Die KI-ta für Nordrhein-Westfalen – Künstliche Intelligenz für moderne und zukunfts-fähige frühkindliche Bildung

I. Ausgangslage

Die frühkindliche Bildung stellt eine zentrale Weichenstellung für den späteren Bildungserfolg und die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern dar. Nordrhein-Westfalen steht bei der Fortentwicklung der frühkindlichen Bildung aber vor großen Herausforderungen: Der Fachkräftemangel in Kitas verschärft sich kontinuierlich, die administrativen Anforderungen sind groß und viele Kinder benötigen gezielte Sprachförderung, um solide vorbereitet in der Grundschule starten zu können.

Die Anforderungen an die frühkindliche Bildung wachsen: Die Zahl der Kinder mit nicht-deutscher Familiensprache steigt und Studien zeigen, dass sprachliche Defizite schon vor der Einschulung zu gravierenden Nachteilen in der schulischen Entwicklung führen. Besonders besorgniserregend ist, dass viele Kinder insbesondere in sozioökonomisch benachteiligten Stadtteilen aufgrund von Sprachbarrieren oder bürokratischen Hürden nur unzureichenden Zugang zu frühkindlichen Bildungsangeboten haben. Doch auch Kinder aus deutschsprachigen Familien sind betroffen: In bildungsfernen Haushalten mangelt es häufig an sprachlicher Anregung, Vorlesen und aktivem Sprachgebrauch im Alltag – mit der Folge, dass auch hier regelmäßig erhebliche Sprachdefizite auftreten. Frühzeitige und gezielte Förderung ist daher für alle Kinder – unabhängig von ihrer Herkunftssprache – essenziell, um faire Bildungschancen zu gewährleisten.

Die aktuellen Bildungsberichte verdeutlichen zudem, dass Nordrhein-Westfalen in der Sprachförderung erhebliche Defizite aufweist. So zeigen die Schuleingangsuntersuchungen in mehreren Städten, dass knapp die Hälfte der Erstklässlerinnen und Erstklässler sprachliche Auffälligkeiten aufweisen. Ein bedeutender Anteil dieser Kinder wird als behandlungsbedürftig eingestuft. Ohne gezielte Fördermaßnahmen führt dies zu verstärktem Unterstützungsbedarf in der Grundschule, was wiederum die Belastung des gesamten Bildungssystems erhöht.

Gleichzeitig leiden die pädagogischen Fachkräfte, insbesondere die Leitungskräfte, unter hohen administrativen Belastungen, die wertvolle Zeit für die direkte pädagogische Arbeit binden. Die Anforderungen an Dokumentation, Elternkommunikation und interne Organisation steigen kontinuierlich, während der Betreuungsschlüssel häufig unzureichend ist. In vielen Einrichtungen kommt es daher zu Engpässen, die sich direkt auf die Betreuungsqualität auswirken.

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bietet große Potenziale, um den vorgenannten Herausforderungen entgegenzuwirken. KI-gestützte Technologien können helfen, administrative Aufgaben zu automatisieren und so die Fachkräfte spürbar zu entlasten. Gleichzeitig ermöglicht KI innovative Ansätze in der Sprachförderung, etwa durch personalisierte Lernangebote oder digitale Übersetzungsdienste, die die Kommunikation zwischen pädagogischem Personal und nicht-deutschsprachigen Eltern erleichtern.

Einige Pilotprojekte, die durch verschiedene Träger in ihren Einrichtungen angestoßen wurden, zeigen bereits vielversprechende Ergebnisse: Digitale Sprachförderprogramme helfen, individuelle Defizite frühzeitig zu erkennen und gezielt zu adressieren. KI-gestützte Übersetzungs-Apps erleichtern Elterngespräche und tragen zur besseren Integration von Familien mit Migrationshintergrund bei. Gleichzeitig ermöglichen KI-gestützte Verwaltungsplattformen eine effizientere Organisation von Anmeldungen, Dienstplänen und Dokumentationen, wodurch wertvolle pädagogische Ressourcen freigesetzt werden können.

Darüber hinaus zeigen erste Praxiserfahrungen, wie sich KI-Anwendungen direkt im Kita-Alltag bewähren können. So unterstützt etwa ein digitaler Assistent auf Basis von Künstlicher Intelligenz pädagogische Fachkräfte bei der Planung des Tagesablaufs, der Erstellung von Wochenplänen oder der Dokumentation individueller Lernfortschritte. Durch Spracherkennung und intuitive Bedienung können diese Systeme nahezu nebenbei genutzt werden – ganz ohne zusätzlichen Aufwand. In einem Berliner Modellprojekt berichten Erzieherinnen und Erzieher von einer spürbaren Entlastung und gleichzeitig besseren Möglichkeiten zur gezielten Beobachtung und Förderung der Kinder. Diese ersten Erfahrungen zeigen eindrucksvoll, dass KI nicht als Ersatz, sondern als kollegiale Unterstützung verstanden werden kann, die die pädagogische Qualität erhöht und den Fachkräften mehr Zeit für das Wesentliche verschafft: die Arbeit mit den Kindern.

Auch KI-Sprachmodelle wie ChatGPT, Copilot oder ähnliche eröffnen neue Wege für den pädagogischen Alltag. So können KI-Sprachmodelle beispielsweise bei der Erstellung altersgerechter Lern- und Spielmaterialien unterstützen, pädagogische Konzepte in leicht verständlicher Sprache aufbereiten oder Elterninformationen mehrsprachig formulieren. Darüber hinaus bietet die Technologie die Möglichkeit, individuelle Förderpläne auf Basis eingegebener Beobachtungsdaten zu formulieren oder Ideen für kreative Gruppenaktivitäten zu generieren. Auch bei der internen Weiterbildung können KI-Sprachmodelle als dialogbasierte Lernbegleitung fungieren, die pädagogischen Fachkräften niedrigschwellig Zugang zu Fachwissen und didaktischen Methoden verschafft. Damit wird Künstliche Intelligenz zu einem flexiblen Werkzeug, das die Eigenverantwortung und Professionalität der Fachkräfte stärkt und zugleich die Qualität frühkindlicher Bildungsprozesse unterstützt.

Gerade die sensiblen Entwicklungsbereiche der frühen Kindheit – das kreative Spiel, das Erlernen sozialen Verhaltens außerhalb der Familie und die Begleitung emotionaler Reifung in einem geborgenen Umfeld – dürfen nicht eingeschränkt, sondern müssen besonders geschützt und gestärkt werden. Ziel des KI-Einsatzes ist es daher nicht, diese pädagogisch wertvollen Momente zu verdrängen, sondern im Gegenteil: Die Entlastung durch KI bei Verwaltungs- und Dokumentationsaufgaben soll den Erzieherinnen und Erziehern wieder mehr Zeit und Aufmerksamkeit für genau diese Kernaufgaben ermöglichen. Künstliche Intelligenz ist dabei als unterstützendes Werkzeug gedacht, das Raum schafft für Beziehung, Kreativität und persönliche Zuwendung – die essenziellen Grundlagen frühkindlicher Bildung.

Gleichzeitig muss der Einsatz von KI in Kindertageseinrichtungen stets mit höchster Sensibilität für Datenschutz und Datensicherheit erfolgen. Die Verarbeitung personenbezogener Daten, insbesondere von Kindern, erfordert klare rechtliche Rahmenbedingungen und technische Vorkehrungen, um eine ungewollte Datenweitergabe zu verhindern. Es gilt den Grundsatz der Datensparsamkeit zu beachten und sicherzustellen, dass KI-Anwendungen transparent, nachvollziehbar und verantwortungsvoll eingesetzt werden. Nur so kann das Vertrauen von Eltern, Fachkräften und Trägern in digitale Innovationen dauerhaft gestärkt werden.

Der Begriff „KI-ta“ steht sinnbildlich für eine Kita der Zukunft, die sich die Potenziale Künstlicher Intelligenz zunutze macht, um sowohl Kinder als auch Fachkräfte optimal zu unterstützen. Eine moderne KI-ta kann individualisierte Lernangebote bereitstellen, Sprachfördermaßnahmen gezielt steuern und administrative Prozesse effizienter gestalten. Sie bietet damit eine innovative Antwort auf die wachsenden Herausforderungen im frühkindlichen Bildungsbereich und stellt sicher, dass pädagogische Fachkräfte ihre Zeit und Energie primär der Förderung der Kinder widmen können.

Darüber hinaus bietet KI erhebliche Potenziale zur gezielten Förderung, nicht nur von Kindern aus sozial und sprachlich herausfordernden Kontexten, sondern besonders auch für (hoch-) begabte Kinder in der frühkindlichen Bildung. Durch adaptive Lernsysteme, die sich dem individuellen Entwicklungsstand und den kognitiven Fähigkeiten der Kinder anpassen, können gezielt anspruchsvolle und fördernde Lerninhalte bereitgestellt werden. KI-gestützte Analyseverfahren ermöglichen es den Fachkräften, frühzeitig Begabungen in verschiedenen Bereichen wie Mathematik, Sprache, logischem Denken oder kreativem Ausdruck zu identifizieren und gezielt zu fördern. Zudem kann KI die pädagogischen Fachkräfte entlasten, indem sie Vorschläge für differenzierte Bildungsangebote macht und geeignete Methoden zur Förderung vorschlägt. Dies stärkt die individuelle Förderung jedes Kindes und trägt dazu bei, dass auch hochbegabte Kinder frühzeitig passende Lernanreize erhalten, ohne dass dies zu einer zusätzlichen Arbeitsbelastung für das pädagogische Personal führt.

Unabhängig von einem konkreten Förderbedarf bietet der frühzeitige Einsatz digitaler Inhalte und KI-basierter Anwendungen in der pädagogischen Arbeit mit Kindern einen zukunftsorientierten Mehrwert. Digitale Technologien werden das Leben heutiger Kita-Kinder in Schule, Ausbildung und Beruf dauerhaft prägen. Ein früher, spielerischer Zugang zu grundlegenden digitalen Kompetenzen stärkt nicht nur die Medienbildung, sondern fördert auch ein erstes Verständnis für Funktionsweisen von Künstlicher Intelligenz – etwa durch interaktive Lernspiele, Spracherkennungsfunktionen oder adaptive Lernsysteme. Kinder entwickeln so auf natürliche Weise eine reflektierte und kreative Haltung im Umgang mit digitalen Werkzeugen. Diese digitale Basiskompetenz ist eine wichtige Voraussetzung für Teilhabe in einer zunehmend technologiegeprägten Gesellschaft und sollte daher integraler Bestandteil frühkindlicher Bildungsangebote sein.

Dennoch fehlt es bisher an einer flächendeckenden Strategie für den KI-Einsatz in Kitas in Nordrhein-Westfalen. Die aktuelle Novellierung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) bietet die Chance, KI als integralen Bestandteil der frühkindlichen Bildung zu verankern und Förderung zu ermöglichen.

Es braucht eine klare politische Initiative, um die Potenziale von KI in der frühkindlichen Bildung nutzbar zu machen. Dabei müssen Datenschutz, ethische Standards und pädagogische Qualitätsanforderungen gewährleistet bleiben. Ohne gezielte Maßnahmen droht NRW den Anschluss an moderne Bildungsinnovationen zu verlieren und Kinder mit besonderem Förderbedarf nicht ausreichend zu unterstützen.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Kindertageseinrichtungen bietet erhebliche Chancen für die frühkindliche Bildung – insbesondere in den Bereichen der Sprachförderung, individuellen Förderung und administrativen Entlastung. Sowohl freie und kommunale Träger als auch einzelne Kindertagesstätten und die Kindertagespflege können durch den gezielten Einsatz von KI-Anwendungen ihre pädagogische Arbeit effizienter gestalten, Bildungsqualität verbessern und Fachkräfte wirksam unterstützen.
  • Die Novellierung des Kinderbildungsgesetzes sollte genutzt werden, um klare rechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Kitas zu schaffen und bestehende Datenschutzregelungen im Hinblick auf neue technologische Entwicklungen zu überprüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln.
  • Der verantwortungsvolle Einsatz von KI in der frühkindlichen Bildung muss unter Berücksichtigung von Datenschutz, Transparenz und pädagogischer Sinnhaftigkeit erfolgen.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung, 

  • die Förderung von KI-gestützten Sprachförder- und Verwaltungsanwendungen in Kitas und in der Kindertagespflege zu ermöglichen, um pädagogische Fachkräfte spürbar zu entlasten und mehr Zeit für die direkte Bildungsarbeit zu schaffen; diese Ziele sind bei der anstehenden Novellierung des Kinderbildungsgesetzes NRW zu berücksichtigen.
  • die Entwicklung einer digitalen Plattform zu fördern, die KI-gestützte Übersetzungen für Elterngespräche, mehrsprachige Erklärvideos sowie interaktive Sprachförderangebote bereitstellt.
  • pädagogische Fachkräfte gezielt in der Nutzung von KI-Anwendungen zu schulen und den Zugang zu digitalen Fortbildungsangeboten zu ermöglichen.
  • die Integration von KI-gestützten Analysetools zur frühzeitigen Erkennung von Sprachförderbedarf in den Bildungs- und Förderkonzepten der Kitas zu verankern.
  • digitale Diagnosetools und adaptive Lernplattformen zur frühzeitigen Erkennung und individuellen Förderung besonders förderbedürftiger und begabter Kinder in Kitas ebenfalls zu verankern.
  • den frühzeitigen, spielerischen Erwerb digitaler Basiskompetenzen als Bestandteil frühkindlicher Bildungsangebote zu fördern und hierfür geeignete KI-basierte Anwendungen gezielt in den pädagogischen Alltag zu integrieren, um Kinder auf eine zunehmend digitale Lebens- und Bildungswelt vorzubereiten.
  • die Entwicklung eines datenschutzrechtlichen Rahmenkonzepts für den Einsatz von KI-Anwendungen in Kindertageseinrichtungen zu initiieren, das klare Vorgaben zur Datenverarbeitung, Datenweitergabe und Datenspeicherung enthält und den besonderen Schutzbedürfnissen von Kindern Rechnung trägt. Dabei sollen Prinzipien wie Datensparsamkeit, Transparenz und elterliche Zustimmung zentral berücksichtigt werden.