Biogas und Biomethan als Beitrag zur Energieunabhängigkeit ausbauen und fördern

I. Ausgangslage

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Abhängigkeit von russischem Gas deutlich offenbart. Die Substitution von russischem Erdgas stellt Deutschland vor eine große Herausforderung. Gleichzeitig muss der Ausbau der erneuerbaren Energien weiter vorangebracht werden. Biogas nimmt einen besonderen Stellenwert unter den erneuerbaren Energien ein, da es ähnliche Eigenschaften wie fossile Brennstoffe aufweist.

Biogas entsteht bei der natürlichen Zersetzung von biologisch abbaubaren Substraten wie Gülle oder Energiepflanzen (Mais, Gras, etc.) unter Luftabschluss. Die Biogaserzeugung bietet für viele landwirtschaftlichen Betriebe schon heute die Chance, ihr Einkommen zu diversifizieren.

Aufgrund der Nutzungskonkurrenz zwischen der Energiepflanzenproduktion für Biogasanlagen und dem Lebensmittelanbau („Tank vs. Teller“) steht die Energiegewinnung aus Biomasse in der Kritik. Aber auch Pflanzen, wie zum Beispiel Zwischenfrüchte oder Wildpflanzen, die keinen zusätzlichen Flächenbedarf verursachen, können zur Biogaserzeugung genutzt werden. Erst Ende 2021 hat der Landtag auf Initiative der Fraktionen von FDP und CDU einen Antrag beschlossen, der den Anbau von mehrjährigen Wildpflanzen als Energieträger zur Biogasgewinnung fördern soll. Dadurch kann der Anteil von Mais in der Biogasgewinnung reduziert werden. Gleichzeitig führt dies direkt zu mehr Biodiversität und Strukturvielfalt. Großes Potenzial bietet auch die Erzeugung von Biogas aus häuslichen Lebensmittelabfällen. Jährlich landen in Deutschland etwa zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Daher ist eine zügige Umstellung der Biogaserzeugung auf landwirtschaftliche Nebenprodukte und biogene Abfälle sinnvoll und notwendig.

Im Gegensatz zu Wind- und Solarenergie können Biogasanlagen durchgängig Strom produzieren. Flexibel steuerbare Biogasanlagen können die schwankende Stromeinspeisung von Wind- und Sonnenenergie ausgleichen. Jedoch sind Biogasanlagen mit Blockheizkraftwerken (BHKW) für die kontinuierliche Stromeinspeisung konzipiert. Bestehende Biogasanlagen sollten daher auf die bedarfsgerechte, sprich flexible Produktion umgerüstet werden können. Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 50 Terrawattstunden (TWh) von etwa 9.000 Biogasanlagen bereitgestellt. Deutschland weist damit den größten Biogasbestand in Europa auf.

Biogas kann Erdgas allerdings nicht substituieren, da Biogas einen deutlich geringeren Methangehalt aufweist. Daher bedarf es einer Aufbereitung zu Biomethan. Rohbiogas besteht je nach eingesetztem Substrat zu 45-70 Prozent aus Methan und bis zu 55 Prozent aus Kohlendioxid. Durch eine Aufbereitung kann der Methangehalt auf 97 Prozent erhöht werden. Hierzu wird das Rohbiogas entschwefelt und das Kohlendioxid wird entfernt. Das so veredelte Biomethan kann zu Flüssiggas weiterverarbeitet werden. Biomethan kann dabei Erdgas in allen Anwendungsbereichen ersetzen.

In ca. 240 Anlagen wurde 2021 Biogas zu Biomethan aufbereitet (Erdgasqualität). Laut Fachverband Biogas e.V. (FvB) kann die Biogasproduktion in Deutschland ohne eine Ausdehnung der Anbauflächen für Energiepflanzen auf ca. 135 bis 235 TWh ausgeweitet werden. Bis zum Jahr 2050 könnten 150 TWh Biogas nur auf Basis von Abfällen, Reststoffen, Zwischenfrüchten, Gülle, Mist, Gras von Dauergrünlandflächen und landwirtschaftlichen Nebenprodukten erzeugt werden. Laut Fachverband Biogas könnte die Hälfte des Biogases zu Biomethan aufbereitet werden. 40 Prozent des russischen Gases ließen sich bis 2030 ersetzen. Laut dem Biomasseforschungszentrum in Leipzig landet nur ein Drittel von dem, was sich technisch nutzen ließe, tatsächlich in der Biogasanlage.

Biomethan aus Gülle hat sogar einen negativen Treibhausgas (THG) Wert. Grund dafür ist, dass bei der Vergärung von Gülle in Biogasanlagen die Methanemissionen vermieden werden, welche sonst bei einer offenen Lagerung der Gülle entstehen. Deshalb ist die THG-Einsparung bei der Verwendung von Gülle zur Bio-LNG-Produktion besonders hoch. Bei LNG (liquified natural gas) handelt es sich um verflüssigtes Methan. Erst Anfang September 2022 wurde in Niedersachsen eine Kompaktanlage eingeweiht, die Bio-LNG aus Biogas produziert. Die 500 Kilowatt-Anlage produziert täglich bis zu drei Tonnen Bio-LNG. Diese Anlage hat Modellcharakter für viele landwirtschaftliche Betriebe mit Biogasanlagen. Bestehende Anlagen könnten mit einem Verflüssigungsmodul nachgerüstet werden. Nach diesem Vorbild könnten überall in NRW kleine dezentrale Bio-LNG-Anlagen entstehen. Anfang 2022 wurde im Rheinland mit dem Bau der größten Anlage zur Herstellung von Bio-LNG begonnen. Ende 2023 sollen dann jährlich 100.000 Tonnen Bio-LNG produziert werden.

Auch die EU-Kommission hat sich im Rahmen ihres Plans „REPowerEU“ zum Ziel gesetzt, die Biomethanerzeugung bis 2030 auf eine Leistung von ca. 370 TWh zu erhöhen. Dänemark investiert bereits massiv in den Ausbau der Biomethanerzeugung. Schon Ende 2021 deckte das Land ein Viertel seines heimischen Gasbedarfs mit Biomethan ab. 2034 sollen 100 Prozent des Bedarfs gedeckt sein. In Frankreich nutzt eine große Lebensmittelkette ihre nicht mehr verkäuflichen Lebensmittel zur Erzeugung von Biomethan als LKW-Kraftstoff.

In Nordrhein-Westfalen sind 719 Biogasanlagen mit 1.413 Einheiten in Betrieb. Zusammengenommen liegt die elektrische Leistung dieser Anlagen bei 536 MW. In den Kreisen Borken und Steinfurt ist die Mehrheit der landwirtschaftlichen Betriebe mit Biogasanlagen ansässig. In nur elf Anlagen wird Biogas zu Biomethan aufbereitet. Der Kreis Coesfeld beispielsweise speist bereits Biomethan direkt ins Erdgasnetz ein und leistet damit einen Beitrag zur Energieunabhängigkeit. Drei weitere Anlagen befinden sich in Planung. Das zeigt, für Nordrhein-Westfalen besteht noch ein erhebliches Ausbaupotenzial. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) hat zuletzt 2014 die Potenziale der Biomasse in einer Potenzialstudie ermittelt.

Die Aufbereitung von Biogas zu Biomethan oder zu Bio-LNG bietet einen Hebel, um das europäische Biomethanziel zu erreichen und die Abhängigkeit von fossilem Erdgas zu verringern. Gleichzeitig muss das Potenzial von herkömmlichen Biogasanlagen zur Verstromung voll genutzt und erhöht werden. Da die meisten bestehenden Biogasanlagen privilegiert im Außenbereich errichtet wurden, müssen Aufbereitungsanlagen für die Biomethanerzeugung ebenfalls im Außenbereich errichtet werden dürfen. Daher ist es sinnvoll, wenn die Errichtung von Aufbereitungs- und Einspeiseanlagen ein neuer bauplanungsrechtlicher Privilegierungstatbestand werden würde. So können derartige Anlagen auch ohne eine kommunale Ausweisung eines entsprechenden Gebiets errichtet werden.

II. Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • eine Potenzialstudie für die Nutzung sowie Erzeugung von Biomethan sowie Bio-LNG in Auftrag zu geben.
  • einen Biogas-Gipfel ins Leben rufen, an dem die Politik, Betreiber von Biogasanlagen, Bauernverbände sowie die Landwirtschaftskammer teilnimmt, um den Ausbau sowie Umbau von Biogasanlagen voranzubringen.
  • ein finanzielles Förderprogramm für die Umrüstung von Bestandsanlagen auf die Biomethanproduktion einzuführen.
  • sich auf Bundesebene für eine weitere Flexibilisierung von Biogasanlagen einzusetzen und attraktive Fördermöglichkeiten für flexible Biogasanlagen zu schaffen.
  • sich auf Bundesebene für eine Senkung der Investitionskosten für den Anlagenbetreiber, u.a. durch eine Novellierung der Kostenaufteilungsregelungen in der Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) einzusetzen.
  • ein Sofortprogramm zur Mobilisierung von biogenen Nebenprodukten, Abfällen und Anbaubiomasse ohne zusätzlichen Flächenbedarf aufzulegen.
  • bestehende rechtliche Hemmnisse für den Aus- und Umbau von Biogasanlagen und Biogasnutzung zu evaluieren und abzubauen, z.B. im LEP NRW die Darstellung und Festsetzung von Bauflächen und -gebieten im regionalplanerisch festgelegten Freiraum analog zu Tierhaltungsanlagen auch für Biogasanlagen ausdrücklich ermöglichen.
  • auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass Erleichterungen im Bauplanungsrecht (BauGB) vorgenommen werden, insbesondere durch die Privilegierung von Biogasaufbereitungs- und -einspeiseanlagen im Baugesetzbuch.
  • auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass Erleichterungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vorgenommen werden, um beispielsweise die Möglichkeit zu schaffen, anstelle der hydraulischen Verweilzeit von 150 Tagen die Maßgaben der TA Luft Nr. 5.4.1.15 Buchstabe j) einhalten zu können.
  • auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass der anlagenbezogene Gewässerschutz (AwSV) eine Gärrestlagerung in JGS-Behältern von Gärrest-abnehmenden landwirtschaftlichen Betrieben ermöglicht, ohne dass diese den JGS-Status verlieren.
  • auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass eine Anpassung der Abschaltreihenfolge unter Berücksichtigung der Wärmeerzeugung und -nutzung von Biogasanlagen im Redispatch 2.0 erfolgt, um dem Abfackeln von Gas und damit der Verschwendung von Primärenergieträgern entgegenzuwirken.
  • auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass nach der Einführung im Oktober 2021 eine Beschleunigung der vollständigen Implementierung funktionierender Prozesse im Redispatch 2.0 erfolgt.

Henning Höne
Marcel Hafke
Dietmar Brockes

und Fraktion