weitere technische Innovationen. Tendenziell wird durch den CO2-Emissionshandel somit dort CO2 eingespart, wo dies am günstigsten möglich ist. Gesetzliche Festlegungen oder Verbote von bestimmten Technologien sind nicht erforderlich, da die maximale Menge an CO2 gedeckelt ist. Vielmehr sind solche gesetzlichen Festlegungen sogar kontraproduktiv, denn dadurch haben Unternehmen keine Anreize mehr in unterschiedliche technische Lösungen zur kostengünstigsten Vermeidung von CO2 zu investieren.
Auf Bundesebene wird gegenwärtig eine Reform des Gebäudeenergiegesetzes diskutiert. Das von Dr. Robert Habeck geführte Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das von Klara Geywitz geführte Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWS) haben dazu einen Referentenentwurf erarbeitet. Der Entwurf sieht für Heizungen auf Basis fossiler Energieträger nach einer maximalen Betriebsdauer von zunächst 30 und später 20 Jahren ein Betriebsverbot vor. Ab 2024 sollen alle Hauseigentümer verpflichtet werden, beim Einbau einer neuen Heizung mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien einzusetzen. Der Entwurf enthält zudem enge technologische Vorgaben, welche Heiztechniken diese Vorgabe erfüllen.
Aus Sicht der FDP-Landtagsfraktion ist dieser Referentenentwurf aus mindestens vier Gründen hochproblematisch:
Erstens ist die Menge an CO2, die Bürger und Unternehmen ausstoßen dürfen, durch den Emissionshandel bereits gedeckelt. Jede durch ein Verbot von Gas- und Ölheizungen zusätzlich eingesparte Einheit CO2 darf somit an anderer Stelle mehr ausgestoßen werden. Ein derartiges Verbot, wie zurzeit vom Bund erwogen wird, trägt somit nicht zum Klimaschutz bei. Der wirksame Weg zur weiteren CO2-Einsparung besteht darin, die Anzahl der CO2-Zertifikate und folglich die maximale Gesamtmenge an CO2-Ausstoß weiter zu reduzieren.
Zweitens ist der mit dem Referentenentwurf verfolgte Ansatz, per Gesetz bestimmte technische Lösungen vorzugeben und andere zu verbieten, zum Scheitern verurteilt. Politik erscheint es viel zu oft viel zu reizvoll, Hauseigentümern durch Verbote und gesetzliche Vorgaben die Wahl zwischen verschiedenen (Heiz-)Techniken zu „erleichtern“. Doch ein solcher Ansatz verkennt, dass Bestandsgebäude unterschiedlich sind und es deshalb für unterschiedliche Gebäudetypen unterschiedlicher Heiztechnik bedarf, welche die Beheizung zu bezahlbaren Preisen und mit weniger Gas und Öl und somit weniger CO2-Ausstoß ermöglicht. Deshalb ist es wichtig, dass Unternehmen weiterhin Anreize haben in neue technische Lösungen zu investieren, statt bestimmte heute bekannte und vermeintlich empfehlenswerte technische Lösungen per Gesetz festzuschreiben.
Drittens sind die im Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen in der Praxis nicht umsetzbar. Nach Daten des Bundesverbands des Schornsteinfegerhandwerks würden nach den Vorgaben des Referentenentwurfs ab dem Jahr 2026 vier Millionen Geräte bzw. 40 Prozent aller bestehenden Ölheizkessel und 30 Prozent aller Gasheizungen mit einem Betriebsverbot belegt werden. Im Jahr 2021 wurden nach Angaben des BMWK 154.000 Wärmepumpen eingebaut. Um die Vorgaben des Referentenentwurfes erfüllen zu können, müssten ab 2024 jährlich etwa 900.000 Wärmepumpen eingebaut werden. Schon heute können bestellte Wärmepumpen aufgrund von Lieferproblemen und Fachkräftemangel nicht installiert werden. Es erscheint illusorisch, dass in so kurzer Zeit so viel mehr Wärmepumpen hergestellt, geliefert und verbaut werden können. Wohnungsunternehmen können für große Wohnhäuser zudem oft keine Wärmepumpen einbauen, weil die Netzkapazitäten dafür bislang nicht ausreichen. Angesichts der Knappheit bei den Geräten und bei den Fachkräften ist es ökonomisch widersinnig, Eigentümer zu verpflichten, funktionsfähige Öl- oder Gasheizungen nach Ablauf einer gesetzlich definierten maximalen Betriebsdauer zu verschrotten. Denn die Pflicht, funktionsfähige Heizungen zu verschrotten, wird die Nachfrage nach Wärmepumpen weiter massiv erhöhen und damit zu erheblichen Preissteigerungen für Material und Einbau führen.
Eigentümer von selbstgenutzten Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern, private Vermieter und Wohnungsunternehmen müssen angesichts der genannten Umsetzungsprobleme davon ausgehen, dass es beim Ausfall einer Heizungsanlage ab 2024 sehr schwierig und sehr teuer wird, eine dann noch den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Heizungsanlage einzubauen. Dies könnte einige Eigentümer dazu bewegen, noch im Jahr 2023 eine neue Gas- oder Ölheizung einzubauen, was sowohl im Hinblick auf den Klimaschutz als auch im Hinblick auf das Ziel, unabhängiger von Öl- und Gas-Importen zu werden, absolut kontraproduktiv wäre.
Dieser Fehlanreiz trifft besonders Vermieter, denn der Referentenentwurf sieht vor, dass eine Gasheizung ab 2024 nur dann eingebaut werden darf, wenn mindestens zu 65 Prozent nachhaltiges Biomethan, biogenes Flüssiggas oder grüner Wasserstoff verwendet wird und der Vermieter diese Kosten selbst trägt. Wenn ein Vermieter eines Gebäudes mit Gasheizung weiterhin die vollen Heizkosten auf seine Mieter umlegen können will, könnte dieser sich noch in 2023 für den Einbau einer neuen Gasheizung entscheiden.
In Wohnungseigentümergemeinschaften kann der Einbau eines neuen Heizungssystems zudem auch daran scheitern, dass sich die Eigentümer nicht einigen können. Wenn ein Wohnungseigentümer vor wenigen Jahren eine neue Gasetagenheizung eingebaut hat und bei seinem Nachbarn die über 30 Jahre alte Gasetagenheizungen kaputt geht, wird eine Einigung zwischen den Wohnungseigentümern real schwierig sein. Ersterer wird kaum bereit sein, eine vor wenigen Jahren neu eingebaute Gasetagenheizung zu verschrotten, um eine Zentralheizung (z.B. Wärmepumpe, Fernwärme) im gesamten Gebäude einzubauen. Der Nachbar hingegen kann dann gezwungen sein, eine ineffiziente und teure Stromheizung einzubauen, um seine Wohnung überhaupt noch in gesetzlich zulässiger Art und Weise beheizen zu können.
Im Referentenentwurf ist zudem vorgesehen, dass die Bezirksschornsteinfeger Heizungen mit überschrittener Betriebslaufzeit melden müssen und Hauseigentümer mit Geldstrafen oder Vermietungsverboten sanktioniert und zum Austausch der Heizung gezwungen werden sollen. Daraus erwächst die Gefahr, dass Hauseigentümer mit den Schornsteinfegern, die neben der Aufgabe durch regelmäßige Messungen die Funktionsfähigkeit von Gasheizungen zu kontrollieren und damit Gefahren für Menschen (z.B. durch Gaslecks) auszuschließen auch Aufgaben der Energie- und Heizungsberatung wahrnehmen, aufgrund einer Angst vor möglichen Sanktionen nicht mehr kooperieren und insbesondere die Beratungsangebote nicht mehr nutzen. Damit wäre eine wichtige Chance vertan.
Statt den Klimaschutz im Gebäudebereich durch Verbote und Subventionen unnötig zu erschweren und zu verteuern, schlagen wir Freien Demokraten vor, die nationale CO2-Bepreisung für Brennstoffe in den Bereichen Wärme und Verkehr in ein echtes Emissionshandelssystem zu überführen, das eine freie Preisbildung am Markt ermöglicht. Um die höheren Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher abzumildern, sollen die Einnahmen aus dem Emissionshandel in Form eines Klimageldes in gleicher Höhe an alle Bürgerinnen und Bürger zurückgezahlt werden. Davon würden insbesondere Menschen mit geringem Einkommen überproportional profitieren.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Nordrhein-Westfalen muss unabhängiger von Gas- und Öllieferungen aus dem Ausland werden.
- Durch den CO2-Emissionshandel wird ein Anreizsystem geschaffen, CO2-Ausstoß dort einzusparen, wo dies es am günstigsten möglich ist.
- Die Ergänzung des CO2-Emissionshandel durch Verbote und gesetzliche Vorgaben für bestimmte Technologien ist teuer und wirkungslos. Denn auf diese Weise erzielte CO2- Einsparungen führen innerhalb des CO2-Emissionshandels dazu, dass an anderer Stelle mehr CO2 ausgestoßen werden darf.
- Eine sinnvolle Klimaschutzpolitik setzt auf wirtschaftliche Anreize statt auf Verbote und Sanktionen. Was sich rechnet, setzt sich auf dem Markt ohne gesetzlichen Zwang durch.
- Eine gesetzliche Pflicht, funktionsfähige Heizungen zu verschrotten, gefährdet den sozialen Frieden und die Akzeptanz für Energieeinsparungen und Klimaschutz.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- sich im Dialog mit Hauseigentümerverbänden und der Wohnungswirtschaft für einen Ausbau der Beratungsangebote zur Durchführung von energetischen Gebäudesanierungsmaßnahmen und Austausch von Heizungssystem einzusetzen.
- im Dialog mit den Energienetzbetreibern die Formulare zum Anschluss einer Wärmepumpe zu vereinheitlichen, um überregional tätigen Wohnungsunternehmen den Einbau von Wärmepumpen zu erleichtern.
- in Zusammenarbeit mit den Energienetzbetreibern durch den Ausbau der Netzkapazitäten die technischen Voraussetzungen für den vermehrten Einbau von Wärmepumpen auch in größeren Mehrfamilienhäusern zu schaffen.
- in Schulen, in der Weiterbildung sowie in der Öffentlichkeitsarbeit der Landesministerin die Funktionsweise des CO2-Emissionshandels zu vermitteln und damit dazu beizutragen, dass die Klimaschutzziele mit den geringstmöglichen Kosten erreicht werden können.
- sich auf Bundesebene für eine ökonomisch sinnvolle, praktisch umsetzbare und sozialverträgliche Reform des Gebäudeenergiegesetzes einzusetzen und dabei folgende Eckpunkte zu beachten:
- Die nationale CO2-Bepreisung im Rahmen des Brennstoffemissionshandelsgesetzes ist in ein echtes Emissionshandelssystem zu überführen, das eine freie Preisbildung am Markt ermöglicht.
- Höhere Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher sollen sozialverträglich und gerecht abgemildert werden, indem die Einnahmen aus dem Emissionshandel in Form eines Klimageldes in gleicher Höhe an alle Bürgerinnen und Bürger zurückgezahlt werden, wovon vor allem Menschen mit geringem Einkommen überproportional profitieren.
- Funktionsfähige Niedertemperatur- und Brennwertheizungen dürfen nicht mit einem Betriebsverbot belegt werden.
- Schornsteinfeger dürfen nicht verpflichtet werden, Eigentümer von Häusern mit älteren Heizungen an Behörden zu melden.
- Geldstrafen sowie Nutzungs- und Vermietungsverbote für Hauseigentümer sind auszuschließen.