Die Energiewende braucht eine Kurskorrektur - Jetzt zu Marktwirtschaft und Kosteneffizienz zurückkehren!

I.          Ausgangslage 

Das Leitbild der Energiepolitik muss eine Balance zwischen Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit sein. Nur wenn dieses energiepolitische Zieldreieck in Einklang gebracht wird, lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes langfristig sichern. Eine verlässlich austarierte Energieversorgung gewährleistet stabile Produktionskosten und schafft Investitionssicherheit. Sie ist Fundament für wirtschaftliches Wachstum, für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie für allgemeinen Wohlstand. Gleichzeitig schützt sie Verbraucherinnen und Verbraucher vor übermäßig schwankenden oder dauerhaft hohen Energiepreisen, trägt zur sozialen Stabilität bei und ebnet den Weg in eine klimaneutrale Zukunft.

Doch dieses Gleichgewicht ist in den vergangenen Jahren massiv ins Wanken geraten. Die Prinzipien der Marktwirtschaft stehen in der Energiepolitik durch stetig steigende Staatsausgaben und Subventionen, ein veraltetes Marktdesign sowie regulatorische Eingriffe in Form von politisch festgelegten, technologiespezifischen Ausbaupfaden und dem Ausschluss alternativer technologischer Optionen zunehmend unter Druck.    

Die Folgen dieser Schieflage sind offensichtlich: Deutschland weist im internationalen Vergleich einen der höchsten Strompreise auf. Hohe Energiekosten sind neben Bürokratiebelastung und Fachkräftemangel die zentrale wirtschaftliche Herausforderung für Unternehmen. Das Energiewende-Barometer der deutschen Industrie- und Handelskammer bestätigt dazu: 41 Prozent aller Unternehmen und sogar 63 Prozent der Industriebetriebe sehen sich durch die hohen Energiepreise vor allem gegenüber ihren internationalen Konkurrenten benachteiligt. Inzwischen schränkt mehr als jedes zweite große Industrieunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern (59 Prozent) aufgrund der hohen Energiekosten seine Produktion im Inland ein, beziehungsweise plant es zu tun. Aus diesem Kontext wird sich auch ein bedeutender Teil der 3190 Unternehmensinsolvenzen erklären lassen, die Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2025 verzeichnen musste.

Auch die Versorgungssicherheit steht zunehmend infrage. Der jüngste Bericht der Bundesnetzagentur weist darauf hin, dass bis 2035 je nach Szenario zusätzliche 22,4 bis 33,5 Gigawatt an steuerbarer Leistung erforderlich sein werden, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten, doch unter den aktuellen Rahmenbedingungen bleiben private Investoren hierzu aus. Für Nordrhein-Westfalen verschärft sich die Lage durch den auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg noch einmal erheblich, denn die notwendigen Ersatzkapazitäten sind immer noch nicht geschaffen.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen und einer weiterhin angespannten konjunkturellen Lage – das prognostizierte BIP Wachstum für Nordrhein-Westfalen verharrt nach zwei Rezessionsjahren bei marginalen 0,1 Prozent - ist es wenig verwunderlich, dass sich zunehmend Stimmen mehren, die eine grundsätzliche Kurskorrektur in der Energiepolitik fordern: Am 15.09.2025 veröffentliche Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche einen von ihrem Ministerium beauftragten Monitoringbericht zum Stand der Energiewende sowie zehn daraus abgeleitete Schlüsselmaßnahmen. Kurz zuvor hatte bereits die Deutsche Industrie- und Handelskammer eine eigene Studie unter dem Titel „Neue Wege für die Energiewende ('Plan B')“ veröffentlicht. Beide Publikationen kommen zu einem eindeutigen Ergebnis: Es wurden zwar beachtliche Fortschritte beim Ausbau erneuerbarer Energien erzielt, doch die Kosten der Energiewende drohen zunehmend aus dem Ruder zu laufen. Die Energiepolitik muss grundsätzlich umgestaltet werden, eine Neuorientierung auf die Prinzipien Marktwirtschaft, Kosteneffizienz, Technologieoffenheit und Pragmatismus ist dringend erforderlich, Fehlinvestitionen und Überregulierung gilt es zu verhindern. Bundeswirtschaftsministerin Reiche sieht die Energiewende angesichts dieser Herausforderung sogar „am Scheideweg“.

II.         Handlungsnotwendigkeit 

Die Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Prinzipien in der Energiepolitik verlangt nach einer ganzen Reihe von Reformen. Zentrale Aufgabe ist jedoch zunächst die Modernisierung des Strommarkt-Designs. Inzwischen bildet sich der Strompreis nicht mehr ausschließlich anhand der Kosten elektrischer Arbeit und den Grenzkosten der Kraftwerke. Erneuerbare Energien weisen zwar keine Brennstoff- oder CO₂-Kosten auf, stellen den Strommarkt und die Versorgungssicherheit aber durch ihre wetter- und tageszeitabhängige, volatile Erzeugung vor eine besondere Herausforderung. Zu manchen Zeiten übersteigt die installierte Leistung aus Photovoltaik und Windanlagen den realen Bedarf und der Strom muss exportiert oder die Anlagen heruntergeregelt werden. In Phasen mit geringer Sonneneinstrahlung und Windkraft entstehen dagegen erhebliche Versorgungslücken, die bislang nur durch fossile Erzeuger oder Importe geschlossen werden können. Die bisherige Vorstellung, dass Strom aus erneuerbaren Energien dauerhaft zum Nulltarif zur Verfügung steht, greift deshalb zu kurz. Im Gesamtsystem entstehen hohe Kosten für Netze, Speicher, Infrastruktur und gesicherte Reservekapazitäten.

Um eine verlässliche Versorgung zu gewährleisten und Investitionen in flexible, steuerbare Leistung anzureizen, ist daher ein Kapazitätsmechanismus notwendig, der den Handel mit der Bereitstellung und Vorhaltung von Erzeugungsleistung ermöglicht. Dieser Mechanismus muss diskriminierungsfrei gegenüber allen Technologien ausgestaltet und mit europarechtlichen Anforderungen vereinbar sein. Ein technologieoffener Kapazitätsmarkt bietet die Chance, marktseitig und netzseitig Versorgungssicherheit zu stärken sowie Investitions- und Planungssicherheit zu gewährleisten. Für eine möglichst schnelle Umsetzung gilt es, die Erfahrungen europäischer Partner, wie etwa des Vereinigten Königreichs, miteinzubeziehen und Bewährtes zu übernehmen.   

Damit ein Kapazitätsmarkt seine volle Wirkung entfalten kann, müssen Anbieter frei entscheiden können, mit welchen Technologien sie gesicherte Leistung bereitstellen. Politisch festgelegte technologiespezifische Ausbauziele engen die Spielräume ein und verhindern kosteneffiziente Lösungen. Notwendig ist daher konsequente Technologieoffenheit und die Abkehr von einer staatlich gesteuerten Technologiewahl.

Durch gezielte Forschungs- und Innovationsförderung lassen sich Entwicklung, Skalierung und Kostensenkung neuer Technologien beschleunigen. Dazu gehören unter anderem Tiefengeothermie, Wasserstoff in allen Herstellungsvarianten, Fusionsenergie sowie Carbon Capture, Utilisation and Storage (CCS/CCU). Überregulierte Vorgaben – wie die enge Definition von „grünem Wasserstoff“ auf EU-Ebene – müssen durch pragmatische, praxisgerechte Kriterien ersetzt werden.

Für den erfolgreichen Wasserstoffhochlauf ist zudem eine schnellere, stufenweise Umsetzung des Wasserstoff-Kernnetzes notwendig, verbunden mit dem Aufbau internationaler Importkorridore (ZARA-Häfen) und abgestimmt auf die Entwicklung der Nachfrageseite. Dasselbe gilt für die heimische Produktion. Anstatt starre Elektrolyseur-Ausbauziele vorzugeben, sollten sich die Standorte und Kapazitäten an den real nachgefragten Bedarfen und Rohstoffverfügbarkeiten (Wasser und Strom) orientieren. Auch CCS/CCU-Technologien müssen regulatorisch voll integriert werden, damit gerade emissionsintensive Branchen wie Zement oder Chemie, aber auch Energieerzeuger, Zugang zu Infrastruktur und klare Rahmenbedingungen für Transport und Speicherung von CO₂ erhalten.

Die Energiewende kann nur dann kosteneffizient und versorgungssicher gelingen, wenn Erzeugung, Speicher, Netze und Verbrauch besser aufeinander abgestimmt werden. Durch eine gezielte räumliche Steuerung des Ausbaus von Erneuerbaren-Anlagen und Speichern können Anschlüsse beschleunigt, die nutzbare Einspeisung erhöht, Erzeugungsspitzen aufgefangen und der Netzausbau bedarfsgerechter optimiert werden. Ebenso kann die systematische Einbindung flexibler Verbraucher (Haushalte und Gewerbe) und innovativer Betriebsmodelle in die Netzplanung helfen, Kosten zu reduzieren und den Netzausbau effizienter zu gestalten.

Zur Umsetzung der beschriebenen, verbesserten räumlichen Koordinierung, schlägt der Monitoringbericht des BMWE vor, „Kriterien für eine systemdienliche Standortwahl“ zu definieren – etwa die Nähe zu Netzengpässen oder Lastzentren. Wo mehrere dieser Faktoren zusammenfallen, können Infrastrukturen gebündelt und gemeinsam genutzt werden. Dies könnte über verschiedene Instrumente angereizt werden: Regionale Ausschreibungen, differenzierte Baukostenzuschüsse oder eine integrierte Flächen- und Netzplanung mit höherer Transparenz über verfügbare Netzkapazitäten.

Doch auch beim Netzausbau selbst gilt es, Geschwindigkeit und Effizienz zu erhöhen. Eine Möglichkeit stellt die Aufhebung des Erdkabelvorrangs bei Verteilnetzen dar. Die RED-III-Richtlinie bietet zudem auf europäischer Ebene konkrete Möglichkeiten, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu vereinfachen. Entscheidend ist eine stringente Umsetzung in nationales Recht, ohne Sonderwege oder “Goldplating”.

Ein weiterer Kostentreiber für die Energiewende ist das derzeitige Subventions- und Förderregime, insbesondere im Hinblick auf Erneuerbare Energien, die auch ohne Förderung bereits wirtschaftlich betrieben werden können. Dieses gilt es grundlegend auf seinen volkswirtschaftlichen Nutzen hin zu überprüfen und auf das absolut notwendige Maß zu begrenzen. Die von Bundeswirtschaftsministerin Reiche angekündigte, konsequente Abschaffung der fixen Einspeisevergütung sowie die vollständige Beendigung der Vergütung bei negativen Preisen sind in diesem Zusammenhang richtige erste Schritte. Auch landesseitig ist dahingehend eine vollständige Überprüfung der bestehenden Förder- und Subventionsmaßnahmen geboten. Strompreise müssen primär durch Marktmechanismen bestimmt werden, nicht durch dauerhafte staatliche Eingriffe oder künstliche Preissteuerung. Dementsprechend sind auch alle staatlichen Preisbestandteile in den Energiepreisen weitestgehend abzuschaffen oder auf ein Minimum zu reduzieren, wie etwa die Stromsteuer. Anstelle der komplexen Förder- und Subventionslogik soll der europäische Emissionshandel als einzig marktwirtschaftliches Instrument zur Erreichung der Klimaneutralität dafür sorgen, dass effiziente und emissionsarme Technologien wettbewerbsfähig werden.

Die Digitalisierung des Energiesystems eröffnet enorme Potenziale für Effizienz, Flexibilität und Versorgungssicherheit. Digital gesteuerte Nachfrageflexibilität, intelligente Netze und digitale Messsysteme sind Schlüsselinstrumente, um Angebot und Nachfrage besser aufeinander abzustimmen, Netz- und Erzeugungsengpässe abzufedern und eine präzisere Synchronisierung von Erneuerbaren, Speichern und Power-to-X Technologien zu ermöglichen. Variable Tarife oder dynamische Netzentgelte ermöglichen Verbrauchern so durch Anpassung ihres Verhaltens sowie den Einsatz von Batterien und Lastmanagementsystemen niedrigere Preise.

Voraussetzung hierfür ist ein beschleunigter, flächendeckender Rollout intelligenter Messsysteme (Smart Meter) und die Vereinfachung der Datennutzung für innovative Geschäftsmodelle sowie die vollständige Digitalisierung der Netzinfrastruktur. Denkbare Maßnahmen wären hier die Anreize für Messstellenbetreiber zu überarbeiten, etwa durch Belohnungen für Übererfüllung der Vorgaben, eine bessere Koordination der beteiligten Akteure, eine stärkere bundesweite Harmonisierung und die wirtschaftsfreundliche Anpassung bestehender Rechtsrahmen wie des Messstellenbetriebsgesetzes und der Datenschutz-Grundverordnung.

Langfristig ermöglicht die Digitalisierung den Übergang zu einem Smart-Contracting-Modell: Transaktionen können in Echtzeit mithilfe künstlicher Intelligenz und Distributed-Ledger-Technologien abgewickelt werden, bei stabilen Bilanzkreisen und niedrigstmöglichen Preisen. Zugleich können durch digitale Systeme auch regionale Unterschiede in der Netzauslastung und Stromversorgung sichtbar gemacht werden. Daraus ergibt sich perspektivisch der Übergang von einer einheitlichen Strompreiszone hin zu einem nodalen Preissystem, bei dem sich Preise am jeweiligen Netzknotenpunkt im europäischen Binnenmarkt bilden.

II.           Beschlussfassung 

Der Landtag stellt fest: 

  • Die bisherige politische Steuerung der Energiewende führt zu enormen gesamtgesellschaftlichen und individuellen Kosten und stellt somit eine langfristig nicht tragbare Belastung für Wirtschaft und Gesellschaft dar. Als energieintensives Bundesland ist Nordrhein-Westfalen in besonderem Maße davon betroffen.
  • Es braucht eine konsequente Neuausrichtung der Energiewende auf Marktwirtschaftlichkeit und Kosteneffizienz, die jüngsten Vorschläge der Bundesenergieministerin Reiche sind dafür eine geeignete Grundlage.
  • Erforderlich für diese Neuausrichtung sind unter anderem die Etablierung eines Kapazitätsmarktes, die Unterstützung vollkommener Technologieoffenheit, eine bessere Koordinierung von Erzeugern, Netzen, Speichern und Verbrauchern, eine Überprüfung und Verschlankung des Förder- und Subventionsregimes sowie eine konsequente Digitalisierung des Energiesystems.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung, 

  • sich für eine schnellstmögliche, pragmatische und bürokratiearme Etablierung eines Kapazitätsmarktes für Strom einzusetzen,
  • sich für einen technologieoffenen Ausbau stark zu machen,
  • Forschung und Innovation aller potenziell geeigneten Energietechnologien voranzutreiben und insbesondere für Wasserstoff und CCS/CCU praxisgerechtere Vorgaben für Einsatz und Infrastrukturausbau zu erstellen,
  • die räumliche Koordination bei der Standortwahl von Erzeugern, Netzen, Speichern und Verbrauchern durch geeignete Kriterien und Instrumente zu verbessern und notwendige Netzausbauten durch pragmatische Lösungen kosteneffizienter und schneller zu ermöglichen,
  • das gesamte landeseigene Förder- und Subventionsregime im Energiebereich auf den Prüfstand zu stellen und auf das absolut notwendige Maß zu begrenzen,
  • die Digitalisierung der Energiesysteme durch stärkere Anreizsetzung für Messstellenbetreiber, verbesserte Koordination, Harmonisierung, sowie Vereinfachung bestehender Rechtsnormen, konsequent zu beschleunigen.