Delinquenzkarrieren frühzeitig verhindern – was unternimmt die Landesregierung gegen die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen?

Vor allem in der Ruhrgebiets-Städteregion existiert eine auffällig hohe Kriminalität, die im Zusammenhang mit polizeibekannten Clanfamilien steht. In der jüngsten Vergangenheit kam es unter anderem zu größeren Tumultlagen wie in Essen oder in Duisburg, bei welchen auch Kinder und Jugendliche in Gefahr geraten können oder als Täter auftreten. Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen setzt verstärkt auf repressive oder präventiv-polizeiliche Maßnahmen, um gegen kriminelle Clans in Nordrhein-Westfalen vorzugehen. Immer wieder gibt es auch Berichte über Kinder und Jugendliche aus diesen Familien, welche in diesen kriminellen Strukturen sozialisiert werden und oftmals zum Intensivtäter oder zur Intensivtäterin heranwachsen.

Neben strafrechtlichen oder präventiv-polizeilichen Maßnahmen bestehen jugendschutz- und familienrechtliche Reaktionsmöglichkeiten, um auf dieses Phänomen zu reagieren. Nach  § 1666 I, III BGB kann das Familiengericht erforderliche Maßnahmen anordnen, um eine Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes abzuwenden, sofern seine Eltern hierzu nicht willens oder in der Lage sind. Zu den Anordnungen, die im Zusammenhang mit Kriminalitätsprozessen bei Kindern und Jugendlichen denkbar sind, zählt das Gebot, Beratungsangebote der Jugendämter in Anspruch zu nehmen. Im Extremfall können auch familiengerichtliche Anordnungen getroffen werden, um Kinder und Jugendliche aus einem für ihre Entwicklung abträglichen kriminellen familiären Umfeld herauszulösen und unterzubringen.

In der Praxis war die Frage bislang jedoch strittig, ob die Kriminalität von Eltern oder Geschwistern die Schwelle zur Kindeswohlgefährdung überschreiten kann. Eine zur Untersuchung dieser Frage eingesetzte Expertenkommission ist zu dem Ergebnis gekommen, dass von Kriminalität geprägte Familien eine Kindeswohlgefährdung darstellen können.

Nordrhein-Westfalens ehemaliger Justizminister Peter Biesenbach erklärte hierzu im Jahr 2019: „Wir werden die betroffenen Stadtteile intensiv im Blick haben und Clankriminalität systematisch bekämpfen.[…] Wir lassen das Verfassungsrecht derzeit intensiv prüfen, um zu sehen, was man noch machen kann. Ich habe eine Liste mit Wünschen. […]. Dazu zählt unter anderem, Kinder aus der Obhut krimineller Clans zu nehmen. Wenn es für das Kindeswohl gut ist, habe ich da keine Bedenken“.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Wie bewertet die Landesregierung die Kindeswohlgefährdung durch kriminelle (familiäre) Organisationen?
  2. Was unternimmt die Landesregierung, um Kinder und Jugendliche aus kriminellen Strukturen zu lösen?
  3. Wie viele Kinder wurden seit der Aussage des Justizministers aus Nordrhein-Westfalen aus der Obhut von kriminellen Clans genommen?
  4. Welche präventiven Maßnahmen führt die Landesregierung durch, um Kinder und Jugendliche vor einer Delinquenzkarriere zu bewahren?
  5. In welcher Form und in welchem Umfang werden Akteure der Kinder- und Jugendhilfe in NRW und besonders in betroffenen Teilen des Landes bei dem Umgang mit Kindeswohlgefährdungen in kriminellen Organisationen sowie Clans unterstützt?

Marcel Hafke
Marc Lürbke