Bauportal.NRW – vollständig gescheitert oder noch zu retten?

I. Ausgangslage

Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung sagte in der Haushaltsdebatte
des Landtags am 7. Dezember 2022: „Wenn Sie ein Geschäft gründen, dann können Sie Ihr
Geschäft so aufbauen, dass Sie ein wunderbares Schaufenster haben und dieses Schaufenster ausdekorieren. Wenn Kunden in den Laden kommen, dann finden diese dem Grunde nach
einen leeren Laden vor. Das ist bei der Digitalisierung passiert. Sie haben ein Schaufenster
gebaut, aber in dem Laden ist nichts drin, wirklich nichts.“(Plenarprotokoll 18/16)

Dies sind erstaunlich selbstkritische Worte von einer Landesministerin, die seit fast sechs Jahren im Amt ist, als Mitglied der Landesregierung im Kabinett an den digitalpolitischen Entscheidungen seit Sommer 2017 beteiligt war und die seit sechs Jahren in eigener Verantwortung
wichtige digitalpolitische Projekte wie das Bauportal.NRW bearbeitet.

Deshalb bietet dieses Fazit der Ministerin einen Anlass, den Umsetzungsstand von zentralen
E-Government-Projekten der letzten Legislaturperiode zu analysieren und zu überlegen, welche Schlüsse daraus für die Fortentwicklung der nordrhein-westfälischen Digitalpolitik gezogen werden können und müssen.

In Verantwortung des ehemaligen Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und
Energie (MWIDE) wurde beispielsweise die Entwicklung des Wirtschafts-Service-Portal.NRW
(WSP.NRW) als zentrales E-Government-Projekt identifiziert; der damalige Minister Prof. Dr.
Pinkwart traf im Sommer 2017 dazu drei grundlegende Entscheidungen: Erstens sollte das
Portal auf Open-Source-Basis durch ein privates Unternehmen programmiert werden. Zweitens sollte das Portal allen Kommunen zur kostenlosen Nutzung angeboten werden. Drittens
sollte das Portal mit der digitalen Gewerbeanmeldung beginnen und dann im Sinne eines Baukastenprinzips schrittweise um weitere Verwaltungsleistungen erweitert werden.

Über das WSP.NRW können heute nahezu 400 Verwaltungsleistungen digital beantragt,
Rückfragen zwischen Antragssteller und bearbeitender Kommune geklärt und Bescheide zu-
gestellt werden. Seit dem Start im Jahr 2018 haben sich schrittweise alle 427 nordrhein-west-
fälischen Kommunen dafür entschieden, das Landesportal zu nutzen und zum Teil eigenentwickelte Angebote einzustellen. Auf der Internetseite des WSP.NRW wird monatlich aktualisiert informiert, wie häufig jede Verwaltungsleistung über das Landesportal beantragt wurde, z.B. insgesamt über 100.000 Gewerbeanzeigen. Beim eGovernment Wettbewerb 2021 wurde das WSP.NRW von einer Fachjury als „Bestes Projekt zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetztes“ sowie mit dem Publikumspreis 2021 ausgezeichnet.

Auch andere Ministerien hatten zentrale E-Government-Projekte identifiziert, das damalige Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung (MHKBG) beispielsweise das Bauportal.NRW. Bei diesem Vorhaben wurden ebenfalls grundlegende Entscheidungen getroffen: Erstens sollte das Portal als lizenzgeschützte Software vom Landesbetrieb IT.NRW programmiert werden. Zweitens sollte ein eigenes Portal ausschließlich für die Verwaltungsleistung Bauantrag geschaffen werden.

Im Jahr 2021 hat sich mit dem Kreis Warendorf die erste Kommune an das Bauportal.NRW
angeschlossen. Seitdem sind dem (nur) 21 weitere Kommunen gefolgt. Insgesamt nutzen
heute demnach lediglich 22 von 427 (5,15 %) der Kommunen das Bauportal.NRW, weitere 48
Kommunen befinden sich in der Vorbereitung zum Anschluss an das Landesportal. Als Grund
für die geringe Akzeptanz bei den Kommunen wird der äußerst limitierte Leistungsumfang des
Portals genannt. Eine digitale Bearbeitung von digital über das Portal eingehenden Anträgen
ist bislang nicht möglich, ebenso wenig können die örtlichen Baubehörden Rückfragen mit den
Antragstellern klären oder Bescheide digital zustellen. Eine für 2022 angekündigte und dringend notwendige Erweiterung des Portals, die sogenannte Kommunikationsplattform, liegt bis
heute nicht vor. Obwohl gerade zur Beschleunigung der Baugenehmigungsverfahren (z.B. für
mehr Wohnungsbau oder mehr energetische Sanierungsmaßnahmen) Unterstützung durch
Digitalisierung immer wieder als Wunsch geäußert wird, hat das Bauportal.NRW für die örtlichen Baubehörden gegenwärtig kaum einen Mehrwert. Zudem bleibt für die Kommunen unklar, ob und wenn ja welche Kosten für die Nutzung der Kommunikationsplattform anfallen werden. Insbesondere weil bei einer in Rede stehenden Umlage der Kosten für den Betrieb der Kommunikationsplattform auf die teilnehmenden Kommunen die Kosten maßgeblich von der Anzahl der teilnehmenden Kommunen abhängig sind und deshalb die Kosten im Vorfeld nicht seriös abgeschätzt werden können. Einige Kommunen erwägen inzwischen eigene Lösungen für die digitale Beantragung und Bearbeitung von Bauanträgen zu entwickeln, da diese nicht länger auf eine funktionierende Landeslösung warten wollen.

Neben der geringen Akzeptanz des Bauportal.NRW bei den Kommunen scheint das Portal
aber auch bei den Antragstellenden (in der Regel Architekten) nur eine sehr geringe Akzeptanz
zu haben. Nach Gesprächen mit Kommunal- und Verbandsvertretern können wir wohl nur eine
niedrige zweistellige Anzahl von über das Bauportal.NRW in ganz Nordrhein-Westfalen einge-
reichten Bauanträgen vermuten.

Eine sachliche Beurteilung der Akzeptanz wird dadurch erschwert, dass weder auf der Internetseite des Bauportal.NRW Antragszahlen veröffentlicht werden, noch auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Angela Freimuth (FDP) vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung (MHKBD) Auskunft dazu erteilt wurde (vgl. LT-Drucksache
18/3379).

Tabelle 1: Vergleich des WSP.NRW und des Bauportal.NRW - Hinweis: Sicht- und abrufbar in der beigefügten pdf-Datei.

Verbleibt man im Sprachbild von Ministerin Scharrenbach, so sind offensichtlich einige Läden
leerer als andere. Deshalb kommt es für die zukünftige Gestaltung der nachgefragten Digitalisierung von Verwaltungsleistungen entscheidend darauf an, aus den bisherigen Erfahrungen
zu lernen.

Aus Sicht der FDP-Landtagsfraktion lassen sich am Beispiel der dargestellten Landesportale
folgende Lehren ziehen:

1. Open-Source-Software erleichtert Kommunen die Übernahme von auf Landesebene o-
der in anderen Kommunen entwickelten E-Government-Lösungen, da diese Lösungen
leichter mit den bestehenden kommunalen Strukturen verknüpft werden können. Zudem
vermeiden Land und Kommunen durch Open-Source-Software die Abhängigkeit von
proprietären Softwareherstellern und gewährleisten dadurch mehr Wettbewerb um innovative Lösungen. Das Credo muss also lauten: „Public Money - Public Code“

2. Verwaltungsdigitalisierung ist eine Daueraufgabe. Es ist deshalb nicht sinnvoll, Prozesse
zunächst umfassend und abschließend zu planen und diese erst dann zu digitalisieren.
Das Baukastenprinzip ermöglicht es, die Digitalisierung schrittweise voranzubringen und
Schritt für Schritt fortzuentwickeln, auch wenn zu Beginn noch nicht alle weiteren Schritte
planbar sind.

3. Transparenz ist Grundvoraussetzung, um Fehlentwicklungen zu erkennen und daraus
Verbesserungen vornehmen zu können. Es ist besser, gescheiterte Projekte einzustellen als sie verschleiert fortzuführen, um das Scheitern nicht eingestehen zu müssen. Die
Anzahl der über Landesportale gestellten Anträge muss deshalb monatlich aktualisiert
veröffentlicht werden, damit Öffentlichkeit und Parlament im Zuge der Digitalisierung der
Verwaltungsleistungen Erfolge kontrollieren und Handlungsnotwendigkeiten bei der Entwicklung der E-Government-Angebote nachvollziehen können.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:
•Verwaltungsdigitalisierung kann dazu beitragen, dass Bürgerinnen und Bürger sowie
Unternehmen Leistungen des Staates leichter und schneller erhalten.

•Das Bauportal.NRW ist bislang sowohl aus Sicht der Kommunen als auch aus Sicht der
Bauantragstellenden nicht als Erfolg zu bewerten und leider kein Beitrag, um Bauanträge
einfacher stellen und schneller bearbeiten und bescheiden zu können.

•Die unzureichende Digitalisierung des Bauantragsverfahrens ist neben anderen Fakto-
ren ein Hemmnis bei der Schaffung von zusätzlichen Wohnraum sowie bei der energe-
tischen Gebäudesanierung.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

•bei allen zukünftigen E-Government-Projekten des Landes bevorzugt auf Open-Source-
Software zu setzen.

•bei der finanziellen Unterstützung durch das Land für Digitalisierungsprojekte der Kommunen einen Schwerpunkt auf den Einsatz von Open-Source-Lösungen zu legen.

•nach dem Vorbild des WSP.NRW für alle Landesportale die Anzahl der über das jeweilige Portal digital gestellten Anträge monatlich zu veröffentlichen.

•schnellstmöglich eine vollständig medienbruchfreie Lösung für die digitale Baugenehmigung inklusive Beantragung, Kommunikation zwischen Antragssteller und Baubehörde
sowie Bescheidzustellung an den Start zu bringen.

•Gleichzeitig alternative Wege zur Erreichung dieses Ziels und sei es nur als Zwischen-
schritt zu verfolgen, z.B.

- das WSP.NRW als etablierte Lösung für medienbruchfreie Antragsverfahren so zu
erweitern, dass auch Bauanträge darüber gestellt werden können bzw.

- bis zum 30. Juni 2023 das bereits angekündigte Kommunikationsplattform für das
Bauportal.NRW flächendeckend an den Start zu bringen und eine Nutzungsvereinbarung mit allen nordrhein-westfälischen Kommunen zu schließen.