Digitalisierungsoffensive für Jobcenter in Nordrhein-Westfalen

I. Ausgangslage

Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind nach § 6 SGB (Sozialgesetzbuch) II grundsätzlich die Bundesagentur für Arbeit sowie die kreisfreien Städte und Kreise für Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie für Bildung und Teilhabe. An ihrer Stelle können auch zugelassene kommunale Träger alleinige Träger der Aufgaben sein. Bei den Jobcentern handelt es sich also entweder um gemeinsame Einrichtungen von Bundesagentur und kommunalen Trägern nach § 44b SGB II oder um zugelassene kommunale Träger nach § 6a SGB II. In Nordrhein-Westfalen sind zwölf Kreise und sechs kreisfreie Städte zugelassene kommunale
Träger.

Nach § 48 SGB II obliegt die Rechts- und Fachaufsicht über die zugelassenen kommunalen Träger den zuständigen Landesbehörden. Nach § 47 Abs. 2 SGB II führen bei gemeinsamen Einrichtungen die zuständigen Landesbehörden die Aufsicht über die kommunalen Träger, soweit diesen in ihrem Verantwortungsbereich ein Weisungsrecht gegenüber den gemeinsamen Einrichtungen zusteht. Die Landesregierung kann also im Rahmen ihrer Aufsichtsfunktion gegenüber den zugelassenen kommunalen Trägern unmittelbar sowie bei den gemeinsamen Einrichtungen mittelbar über die kommunalen Träger in deren Verantwortungsbereich Einfluss auf die Erfüllung der Aufgaben der Jobcenter nehmen.

Die digitale Transformation hat auch großen Einfluss auf die Jobcenter, und zwar nicht nur hinsichtlich der Qualifizierung von Arbeitssuchenden, sondern gerade auch im Hinblick auf digitalisierte Abläufe bei Leistungsgewährung, Beratung und Öffentlichkeitsarbeit. Jobcenter in Deutschland arbeiten zwar schon länger an den technischen Voraussetzungen für die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse, unter anderem mit der elektronischen Akte oder Online-Terminierungstools. Eine flächendeckende Umsetzung und Nutzung sind aber noch nicht erreicht. Ein wesentlicher Aspekt ist zudem die Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden und dabei zum Beispiel ein elektronischer Postfachservice, Beratungen per Video oder der Einsatz sprachbasierter, KI-gestützter Chatbots.

Das im August 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz – OZG) hat die Träger der Grundsicherung dazu verpflichtet, bis Ende 2022 die Leistungen des SGB II auch digital anzubieten. Die technische Lösung dafür sind Portale oder Plattformen im Internet. Die gemeinsamen Einrichtungen können dabei auf die Infrastruktur und Beratungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit wie die Plattform „Jobcenter.digital“ zurückgreifen. Die zugelassenen kommunalen Träger arbeiten hingegen mit unterschiedlichen und kleinteiligen lokalen Strukturen.

Seit Juni 2020 steht der in Hessen entwickelte Onlinedienst Arbeitslosengeld II für kommunale Jobcenter zur Verfügung, mit dem Leistungen online beantragt werden können. Neben dem Hauptantrag steht seit 2021 auch ein kombinierter Leistungsantrag zur Weiterbewilligung so- wie der Mitteilung von Veränderungen in digitaler Form zur Verfügung. In der Praxis zeigt sich allerdings bei der Digitalisierung der Jobcenter ein sehr differenziertes Bild: Während einzelne Jobcenter eine Vorbildfunktion einnehmen, steckt bei vielen die Digitalisierung noch im Anfangsstadium. So spielt die Inanspruchnahme digitaler Antragsverfahren bisher eher eine untergeordnete Rolle.

Best-Practice-Beispiele in Nordrhein-Westfalen sind insbesondere die Jobcenter Münster, Kreis Borken, Kreis Coesfeld, Kreis Steinfurt und Kreis Warendorf im Münsterland als zugelassene kommunale Träger und das Jobcenter Düsseldorf als gemeinsame Einrichtung. Die Jobcenter im Münsterland haben u. a. als ersten gemeinsamen Schritt ein internes Portal eingerichtet, in dem Informationen und Ansprechpartner zum Thema Digitalisierung gebündelt werden. Die Beschäftigten, die die Prozesse im Arbeitsalltag erleben, wissen am besten, wo digitale Lösungen ansetzen könnten, um die Arbeit zu erleichtern. In der Folge wurden Online-Anträge, Veränderungsmitteilungen auf digitalem Weg und ein Mietpreisrechner eingeführt.

Das Jobcenter Düsseldorf gehört zu den Vorreitern bei der Digitalisierung. Die Website (www.jobcenter-duesseldorf.de) geht weit über das standardisierte Onlineangebot anderer Niederlassungen der Arbeitsagentur hinaus. So initiierte das Team in Düsseldorf als erstes Jobcenter in Deutschland eine Onlinevergabe von Terminen. Damit sollen Wartezeiten vermieden und Ressourcen zielgerichteter eingesetzt werden. Zudem werden Wartezeiten und Bearbeitungsstände nachvollziehbar auf der Homepage angezeigt. Seit 2018 informiert das Jobcenter auch auf YouTube mit Videos zu verschiedenen Themen. Und auch eine App wurde entwickelt: Über die Foto-Funktion ihres Smartphones können Jobsuchende beispielsweise Dokumente einstellen. 

Die Landesregierung ist gefordert, anhand dieser Vorbilder eine Digitalisierungsoffensive für die Jobcenter in Nordrhein-Westfalen zu starten, um Prozesse bei Leistungsgewährung, Kundenkommunikation und Beratung flächendeckend und umfassend zu digitalisieren.

II. Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • im Rahmen ihrer Aufsichtsfunktion eine Initiative zur Digitalisierung der Jobcenter der zugelassenen kommunalen Träger zu erarbeiten und durchzuführen mit dem Ziel einer medienbruchfreien, Ende-zu-Ende-Digitalisierung der Prozesse bei Leistungsgewährung, Kundenkommunikation und Beratung,
  • in Kooperation mit der Regionaldirektion der Bundesagentur auf eine entsprechende Digitalisierung aller Prozesse der Jobcenter der gemeinsamen Einrichtungen hinzuwirken,
  • sich dabei an Best-Practice-Beispielen wie den Jobcentern im Münsterland und dem Jobcenter Düsseldorf zu orientieren.