Datenerfassung bei der neuen Grundsteuererklärung – eine Zumutung für die Bürger

Ab 2025 soll in Deutschland eine neu berechnete Grundsteuer gelten. Dafür müssen Eigentümer zwischen 1. Juli und 31. Oktober 2022 eine Grundsteuererklärung abgeben. Das Bundesverfassungsgericht hat das derzeitige System der grundsteuerlichen Bewertung im Jahr 2018 für verfassungswidrig erklärt. Es hat weiterhin entschieden, dass spätestens bis zum 31. Dezember 2019 eine gesetzliche Neuregelung getroffen werden musste. Ab dem 1. Januar 2025 wird dann die Grundsteuer auf Grundlage des neuen Rechts erhoben.

Das damalige Bundesministerium der Finanzen hat das „Scholz-Modell“ entwickelt. Länder, die sich diesem Modell nicht anschließen wollen, können aufgrund einer entsprechenden Grundgesetzänderung ein eigenes Grundsteuermodell einführen („Länderöffnungsklausel“). Eine solche Möglichkeit hat die FDP-Landtagsfraktion für das Land Nordrhein-Westfalen bereits gesetzgeberisch beantragt, die Abstimmung darüber im Parlament steht allerdings noch aus.

Zum ersten Hauptfeststellungsstichtag der neuen Grundsteuerwerte (1. Januar 2022) konnte noch kein vollständig digitalisiertes Verwaltungsverfahren angeboten werden. Da das Land Nordrhein-Westfalen leider noch kein bürokratiearmes Flächenmodell beschlossen hat, liegen viele der für die Neubewertung des Grundeigentums erforderlichen Daten der Finanzverwaltung nicht in elektronisch verwertbarer Form vor, sodass diese mit Hilfe einer elektronischen Steuererklärung bei den Eigentümerinnen und Eigentümern des Grundbesitzes erhoben werden sollen. Heißt im Klartext: Bürger werden verpflichtet, die Arbeit der Verwaltung zu machen, indem sie der Verwaltung digital Daten übermitteln, die der Verwaltung bereits analog übermittelt wurden und dort vorliegen sollten. Das alles soll bislang geschehen unter Fristsetzung bis zum 31. Oktober 2022 und in der Verantwortung der Bürger für Fehler bei den übermittelten Daten.

Die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts ist für alle Grundstückseigentümer  verpflichtend grundsätzlich elektronisch an das Finanzamt zu übermitteln. Hierfür ist das Portal „Mein ELSTER“ zu verwenden. Die elektronischen Formulare werden ab 1. Juli 2022 im Portal „Mein ELSTER“ bereitgestellt.

Bereits im Vorfeld der Grundsteuerreform  wurde von vielen Experten das Scholz-Modell der Grundsteuerberechnung als Bürokratiemonster gebrandmarkt. So überraschte es nicht wirklich, dass zeitnah zur Freischaltung von „Mein ELSTER“ Anfang Juli dieses Jahres das Programm wegen Überlastung kollabierte.

Darüber hinaus ist vielen Bürgern weiterhin nicht klar, warum sie bereits vorliegende Daten erneut in komplexe Ausfüllmasken eintragen müssen. Die begleitenden individuellen Informationsschreiben der Finanzverwaltung enthalten bereits Daten zu dem jeweiligen Grundstück, wie das Aktenzeichen, die Gemarkung, das Grundbuchblatt, Angaben zum Flurstück, die Grundstücksfläche sowie den Bodenrichtwert. „Den Bürgerinnen und Bürgern liegen damit die überwiegenden Daten für die Feststellungserklärung vor“, betont die Leiterin des Finanzamtes Velbert. „Sie können diese nach Prüfung auf Vollständigkeit und Richtigkeit direkt in ihre Feststellungserklärung eintragen.“

Parallel sind diese Daten auch alle in digitaler Form im Grundsteuerportal hinterlegt, das die Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen eigens eingerichtet hat. Bei dem Portal handelt es sich um eine digitale Landkarte. Nach Eingabe der Adresse kann der Sachdatenauszug zu dem jeweiligen Grundstück abgefragt und mit den Daten aus dem Informationsschreiben abgeglichen werden.

Art und Umfang dieser öffentlich bereitgestellten ergänzenden Informationsquellen machen deutlich, dass die Zusammenstellung der erforderlichen Eckdaten für die neue Grundsteuer in weiten Teilen ohne weiteres durch die öffentliche Verwaltung selbst hätte erfolgen können – insbesondere dort, wo Daten ganz offensichtlich bereits in digitaler Form vorliegen. Die Bürger hätten die vorausgefüllten Erklärungen dann nur ggf. punktuell ergänzen und freigeben müssen.

Neben dem Chaos bei der digitalen Datenerfassung für die neue Grundsteuer scheinen auch die Behörden und Ämter personell unter der Last einer einmaligen Sonderaufgabe zusammenzubrechen. Das NRW Finanzministerium stockt deswegen das Personal zur Bearbeitung der neuen Grundsteuer mit weiteren 150 Stellen in den Finanzämtern auf.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wieso ist in der Finanzverwaltung die frühzeitige Digitalisierung zur Erhebung der erforderlichen Eckdaten für die Ausgestaltung der neuen Grundsteuer nicht möglich gewesen?
  2. Was gedenkt die Landesregierung zu tun, damit das Portal "Mein Elster" und die Unterstützungsportale der öffentlichen Verwaltung künftig störungsfrei funktionieren?
  3. Ab wann und bei welchen Aufgaben genau sollen die neu einzustellenden 150 Beschäftigten in der Finanzverwaltung zur schnelleren Abarbeitung Grundsteuererklärungen eingesetzt werden?
  4. Ist es ausgeschlossen, dass die im Rahmen der Feststellungserklärung für die Grundsteuer flächendeckend erhobenen individuellen Immobiliendaten für andere Zwecke weiterverwendet werden?

Dr. Werner Pfeil