Das proppenvolle Klassenzimmer: NRW-Grundschulklassen sind im bundesweiten Vergleich am größten und es ist keine Besserung in Sicht.

Grundschülerinnen und Grundschüler in Nordrhein-Westfalen besuchen im bundesweiten Durchschnitt die größten Klassen –also die Vollsten. Die Daten veröffentlichte das Statistische Landesamt in der vergangenen Woche am 13. September 2023 anlässlich der Präsentation der Publikation „Internationale Bildungsindikatoren im Ländervergleich”.

Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2021, jüngere Zahlen liegen nicht vor. Bei der Lehrer-Schüler-Relation in der Grundschule lag NRW 2021 im Bundesdurchschnitt: Im Primarbereich wurden durchschnittlich 14,8 Schülerinnen und Schüler von einer Lehrkraft betreut. Jedoch geht aus den bisherigen Statistiken auch hervor, dass die Schülerzahlen deutlich stärker ansteigen als die Lehrerstellen (Vollzeitäquivalente). Das zeigt sich besonders deutlich im Primarbereich. Die Schülerzahlen stiegen dort im Schuljahr 2022/2023 im Vergleich zu 2021/2022 um 4,6%, während der Aufwuchs bei den Lehrkräften (Vollzeitlehrereinheiten) nur 3,5% betrug.

Für eine tragfähige Schüler-Lehrer-Relation brauchen wir dringend mehr besetzte Lehrerstellen: bis zum Ende dieser Legislaturperiode nicht 10.000, sondern bis zu 16.674 Lehrkräfte zusätzlich. Unter den aktuellen Voraussetzungen sind für die zukünftigen Jahrgänge also noch größere Klassen zu erwarten. Eine Verbesserung der Situation ist auf absehbare Zeit nicht in Sicht. Zu den geburtenstarken Jahrgängen kommen die zugewanderten Schülerinnen und Schüler, etwa aus der Ukraine, hinzu. Die Integration zugewanderter Kinder bedeutet eine zusätzliche besondere Anforderung hinsichtlich der Förderung und zeitlicher Ressourcen. Große Klassen
sind da besonders hinderlich.

Für die großen Klassen ist vor allem der Lehrkräftemangel ursächlich. Häufig lässt aber auch die räumliche Situation einer Schule das Bilden von mehr Eingangsklassen gar nicht zu, sodass größere Klassen gebildet werden müssen. Aufgrund mangelhafter Schulentwicklungsplanung fehlt es mancherorts schlicht an Schulplätzen. Beispielsweise in Köln kann das Dilemma fehlender Schulplätze jedes Jahr aufs Neue beobachtet werden.

Zu den bereits großen gebildeten Eingangsklassen stoßen im Verlauf der Grundschulzeit häufig noch weitere Schülerinnen und Schüler durch Zuzug oder Klassenwiederholung hinzu. Die Klassengrößen unterscheiden sich auch innerhalb des Landes NRW deutlich in einem Stadt-Land-Gefälle.

In den Grundschulklassen herrscht folglich eine große Belastungssituation, die offenbar zu Lasten der Bildungsqualität geht. Das schlechte Abschneiden beim Aneignen der wichtigsten Basiskompetenzen an den nordrhein-westfälischen Grundschulen hat die Bildungspolitik in den vergangenen Monaten häufig analysiert und debattiert.

Da die Schulanmeldungen für die Schulneulinge 2024 kurz bevorstehen, fragen sich Schulen wie Eltern, wie groß die Klassen im kommenden Jahr werden (müssen). Insbesondere besteht ein Informationsbedarf, wie sich die Landesregierung positioniert zu den Klassengrößen und mit welchen Maßnahmen Abhilfe geschaffen werden soll. Aufgrund des dringenden öffentlichen Interesses muss sich der Landtag daher mit diesem Thema im Rahmen einer Aktuellen Stunde auseinandersetzen.