Bevor die Landesregierung Entscheidungen über die KI- und Legal Tech-Strategie der Justiz trifft, muss ein breiter und öffentlicher interdisziplinärer Diskurs über die Anwendung von Künstlicher Intelligenz in der Justiz geführt werden.
I. Ausgangslage
Am 30.03.2023 haben die Justizministerinnen und Justizminister der Länder und des Bundes einen Digitalgipfel in Berlin abgehalten, an dessen Ende eine Gemeinsame Erklärung zur Digitalisierung der Justiz in Deutschland abgegeben wurde.
In dieser Gemeinsamen Erklärung bekräftigen die Justizministerinnen und Justizminister des Bundes und der Länder den hohen Stellenwert der Digitalisierung für eine bürgernahe, niedrigschwellig und diskriminierungsfrei zugängliche, barrierefreie und effiziente Justiz im modernen Rechtsstaat. Dabei betonen sie, dass die fortschreitende Digitalisierung der Justiz so gestaltet werden muss, dass bei allen Verbesserungen durch technische Innovation immer auch die Grund- und Menschenrechte sowie die gesellschaftliche Teilhabe der Menschen sichergestellt werden und auch künftig jede Form der Diskriminierung ausgeschlossen ist.
Im Weiteren legen die Justizministerinnen und Justizminister eine Priorisierung der Digitalisierungsthemen vor. Gemäß Ziff. 1. (5) sollen die Justizminister mit Priorität eine Strategie zum Umgang mit KI und Legal Tech entwickeln.
Breiter interdisziplinärer Dialog führt zu hoher gesellschaftlicher Akzeptanz.
KI hat das Potential als disruptive Technologie große Veränderungen mit hohem individuellen und gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen. Aber nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch eine Verbesserung für die Menschen oder steht mit der Werteordnung unserer Verfassung im Einklang. Deshalb bedarf es einer grundsätzlichen Debatte über das Potential sowie mögliche Grenzen der Anwendung von KI in der Justiz.
Aufgrund der weitreichenden grundrechtlichen Betroffenheit durch Anwendung von KI bzw. Legal Tech in Justiz und Anwaltschaft darf eine solche KI- und Legal Tech-Strategie nicht allein justiz- oder hausintern „in stiller Runde“ diskutiert werden. Erforderlich ist vielmehr ein breiter und öffentlicher interdisziplinärer Dialog, der neben rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten auch Fragen der Ethik und der Technik aufgreift und am Ende einer Lösung zuführt, die gesellschaftlich eine breite Zustimmung findet.
Eine Studie im Auftrag des Europarates hat bereits im Jahr 2017 aufgezeigt, dass eine große Zahl von Grundrechten durch den Einsatz von KI beeinträchtigt werden könnte. „Die Autoren dieser Studie sind der Ansicht, dass die öffentliche Debatte über die vielfältigen menschenrechtlichen Dimensionen von Algorithmen hinter der technologischen Entwicklung zurückbleibt und rasch verstärkt werden muss, um sicherzustellen, dass die Menschenrechte und die Interessen des Einzelnen im Einklang mit den in der Europäischen Konvention und anderen internationalen Verträgen festgelegten Werten wirksam und nachhaltig gewahrt werden.“
Diese öffentliche Debatte gehört auch ins Parlament. Dies gilt insbesondere auch für den wichtigen Aspekt der KI- und Legal-Tech-Strategie der Justiz.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
Die Festlegung einer KI- und Legal Tech-Strategie für die Justiz erfordert aufgrund ihrer hohen Grundrechtsrelevanz einen breiten und öffentlichen interdisziplinären Dialog, der nicht nur rechtliche, insbesondere verfassungsrechtliche, sondern auch ethische und technische Fragestellungen umfasst.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
einen breiten und öffentlichen interdisziplinären Diskurs zu einer künftigen KI-Strategie der Justiz in Nordrhein-Westfalen zu initiieren, an dem auch alle Fraktionen beteiligt werden. In diesen Diskurs sind nicht nur rechtliche, insbesondere verfassungsrechtliche Gesichtspunkte, sondern auch ethische und technische Fragestellungen einzubringen.