Den europäischen Katastrophenschutz durch NRW-Initiativen stärken – Nordrhein-Westfalen muss sein Schweigen brechen und weiter europäische Solidarität zeigen!
I. Ausgangslage
Im Sommer 2023 wüteten zuletzt unkontrollierte Feuer in Griechenland. Teile des Landes mussten evakuiert werden, große Teile von Nationalparks wurden zerstört. Als Reaktion darauf mobilisierte die EU Löschflugzeuge, Hubschrauber und zusätzliche technische Ressourcen. Auch Deutschland sowie weitere Länder der EU sandten Hilfeleistungen nach Griechenland.
Die sich jährlich wiederholenden Waldbrände großen Ausmaßes machen deutlich: Es handelt sich hier nicht um einmalige Katastrophenereignisse, sondern um Katastrophenszenarien, die in Europa Zukunft häufiger auftreten werden. Der Katastrophenschutz bedarf daher einer stärkeren europäischen Koordination und Hilfeleistung.
Die Renew Europe-Fraktion im Europäischen Parlament wird für den Jahreshaushalt 2024 eine Erhöhung des Etats für den EU-Katastrophenschutzmechanismus um 70 Mio. Euro fordern. Der hierfür zuständige EU-Kommissar Janiz Lenarcic verlangte in einem Interview vom 31. Juli 2023 zudem die Anschaffung zusätzlicher Löschflugzeuge. In diesem Gespräch bestätigte EU-Kommissar Lenarcic, dass die Waldbrandsaison in den vergangenen Jahren früher beginne und immer später ende. Darüber hinaus dehne sich die Gefahrenzone für Waldbrände aus, in Deutschland nämlich auch in solche Regionen, in denen es lange Jahre keine Waldbrände gegeben habe. Bereits im vergangenen Jahr sei europaweit 250 Prozent mehr Wald verbrannt als im langfristigen Durchschnitt.
Die EU reagierte auf diesen Trend und verdoppelte ihre „RescEU“-Flotte daraufhin für diesen Sommer auf 24 Löschflugzeuge und sechs Hubschrauber. In den kommenden Jahren sollen weitere neun Hubschrauber und zwölf Flugzeuge geleast werden. EU-Kommissar Lenarcic ist sich sicher: Bedingt durch den Klimawandel werde die Frequenz und Intensität extremer Wettereignisse in den kommenden Jahren ständig zunehmen, sodass ein weiterer Ausbau unserer Kapazitäten dringend notwendig sei. Es sei jetzt an der Zeit, dass wir als EU vor die Lage kämen und nicht immer aufholen müssten.
Aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2185 „Welche Rolle spielt Nordrhein-Westfalen bei der europäischen Waldbrandbekämpfung?“ ging hervor, dass das Land Nordrhein-Westfalen für den Waldbrandschutz nach Vorgaben der EU ein zertifiziertes „Ground Forest Firefighting Using Vehicles (GFFF-V) Modul“ bereithält. Dieses kann nach Vorgaben des EU-Katastrophenschutzmechanismus angefordert werden. In den Jahren 2021-2023 wurden von verschiedenen EU-Mitgliedstaaten Unterstützungsanfragen für GFFF-V Module eingestellt. Nordrhein-Westfalen hält an dem zertifizierten Waldbrandbekämpfungsmodul nach europäischem Standard fest und beabsichtigt das vorhandene Modul weiter auszubauen. Ein einzelnes Modul zur Waldbrandbekämpfung reicht nur leider nicht aus. Hier muss sich das Land Nordrhein-Westfalen stärker engagieren und seine Kapazitäten ausbauen.
Auf europäischer Ebene muss außerdem der derzeit vorhandene europäische Katastrophenschutzmechanismus weiterentwickelt werden. Ob man es in Nordrhein-Westfalen mit der europäischen Solidarität ernst meint, zeigt sich nun am Handeln oder Unterlassen der Landesregierung:
In den vergangenen Jahren hat auf EU-Ebene die Generaldirektion Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe - in Brüssel bekannt als DG Echo - zwar schon an Bedeutung gewonnen. Aber das ist nicht genug. Die jüngste Krisenserie hat in den Mitgliedstaaten das Bewusstsein geschaffen, dass es Situationen gibt, in denen spontan organisierte bilaterale Hilfe nicht aus reicht. Vor diesem Hintergrund hat sich nun die Idee einer strategischen Reserve auf europäischer Ebene durchgesetzt. Nordrhein-Westfalen ist aufgefordert, diese Idee der strategischen Reserve aktiv nach vorne zu tragen und durch geeignete Initiativen zu unterstützen.
So wäre ein Engagement des Landes Nordrhein-Westfalen im rescEU-Bereich "Transport und Logistikkapazität" äußerst hilfreich. Mit Ausnahme Polens ist dort derzeit kein europäischer Akteur aktiv. Ein Standortvorteil für Nordrhein-Westfalen ergibt sich aus der Tatsache, dass die in Bonn ansässige DHL für die Vereinten Nationen bereits Logistikkapazität in Notsituationen bereitstellt (gohelp-Programm) und man ein ähnliches EU-Modul daran andocken könnte. Weitere Vorteile ergeben sich daraus, dass neben DHL mit dem THW und dem BBK auch wichtige staatliche Akteure bereits in Bonn sind und mit dem Flughafen Köln/Bonn ein internationales Drehkreuz zur Verfügung steht. Außerdem stärkt man durch diese Maßnahme den Standort Bonn und dessen internationale Ausrichtung.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Der Ausbau des Katastrophenschutzes auf EU-Ebene als auch im Angebotsaufbau durch die Mitgliedsstaaten erweist sich als sinnvoll.
- Der Aufbau eigener EU-Einheiten für die Unterstützung in Katastrophenfällen ist angesichts der aktuellen Entwicklung erforderlich.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass die Koordination der Katastrophenhilfe auf EU-Ebene als auch im Angebotsaufbau durch die Mitgliedstaaten weiter gestärkt wird,
- sich dafür einzusetzen, dass Deutschland genauso viele Einheiten im European Civil Protection einsetzt wie Frankreich, dass doppelt so viele Einheiten bereithält,
- ein Engagement des Landes Nordrhein-Westfalen im rescEU-Bereich "Transport und Logistikkapazität" am Standort Bonn zu prüfen und das Prüfergebnis bis Ende Sommer 2024 dem Landtag mitzuteilen,
- sich im Ausschuss der Regionen für eine Stärkung des europäischen Katastrophenschutzes, für den Aufbau eigener EU-Einheiten sowie für die Unterstützung der Mitgliedstaaten in Katastrophenfällen einzusetzen.