Bürgerwillen umsetzen - Suche nach zweitem Nationalpark einstellen und Neustart für Naturschutz wagen

I. Ausgangslage

Die schwarz - grüne Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart einen zweiten Nationalpark auszuweisen und dazu einen Beteiligungsprozess zu initiieren. Die klar kommunizierte Grundvoraussetzung für die Ausweisung eines zweiten Nationalparks der Landesregierung im Rahmen des aufgesetzten Findungsprozesses war und ist immer gewesen: Ohne die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger und ihrer Vertretungen in den ausgewählten Regionen wird dort kein neuer Nationalpark ausgewiesen. Natur- und Umweltschutz soll gemeinsam mit den Menschen in den Regionen gestaltet werden. Der Findungsprozess für einen zweiten Nationalpark ist trotz zahlreicher Fristverschiebungen für mögliche Bewerbungen der in Frage kommenden Regionen hierbei gescheitert.

Alle für einen zweiten Nationalpark in Frage kommenden Regionen lehnen mehrheitlich die Ausweisung eines zweiten Nationalparks ab. Die Bürgerentscheide in den Kreisen Höxter und Paderborn haben nochmal die ablehnende Haltung der Bürgerinnen und Bürger in den betroffenen Regionen bestätigt. Der „Nationalpark in der Egge“ wurde im Kreis Höxter mit 66 Prozent der Stimmen abgelehnt, im Kreis Paderborn waren es 55 Prozent der Stimmen. In den direkt betroffenen Anrainerkommunen wie Lichtenau und Altenbeken ist die Ablehnung sogar besonders deutlich. Im Hochsauerlandkreis ist das Bürgerbegehren „JA im HSK zum Nationalpark Arnsberger Wald“ bereits im April 2024 gescheitert, da es zu wenig Unterstützer für einen Bürgerentscheid gab.

Erschwerend zur ablehnenden Haltung der Bürgerinnen und Bürger kommt hinzu, dass sich die CDU auf Landesebene zwar formal zur Koalitionsvereinbarung zur Ausweisung eines zweiten Nationalparks bekennt, jedoch die eigenen Landtagsmitglieder in ihren betroffenen Wahlkreisen aktiv und nachweislich die Verhinderung eines zweiten Nationalparks betrieben haben. Eine gemeinsame Haltung der regierungstragenden Parteien aus CDU und Bündnis 90/ Die
Grünen ist in der Nationalparkfrage nicht zu erkennen.

II. Handlungsbedarf

Umwelt- und Naturschutz sind integraler Bestandteil nachhaltiger und generationengerechter Politik. Eine intakte Umwelt, sauberes Wasser und saubere Luft sind Grundlage für ein gesundes Leben. Es braucht Lösungen, die möglichst effizient und wirksam sind und Umwelt-, Arten- und Naturschutzziele möglichst passgenau erreichen. Dies gelingt am besten gemeinsam mit den Menschen, nicht gegen sie.

Allein durch die Ausweisung zusätzlicher Naturschutzgebiete kann kein Natur- und Artenschutz betrieben werden. Mit dem mittlerweile aussichtslosen Vorhaben, einen zweiten Nationalpark in Nordrhein-Westfalen zu schaffen, muss jetzt alternativ die Aufwertung bestehender Naturschutzflächen in den Blick genommen werden. Auf den geschützten Flächen besteht noch erhebliches Potenzial für Natur- und Artenschutz. Die Aufwertung von Naturschutzflächen sollte der Ausweisung weiterer Naturschutzflächen vorgehen.

Statt Landesmittel für ein zum Scheitern verurteiltes Projekt aufzuwenden, sollten diese sinnvoller und kosteneffizienter für die Stärkung von Arten- und Naturschutz eingesetzt werden. Die Landesregierung muss jetzt dringend prüfen, ob die avisierte Arten- und Naturschutzleistung eines weiteren Nationalparks durch alternative Natur- und Artenschutzmaßnahmen in gleicher Größenordnung erreichbar ist. Ohne eine abschließende Maßnahmenliste vorzulegen, können als mögliche Ersatzmaßnahmen folgende Vorhaben dafür in Betracht kommen:

1. Aufforstung

Die Aufforstung der Wälder in Nordrhein-Westfalen ist eine komplexe, aber dringend notwendige Aufgabe, um die vielfältigen ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Funktionen der Wälder zu erhalten. Die Aufforstung mit klimaresistenten Mischwäldern ist eine effektive Strategie zur Bekämpfung der negativen Auswirkungen des Klimawandels. Sie trägt zur Erhöhung der Biodiversität, zur Speicherung von CO₂, zur Verbesserung der Boden- und Wasserqualität und zur Schaffung nachhaltiger wirtschaftlicher Möglichkeiten bei. Durch die Anpassung an zukünftige klimatische Bedingungen sichern klimaresistente Mischwälder die ökologischen und ökonomischen Funktionen von Wäldern und bieten gleichzeitig soziale Vorteile für die Gesellschaft.

In den letzten Jahrzehnten haben verschiedene Herausforderungen wie der Klimawandel, Schädlingsbefall und Wetterextreme zu einem deutlichen Rückgang der Waldflächen und zu einer Verschlechterung des Waldzustandes geführt Daher ist eine umfassende Aufforstungsstrategie notwendig, um die vielfältigen Funktionen der Wälder zu sichern. Schätzungsweise 140.000 Hektar an Kalamitätsflächen müssen neu aufgeforstet werden. Durch eine Kombination aus naturnaher Waldwirtschaft, gezielter Baumartenwahl, finanzieller Unterstützung und gesellschaftlicher Beteiligung kann es gelingen, die Wälder für zukünftige Generationen zu sichern und zu stärken.

2. Schaffung von Biotopverbünden

Um die Biodiversität zu fördern und den Artenschutz zu gewährleisten, bieten sich Korridore zwischen bestehenden Schutzgebieten an. Viele Tierarten benötigen große, zusammenhängende Lebensräume für saisonale Wanderungen, Nahrungssuche oder Fortpflanzung. Korridore ermöglichen diese Bewegungen und sichern so das Überleben der Arten. Damit wird die Fragmentierung von Lebensräumen verringert und die Vernetzung von Ökosystemen gefördert. Vernetzte Lebensräume sind besser in der Lage, auf Klimaveränderungen und andere Umweltstörungen zu reagieren. Arten können in neue Gebiete migrieren, wenn ihre bisherigen Lebensräume unbewohnbar werden.

3. Einrichtung von Biosphärenreservaten

Ein Biosphärenreservat ist eine von der UNESCO initiierte Modellregion, in der nachhaltige Entwicklung in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht exemplarisch verwirklicht werden soll. Es bietet Schutz für die biologische Vielfalt und unterstützt nachhaltige Entwicklung. Es fördert den Erhalt von Ökosystemen, indem es Lebensräume für bedrohte Arten bewahrt und ökologische Forschungs- und Bildungsprojekte ermöglicht. Zudem fördert es nachhaltige Wirtschaftsweisen, die die natürliche Umwelt schonen und gleichzeitig den lokalen Gemeinschaften zugutekommen. In Deutschland gibt es bisher 16 solcher Reservate. Biosphärenreservate sind eine hervorragende Alternative zu Nationalparks, weil sie ein integratives Modell für den Naturschutz und die nachhaltige Entwicklung bieten. Während Nationalparks primär auf den Schutz natürlicher Lebensräume und die Erhaltung der Artenvielfalt abzielen, verbinden Biosphärenreservate den Naturschutz mit der Förderung wirtschaftlicher und sozialer Nachhaltigkeit.

4. Unterstützung der Naturparke

Die Naturparke handeln nach gesetzlichen Auftrag nach § 27 Bundesnaturschutzgesetz und§ 38 Landesnaturschutzgesetz. Die Naturparke decken heute 45 Prozent der Landesfläche in Nordrhein-Westfalen ab und erfüllen vielfältige Aufgaben. Sie machen Natur- und Umwelt für die breite Bevölkerung erlebbar, betreiben Umwelt- und Naturschutz und leisten Öffentlichkeitsarbeit für den Naturschutz. Die Naturparke sind Klammern in den Regionen und vernetzen
Kooperationspartner. Viele der Biologischen Stationen in Nordrhein-Westfalen arbeiten seitvielen Jahren sehr vertrauensvoll mit den Naturparken zusammen und setzen gemeinsame Projekte zur Artenvielfalt und Biodiversität um.

Im Anschluss an die Prüfung ist von der Landesregierung ein Ersatzmaßnahmenpaket auszuarbeiten und zu implementieren.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest,

  • dass die Bürgerinnen und Bürger in den jeweiligen betroffenen Regionen mehrheitlich einen zweiten Nationalpark ablehnen.
  • dass die Errichtung eines neuen Nationalparks ohne die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger und ihrer Vertreter in den Regionen nicht erfolgen kann.


Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • die ablehnenden Voten in den Regionen zu respektieren und die Suche nach dem zweiten Nationalpark einzustellen.
  • auf die Errichtung einer neuen Nationalparkbehörde zu verzichten und freiwerdende Mittel für die Stärkung der Naturparke einzusetzen.
  • zu prüfen, inwiefern die avisierte Arten- und Naturschutzleistung eines weiteren Nationalparks durch alternative Natur- und Artenschutzmaßnahmen in gleicher Größenordnung hergestellt werden kann.
  • auf Basis der vorgenannten Prüfung ein Ersatzmaßnahmenpaket für Arten- und Naturschutz vorzulegen. Die Aufwertung von bestehenden Naturschutzflächen soll hierbei der Ausweisung weiterer Naturschutzflächen vorgehen.