Besser, schneller und günstiger: Jetzt ÖPP-Offensive in Nordrhein-Westfalen starten – Mit Transparenz, Wirtschaftlichkeit und privatem Know-How für mehr Tempo beim Bau
I. Ausgangslage
Nordrhein-Westfalen steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Modernisierung seiner öffentlichen Infrastruktur. Viele marode Brücken, sanierungsbedürftige Schulen, überalterte Verwaltungsgebäude und ein enormer Sanierungsstau bei Landes- und Kommunalstraßen prägen das Bild. Gleichzeitig fehlen im öffentlichen Dienst Kapazitäten, um die Vielzahl der Projekte zeitnah zu planen und umzusetzen. Der klassische öffentliche Hoch- und Tiefbau ist überlastet, Planungsprozesse sind zu langwierig, Genehmigungsverfahren zu kompliziert, und steigende Baupreise verschärfen die Lage zusätzlich.
Daran wird auch das 500 Milliarden Euro schwere sogenannte Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität des Bundes nichts ändern. Die Mittel dieses Schuldentopfs werden – anders als diverse politische Entscheidungsträger es gerne suggerieren – wohl kaum für „zusätzliche“ Investitionen eingesetzt. Das „Zusätzlichkeitskriterium“, welches die Nutzung der Infrastruktur-Milliarden erst ab einer bestimmten, aus dem Kernhaushalt zu leistenden Investitionsquote ermöglicht, gilt ausschließlich für den Bund. Für die Landes- und kommunale Ebene gilt das Kriterium nicht. Denn auf Druck der Länder hat die Bundesregierung diesen Passus gestrichen, obwohl er im ursprünglichen Referentenentwurf vorgesehen war. Die von vielen erhoffte Investitions- und Infrastrukturoffensive droht daher wirkungslos zu verpuffen, noch bevor das Geld überhaupt fließen konnte.
Auch über die Finanzierungsseite hinaus bestehen diverse faktische und administrative Hemmnisse, die eine Infrastrukturoffensive ausbremsen, die diesen Namen auch verdient. Erfahrungen zeigen, dass bei staatlichen Bauprojekten der vorab festgelegte preisliche Rahmen überdurchschnittlich häufig überschritten wird und die Projekte sich teils exorbitant in die Länge ziehen.
Diese Problemanalyse war unter anderem ursächlich dafür, dass das Land Nordrhein-Westfalen bereits Anfang der 2000er-Jahren die „ÖPP-Initiative NRW“ (Öffentlich-Private-Partnerschaften, engl. Public-Private-Partnerships, kurz PPP) startete, aus der im Bereich des Finanzministeriums das Kompetenzzentrum für finanzwirtschaftliche Infrastrukturfragen sowie die PPP-Task Force hervorgingen. Als zentrale Anlaufstellen für alle beteiligten Akteure sollten das Kompetenzzentrum und die Task-Force vorhandenes Wissen aus dem Bereich ÖPP bündeln sowie neue Leitlinien, Standards und rechtliche Rahmenbedingungen entwickeln.
Die damalige Landesregierung berichtete im Jahr 2014, dass Nordrhein-Westfalen bundesweit die meisten ÖPP-Projekte umgesetzt hatte – verbunden mit Effizienzgewinnen zwischen acht und fünfzehn Prozent und deutlich höherer Termin- und Kostentreue als bei konventioneller Realisierung. Eine Evaluierung bescheinigte kommunalen ÖPP-Projekten in Nordrhein-Westfalen eine erfolgreiche Umsetzung und hohe Zufriedenheit der Auftraggeber, insbesondere auch aufgrund der konsequenten Lebenszyklusorientierung und der hohen Qualität der Leistungen.
II. Handlungsnotwendigkeiten
Die einst aktive PPP-Task Force sowie das Thema ÖPP im Allgemeinen finden aktuell nur wenig Beachtung der schwarz-grünen Landesregierung. Die fehlende politische Priorisierung von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften zeigt sich auch bei der geplanten Kürzung des Mittelansatzes im Haushaltsentwurf 2026 in Kapitel 12 010 Titel 516 00 „Nicht aufteilbare sächliche Verwaltungsausgaben zur Realisierung von Öffentlich-Privaten Partnerschaften“.
Dem Internetauftritt des Kompetenzzentrums für finanzwirtschaftliche Infrastrukturfragen ist zu entnehmen, dass die bisherigen ÖPP-Projekte des Landes größtenteils vor dem Jahr 2010 fertiggestellt wurden. Angaben zu aktuellen ÖPP-Projekten fehlen. Damit verschenkt Nordrhein-Westfalen erhebliche Potentiale, um private Expertise und Kapital zur effizienteren Umsetzung von Infrastrukturvorhaben zu nutzen. Ideologische Skepsis und die irrige Vorstellung, staatliche Eigenrealisierung sei per se besser, bremsen die Nutzung von ÖPP aus, obwohl zahlreiche deutsche Studien und Gutachten sowie auch etliche internationale Erfahrungen das Gegenteil belegen.
Das Land sollte nicht zwingend bei jedem Bauvorhaben Bauherr, Generalunternehmer und Betreiber zugleich sein. ÖPP-Modelle ermöglichen es, private Innovationskraft und Projektmanagementkompetenz für öffentliche Bauvorhaben zu nutzen – bei gleichzeitiger Sicherung staatlicher Kontrolle über Qualitätsstandards und Leistungsanforderungen. Durch den für ÖPP-Modelle typischen Lebenszyklusansatz werden Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung aus einer Hand realisiert, was Anreize für nachhaltiges Wirtschaften schafft. Wettbewerb zwischen privaten Anbietern sorgt zudem für kreative und kosteneffiziente Lösungen, die der Staat allein kaum hervorbringen könnte.
Wesentliche Voraussetzung ist eine sorgfältige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung im Vorfeld. Nur wenn ein Projekt im ÖPP-Modell nachweislich günstiger oder qualitativ besser umgesetzt werden kann als in Eigenregie, ist eine Realisierung sinnvoll und gerechtfertigt. Ebenso klar ist: ÖPP darf nicht zur Umgehung der Schuldenbremse missbraucht werden. Öffentlich-Private Partnerschaften sind kein „Bauen ohne eigenes Geld“, sondern eine Beschaffungsalternative, bei der Investitionen über vertraglich vorab geregelte Laufzeiten refinanziert werden. Transparenz und Haushaltsklarheit sind deshalb zwingend zu gewährleisten. Sämtliche finanziellen Verpflichtungen müssen im Landeshaushalt vollständig ausgewiesen werden.
Die bislang positiven Erfahrungen mit ÖPP liegen vor, auch und insbesondere in Nordrhein-Westfalen. Die Landesregierung sollte es sich deshalb nicht leisten, ein erfolgreiches Instrument zum effizienteren Bauen kaum zu nutzen. Nordrhein-Westfalen muss endlich wieder zum Motor einer modernen, effizienten und innovationsfreundlichen Infrastruktur- und Haushaltspolitik werden – mit einer klaren Strategie, die Wirtschaftlichkeit, Qualität und Transparenz verbindet.
III. Beschlussfassung
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- eine „ÖPP-Offensive Nordrhein-Westfalen“ zu starten, mit dem Ziel, Öffentlich-Private Partnerschaften als effiziente Beschaffungsalternative systematisch zu fördern und dabei Standards und Leitlinien weiterzuentwickeln, indem
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- die Prüfung von Infrastrukturvorhaben hinsichtlich ihrer Eignung für Öffentlich-Private-Partnerschaften intensiviert wird,
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- die grundsätzlich geeigneten Projekte sorgfältigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen unterzogen werden,
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- ausgewählte und geprüfte Projekte verstärkt durch die Kooperation mit privaten Unternehmen initiiert werden und
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- durch entsprechende Ausschreibungs- und Vertragsgestaltung gewährleistet wird, dass kleine und mittlere Unternehmen dabei nicht benachteiligt werden.
- durch entsprechende Ausschreibungs- und Vertragsgestaltung gewährleistet wird, dass kleine und mittlere Unternehmen dabei nicht benachteiligt werden.
- die PPP-Taskforce des Finanzministeriums strategisch weiterzuentwickeln und mit zusätzlichen Finanzmitteln auszustatten,
- ein Kompetenznetzwerk ÖPP-NRW mit Hochschulen, Wirtschaft und Kommunen zu etablieren, das Best-Practice-Beispiele bündelt, Projekterfahrungen auswertet und die Akzeptanz des Modells fördert,
- sicherzustellen, dass sämtliche finanzielle ÖPP-Verpflichtungen und Vertragslaufzeiten vollständig und transparent im Landeshaushalt ausgewiesen werden, um jede Umgehung der Schuldenbremse auszuschließen,
- regelmäßig Berichte und Evaluierungen zu laufenden und neu initiierten ÖPP-Vorhaben vorzulegen, um Parlament und Öffentlichkeit über bisherige Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen zu unterrichten.