Die Landesregierung muss das Sterben freier Theaterhäuser in NRW verhindern!

I. Ausgangslage

Die Freie Theater Szene ist ein wichtiger Teil der Deutschen Kulturlandschaft. Häufig ist sie Impulsgeber für ein modernes, offenes und ästhetisches Theater. Sie nimmt inhaltliche und künstlerische Strömungen aus ihrem Umfeld ebenso wie aus internationaler Kunstproduktion auf. Akteurinnen und Akteure der Freien Darstellenden Künste entwerfen für ein breites und generationenübergreifendes Publikum Theaterabende, Performances, Tanzstücke, Audiospaziergänge, Figurentheater, Neuen Zirkus und viele weitere Genres und Formate. Sie erproben neue Perspektiven, eröffnen Spiel- und Erfahrungsräume und schaffen lokale Öffentlichkeiten. Dies alles funktioniert nicht ohne physische Orte, an denen diese Kunst sichtbar werden kann: Die Produktionshäuser und Spielstätten der Freien Szene. Diese Häuser stehen unter einem großen strukturellen Druck:

Sowieso schon knapp ausgestattet, stehen sie nicht nur wachsenden Kosten durch Inflation und steigende Miet- und Energiepreise gegenüber, sondern auch der verbindlichen Einführung von Mindesthonoraren. Diese sollen, Nordrhein-Westfalen-weit für freiberufliche Künstlerinnen und Künstler ab dem 01.01.2026 gelten, ohne dass deren Gegenfinanzierung gesichert ist. Wird die Vergabe von Landesförderung an Häuser ohne entsprechende Erhöhungen an die Einhaltung von Honoraruntergrenzen gebunden, können weniger Künstlerinnen und Künstler in ihrer Arbeit unterstützt und weniger Aufführungen gezeigt werden.

Ein gänzlich blinder Fleck in der nordrhein-westfälischen Debatte um faire Bezahlungen sind jedoch die Festangestellten in den Häusern. Für sie greift weder eine echte Tarifverpflichtung noch die Honoraruntergrenzen-Empfehlung. Einzige Begrenzung nach unten ist hier der gesetzliche Mindestlohn, der jedoch als Bemessungsgrundlage für Fach- und Leitungspersonal indiskutabel sein sollte.

Gerade in Anbetracht aktueller Diskussionen um die Verschlankung von Overheadstrukturen bleibt festzustellen, dass eine Kulturlandschaft nicht ohne eine solide finanzierte Struktur, ohne Personen mit betriebswirtschaftlichen und Verwaltungskenntnissen, arbeiten kann.

Es ist leider festzustellen, dass die Förderung bei einigen kleineren Einrichtungen noch nicht einmal für sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse ausreicht, hier also mit sehr prekären Ansätzen gearbeitet wird. Soll den Häusern auch weiterhin gut ausgebildetes, motiviertes Personal zur Verfügung stehen, gibt es dringenden Handlungsbedarf. Es steht akut zu befürchten, dass Freie Theaterhäuser aufgrund der beschriebenen Belastungen ihr Angebot reduzieren oder im schlimmsten Fall den Betrieb ganz einstellen müssen. Das wäre ein Verlust nicht nur für die Kulturlandschaft, sondern auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Nordrhein-Westfalen.

Die Freien Bühnen schaffen Identifikation der Menschen mit ihrem Wohnort, sorgen für ein Gefühl von Heimat und schaffen Verbundenheit. Kulturelle Aufführungen rufen unterschiedliche Emotionen hervor und unterstützen damit eine ausgewogene Gefühlslage. Auf der anderen Seite ermöglicht Theater, sich in unterschiedliche Rollen und Lebensmodelle hineinzufühlen. Es diskutiert verschiedenste Fragestellungen und Situationen. So können sich die Zu-
schauerinnen und Zuschauer unkompliziert mit verschiedenen Sichtweisen auseinandersetzen. Das legt eine wichtige Grundlage für das Gelingen von Demokratie.

Gleichzeitig eröffnen oftmals Freie Theater gezielt Kommunikationsmöglichkeiten. Mit verschiedenen Formaten bringen sie unterschiedlichste Menschen miteinander ins Gespräch, eröffnen Räume und Anlässe, um verschiedenste Themen zu diskutieren. Das sind wichtige Impulse für den gesellschaftlichen Diskurs. Hier treffen Menschen aufeinander, die sich im Alltag meist nicht kennenlernen. In geschütztem Rahmen können sie ihre Meinung austauschen. Das steigert die Akzeptanz unterschiedlicher Lebensformen und Meinungen. Und es schafft Verständnis für die Probleme anderer gesellschaftlicher Gruppen.

Eine Vorreiter-Rolle haben Freie Theater mit ihrem Angebot für Kinder und Jugendliche, das häufig ein wichtiger Teil des Programms ist. Theater kann Kindern eine Sprache geben, um Dinge auszudrücken, die sie allein nie angesprochen hätten. Theater zeigt Handlungsmöglichkeiten auf und erlaubt Emotionen. Zahlreiche positive Erfahrungen zeigen, dass das Theater besonders gut geeignet ist, um Kinder und Jugendliche bei schwierigen Themen anzusprechen. Theater kann Stärke geben, kann Mut machen, kann aus der Einsamkeit herausführen. Freie Bühnen sind jedoch nicht nur ein Treffpunkt und eine Möglichkeit der Freizeitgestaltung, sondern gleichzeitig Arbeit- und Auftraggeber. Damit sind sie ein unmittelbarer Faktor für die lokale Wirtschaft.

II. Der Landtag stellt fest:

Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine reiche Theaterlandschaft, die viel zu einem guten gesellschaftlichen Zusammenhalt beiträgt und die Demokratie fördert. Dazu gehören die Häuser der Freien Szene genauso selbstverständlich wie die Theater in öffentlicher Trägerschaft. Diese vielfältige kulturelle Szene gilt es zu erhalten. Dabei müssen wir jedoch darauf achten, dass nicht nur freiberuflich arbeitende Künstlerinnen und Künstler, sondern alle Berufsgruppen, die für die kulturelle Infrastruktur notwendig sind, auskömmlich bezahlt werden – dies gilt auch für das Technik-, Leitungs- und Verwaltungspersonal an den Häusern.

Die meisten Bühnen sind jedoch nicht in der Lage, ihre Existenz nur aus den Einnahmen ihrer Veranstaltungen zu sichern. Denn die Preisgestaltung sollte so ausgestaltet sein, dass die Aufführungen einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden können. Hier muss das Land dafür sorgen, dass die Freien Theater als Teil einer vielfältigen Kulturlandschaft gesichert bleiben. Das funktioniert nicht mit einem sinkenden Etat für Freie Bühnen.

Das im November 2021 verabschiedete Kulturgesetzbuch, welches eine faire Bezahlung für die Freie Szene zum geltenden Landesgesetz macht, wurde mehrheitlich vom Landtag beschlossen – eine Gegenfinanzierung politisch versprochen. Es besteht eine Folgeverantwortung, dafür zu sorgen, dass dieses Versprechen eingehalten wird, und dass das geltende Gesetz keinen Kahlschlag in der Kulturlandschaft verursacht.

III. Beschlussfassung

Die Landesregierung wird aufgefordert,

• die Höhe der Förderungen für die Freie Szene an die durch die Richtlinie zur fairen Bezahlung vorgegebenen Werte anzupassen. Dies muss spätestens ab dem Haushalt 2026 abgebildet werden.
• bei der Förderung Freier Bühnen eine Dynamisierung festzuschreiben und automatisch Tarifsteigerungen und Inflation auszugleichen, um so die Häuser strukturell zu sichern.
• bei Vergabe von Landesfördermitteln zu berücksichtigen, dass ein auskömmlicher Bei- trag für Overheadkosten berücksichtigt wird.

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