Bearbeitungsstand der bereits vorfristig eingegangenen Grundsteuererklärungen – Warum kann die Finanzverwaltung fehlerhafte Steuerbescheide nicht korrigieren?
Die Verärgerung breiter Teile der Bevölkerung über die neue Grundsteuerbürokratie hält unvermindert an. Sogar viele Fachleute verzweifeln an der neuen Grundsteuererklärung, die allgemein verpflichtend über das ELSTER-Onlineportal der Finanzverwaltung zu erfolgen hat. Bereits der erzwungene digitale Übermittlungsweg für die Daten stellt für Betroffene ein großes Ärgernis dar, da Wohneigentümer deutlich älter als der Bevölkerungsdurchschnitt sind. Aber auch für digital affine Zielgruppen sind die Defizite und Unzulänglichkeiten des ELSTER-Onlineverfahrens eine Zumutung.
Die Selbsttests in der Verzweiflung, die derzeit viele Betroffene im Internet zeigen, sprechen eine eindeutige Sprache. Spätestens seit dem Zusammenbruch des Onlineportals ELSTER und dessen zwischenzeitlicher Abschaltung durch Überlastung ist der Unmut über das leider nur unzureichende Unterstützungsangebot groß.
Ein ganz wesentlicher Grund für die aktuelle Arbeitsüberlastung der Steuerpflichtigen ist das wertbasierte Scholz-Modell für die Grundsteuerfeststellung. Dieses kommt automatisch in Nordrhein-Westfalen zur Anwendung, da der Landtag nicht in diesem Herbst ein einfacheres Modell beschlossen hat, wie es die FDP-Landtagsfraktion in ihrem Gesetzentwurf beantragt hat (siehe LT-DS 18/49), der weitgehend dem Modell des Bundeslandes Hessen entspricht (Flächen-Faktor-Ansatz). Zur Umsetzung des Scholz-Modells sind Daten notwendig, die für ein flächenbasiertes Modell unerheblich sind.
Der Finanzminister hat mittlerweile einigen finanziellen Aufwand betrieben, um dem Chaos bei der Grundsteuerfeststellung zu begegnen. So wurden beispielsweise einige Erklärvideos erstellt und mehrfach erhebliche zusätzliche Personalmittel mobilisiert, um dem Fragebedarf und Arbeitsaufkommen besser entsprechen zu können. Die FDP-Landtagsfraktion haben dennoch von Praktikern aus der Finanzverwaltung bereits verschiedentliche Rückmeldungen erreicht, die nicht für eine Entspannung der herausfordernden Lage sprechen.
Demnach kritisieren Finanzbeamte die geringe Qualität der bei der Grundsteuererklärung übermittelten Daten. In nicht wenigen Einreichungen würden Angaben fehlerhaft sein oder notwendige Informationsbestandteile fehlen. Steuerpflichtige und Steuerberater tragen aber ihrerseits vor, die ELSTER-Funktionalitäten seien unverständlich und teilweise unbrauchbar für eine korrekte Übermittlung der erforderlichen Mindestangaben. Finanzbeamte weisen außerdem darauf hin, dass sie bei fehlerhaft ergangenen Bescheiden im Beschwerdefalle lange Zeit keine technische Möglichkeit hatten, offenkundig falsche Bescheide zu korrigieren.
Für die FDP-Landtagsfraktion ist das Thema Grundsteuerreform seit vielen Jahren von großem Interesse, da diese gleichermaßen selbstnutzende Wohneigentümer, Vermieter und Mieter sowie Betriebe, Vereine und andere Organisationen betrifft. Anders als beim Kauf von vielen reinen Konsumgütern ist Wohnen ein Existenzbedürfnis, und es besteht regulär keine Möglichkeit zur Grundsteuervermeidung durch schnelle Verhaltensänderungen.
Das Bundesverfassungsgericht hat durch seine finale Entscheidung am 10. April 2018 die Berechnung der Grundsteuer auf Basis von Einheitswerten als verfassungswidrig verworfen. Dem Urteil vorangegangen ist bereits eine mehrjährige Debatte der Bundesländer für eine Grundsteuerreform. Die FDP-Landtagsfraktion hat sich bereits im Juni 2016 als einzige Fraktion nach den diesbezüglichen Plänen der Landesregierung detailliert erkundigt (siehe LT-Vorlage 16/4057 „Haltung und Lösungsvorschläge des Landes Nordrhein-Westfalen zur bevorstehenden Grundsteuerreform“ oder APr 16/1369).
Nach zahlreichen Fachgesprächen, einer fraktionsinternen Sachverständigenanhörung und einem Werkstattgespräch mit Verbänden sowie externen Experten am 6. November 2018 hat die FDP-Landtagsfraktion nach umfangreichen Beratungen bereits am 26. März 2019 ihr eigenes Positionspapier „Einfach, gerecht und zuverlässig – Für eine vernünftige Reform der Grundsteuer“ beschlossen, in dem sie für ein flächenbasiertes Grundsteuermodell plädiert. Seitdem warnt die FDP-Landtagsfraktion zugleich immer wieder vor dem überflüssigen wie bürokratischen Erhebungsaufwand für Steuerzahler und Verwaltung, der Rechtsunsicherheit, den Kosten und den Verwerfungen eines wertbasierten Ansatzes wie beim Scholz-Modell.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat bei der Sitzung des Bundesrats am 8. November 2019 für die Einführung einer Länderöffnungsklausel votiert, die eine landesgesetzliche Abweichung vom Scholz-Modell ermöglicht, dem Grundsteuerpaket mit dem wertbasierten Scholz-Modell allerdings ausdrücklich nicht zugestimmt (siehe Sitzungsprotokoll Bundesrat, 982. Sitzung, S. 497 ff.). Der seinerzeitige Finanzminister Lutz Lienenkämper begründet dies in seiner Rede mit den unterschiedlichen Auffassungen in der nordrhein-westfälischen Koalition.
Die klare inhaltliche Haltung der FDP-Landtagsfraktion zeigen nicht nur die Debattenbeiträge in der 84. Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses (nachlesbar in APr 17/1407). Auch in den Medien wird darüber berichtet. So schreibt beispielsweise die WAZ in ihrem Artikel „Für Steuerzahler die teuerste Lösung“ vom 7. Mai 2021 auf S. 2 zum Scholz-Modell: „Gegen dieses Verfahren waren bis zuletzt nicht nur Wirtschafts- und Verbraucherverbände in NRW Sturm gelaufen. Auch die NRW-Liberalen hatten darauf bestanden, die Neuberechnung der Grundsteuer durch Konzentration auf die Fläche so einfach wie möglich zu halten. Dafür fanden sie beim Koalitionspartner offensichtlich kein Gehör.“
In der Sachverständigenanhörung des Haushalts- und Finanzausschusses haben Experten am 25. August 2022 bei der Sitzung ebenso wie im Vorfeld mit schriftlichen Stellungnahmen des Verbandes Haus & Grund, vom Bund der Steuerzahler und der Immobilienwirtschaft im Zentralen Immobilienausschuss (ZIA) ihre umfangreiche Kritik am Scholz-Modell artikuliert und einen Systemwechsel hin zu einem flächenbasierten Modell gefordert.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Genau wie viele Anfragen sind bei der Hotline der Finanzverwaltung, bitte jeweils täglich ab dem 14. September 2022 bis heute, dort zu Sachverhalten der Grundsteuer eingegangen? (bitte identische Fortschreibung der Übersicht aus LT-DS 18/1143)
- Wie viele der bis heute bereits eingegangenen Grundsteuererklärungen sind seitens der Finanzverwaltung schon durch Bescheiderteilung an den Steuerpflichtigen abschließend bearbeitet worden? (Angaben bitte jeweils in absoluten Zahlen und in Prozent)
- Wie viele der bis heute bereits eingegangenen Grundsteuererklärungen sind bei ihrer Ersteinreichung bei der Finanzverwaltung nach dortiger Prüfung auf Anhieb vollständig und richtig gewesen, also nicht mit Nachfragen, Unterlagennachreichungen, Korrekturen oder ähnlichen Nachbearbeitungen verbunden gewesen? (Angaben bitte jeweils in absoluten Zahlen und in Prozent)
- Bis zu welchem Termin konnten Korrekturbescheide bei der Grundsteuerfestsetzung im Falle erkannter Bearbeitungsfehler der Finanzverwaltung von dieser nicht landesweit einheitlich über das dafür regulär vorgesehene System an betroffene Steuerpflichtige versendet werden?
- Welches sind jeweils die Gründe für die zuvor genannte und aus weiteren Sachverhalten resultierenden Nutzungseinschränkungen bei der digitalen Infrastruktur der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung im Kontext der Grundsteuerreform gewesen?
Ralf Witzel