Die Stunde der Wahrheit – Nordrhein-Westfalen muss für genügend baureife Straßenprojekte sorgen, statt Geld zu verschenken
I. Ausgangslage
Nordrhein-Westfalen als das Bundesland mit den meisten Straßen und Brücken in Deutschland verzichtet im Jahr 2022 und 2023 auf insgesamt 60 Millionen Euro, indem die NRW-Landesregierung zur Verfügung gestellte Mittel des Bundes für Bundesstraßen nicht abruft – zur Freude der anderen Bundesländer. 2022 nutzte das Land nur 393 Millionen Euro von 435 Millionen Euro und 2023 nur 378 Millionen Euro von 396 Millionen Euro. Die von Nordrhein-Westfalen nicht abgerufenen Gelder konnten in der Folge von anderen Bundesländern verwendet werden.
Die Straßeninfrastruktur ist für Nordrhein-Westfalen als Wirtschaftsstandort, als bevölkerungs- reichstes und dicht besiedeltes Bundesland und als wichtiger Verkehrsraum im Herzen Europas insgesamt von zentraler Bedeutung. Für die nötige wirtschaftliche Erholung wird die Frage einer verlässlichen und gut ausgebauten Straßeninfrastruktur für Güter- und Pendlerverkehr entscheidend sein. Nach den jüngsten vorliegenden Zahlen gehört Nordrhein-Westfalen mit einem prognostizierten Rückgang der Wirtschaftsleistung von 1,1 Prozent im Jahr 2023 zu den drei Bundesländern mit der schlechtesten wirtschaftlichen Entwicklung.
Gleichzeitig besteht weiterhin ein beachtlicher Sanierungsstau in Nordrhein-Westfalen. An Ideen für Projekte kann es nicht mangeln: Für Brücken an Bundes- und Landesstraßen wies das Verkehrsministerium im vergangenen Jahr beispielsweise einen Sanierungs- und Erhaltungsbedarf in Höhe von 1,8 Milliarden Euro aus und bezifferte den Bedarf für Tunnelbauwerke allein bis 2030 auf 213 Millionen Euro. Der Fall der Rahmedetalbrücke und der massiven Auswirkungen ihrer Sperrung auf den Verkehr, die Wirtschaft und die Bewohner einer ganzen Region zeigt exemplarisch die negativen Effekte von aufgeschobener Instandhaltung der Infrastruktur.
Es ist vor dem Hintergrund des massiven Investitionsstaus und der mangelhaften wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes nicht vermittelbar, auf mindestens 60 Millionen Euro an Bundesmitteln zu verzichten, die explizit für die Instandhaltung der Bundesstraßen in Nord- rhein-Westfalen zur Verfügung gestellt werden. Die Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Rückgang der genutzten Bundesmittel das Land vor dem Hintergrund der gestiegenen Kosten im Tiefbau (mindestens 20 Prozent über die letzten drei Jahre) doppelt trifft und fordern mit Recht, dass stets genügend baureife Projekte vorgehalten werden müssen, um die Mittel abzurufen. Auch Verkehrsminister Oliver Krischer konstatierte bei der Vorstellung der Sanierungsoffensive „Straßeninfrastruktur“: „Nordrhein-Westfalen steht vor der gewaltigen Herausforderung, die vorhandene Verkehrsinfrastruktur zukunftsfest zu machen. “Die Aussage passt allerdings nicht zum Handel und Wirken, also zum Verzicht auf Bundesmittel in Millionenhöhe.
Mit der Rückgabe ungenutzter Bundesmittel in den Jahren 2022 und 2023 manifestiert sich ein negativer Trend gegenüber dem erfolgreichen Wirken der vorhergehenden Landesregierung. Noch im Jahr 2021 verausgabte das Land unter der Regierung von CDU und FDP nicht nur vollständig die zur Verfügung gestellten Bundesmittel in Höhe von 398 Millionen Euro, sondern konnte auch auf weitere 36 Millionen Euro zurückgreifen, die andere Bundesländer nicht abgeschöpft hatten. Seit 2018 wurden ebenfalls teils deutlich mehr Mittel für den Straßenbau nach Nordrhein-Westfalen geholt als zunächst vorgesehen.
Die schwarz-grüne Landesregierung hätte in den Jahren 2022 und 2023 durch eine Vielzahl von ausführungsreifen Projekten einen Mehrbedarf an Mitteln vorlegen und deutlich mehr für Nordrhein-Westfalen erreichen können. Marode Brücken, marode Straßen und ein enormer Sanierungsstau plagen die Bevölkerung sowie Handel, Handwerk und Industrie. Dennoch wurden nicht genügend Projekte auf die Beine gestellt, um Abhilfe zu schaffen. Die jüngsten Brückensperrungen und die auf vielen Brücken notwendig gewordenen Ablastungen für Lkw ab 3,5 t verursachen vielerorts ein Verkehrschaos und geben einen Vorgeschmack auf das, was
demnächst noch auf Nordrhein-Westfalen zukommen wird.
Die „Gleitende Langfrist-Verkehrsprognose 2021-2022“des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr prognostiziert bis 2051 (verglichen mit dem Basisjahr 2019) einen überproportionalen Anstieg der Verkehrsleistung auf der Straße um 54 Prozent, verglichen mit einer Steigerung der Verkehrsleistung auf der Schiene von 33 Prozent und einer gleichbleibenden Verkehrsleistung auf den Wasserstraßen. Ein Grund für diese Entwicklung ist der Strukturwandel im Güterverkehr, der aufgrund der Energiewende einen Rückgang bei Massen- und Energiegütern verzeichnet. Die Folge ist eine Verlagerung von Teilen des Güterverkehrs von der Schiene und Wasserstraße auf die Straße. Hinzu kommt ein großes Wachstum bei Gütern, die grundsätzlich überwiegend auf der Straße befördert werden. Hierzu zählen Postsendungen, Sammelgüter sowie Stückgüter wie Nahrungs- und Genussmittel. Angesichts dieser Prognosen ist es inakzeptabel, dass die Landesregierung nicht nur in einem Jahr, sondern auch im darauffolgenden Jahr Bundesmittel für den Straßenbau nicht nutzt.
Völliges Unverständnis über das Versäumnis der Landesregierung bekunden dementsprechend auch die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen. Es werde erwartet, dass das NRW-Verkehrsministerium alles unternimmt, um das verfügbare Geld zu verwenden. Dazu werde mehr Tempo bei der Projektplanung gefordert.
Hingegen kommt keine Debatte seitens der Landesregierung ohne den Fingerzeig nach Berlin aus, sei es bei der Finanzierung des Deutschlandtickets oder der Forderung nach einem Autobahnkonzept. Um vorausschauend handeln zu können, sagte Minister Oliver Krischer, brauche er Informationen des Bundes. Um vorausschauend für Nordrhein-Westfalen handeln zu können, braucht die Landesregierung eigene Konzepte, die sich in eigenen Projekten niederschlagen und sämtliche verfügbare Mittel aktivieren. Die Mittel für Bundesstraßen kommen vom Bund und werden von der schwarz-grünen Landesregierung einfach nicht genutzt. Es sei in den letzten Jahrzehnten zu wenig in den Erhalt der vorhandenen Infrastruktur investiert worden, hat Minister Oliver Krischer öffentlich zu Protokoll gegeben.
Dieser Mangel an Einsatz darf von der schwarz-grünen Landesregierung jetzt nicht fortgesetzt werden.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Die Straßeninfrastruktur ist von zentraler Bedeutung für den Wirtschaftsstandort und die Menschen in Nordrhein-Westfalen.
- Nur mit einer gut ausgebauten und instandgehaltenen Straßeninfrastruktur wird Nordrhein-Westfalen seine gegenwärtige wirtschaftliche Schwäche überwinden können.
- Die Bedeutung der Straßeninfrastruktur, insbesondere für den Güterverkehr, wird überproportional wachsen und muss deswegen bei der Verkehrspolitik des Landes besonders berücksichtigt werden.
- Das Ziel der Verkehrspolitik des Landes muss sein, in jedem Jahr mehr als die zur Verfügung gestellten Bundesmittel für Bundesstraßen in Verantwortung des Landes zu nutzen, sofern andere Bundesländer die ihnen zur Verfügung gestellten Mittel nicht vollständig abrufen.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- dem notwendigen Ausbau und der Sanierung der Straßeninfrastruktur in Nordrhein-Westfalen eine hohe Priorität einzuräumen und mit den Langfristprognosen des Bundes zu harmonisieren.
- sicherzustellen, dass stets genügend baureife Projekte erarbeitet werden, damit Bundesmittel über das Nordrhein-Westfalen zustehende Maß hinaus abgerufen werden können.
- jährlich den Landtag über die Höhe und das Ausmaß der abgerufenen und verfügbaren Bundesmittel für Bundesstraßen zu unterrichten.