Drohende Lehrkräftelücke vorausschauend und qualitätssichernd schließen

Bei der Analyse der in der Antwort zur Kleinen Anfrage 199 von der Landesregierung zur Verfügung gestellten Daten fällt auf, dass sich die Schüler-Lehrer-Relation in den vergangenen Jahren verbessert hat, dies gilt sowohl im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Stellen im Haushalt als auch hinsichtlich der besetzten Stellen. Entfielen in den Jahren 2013 bis 2017 durchschnittlich 15,74 Schülerinnen und Schüler auf eine Lehrkraft, waren es in den Jahren 2018 bis 2022 im Durchschnitt 14,7. Für das Jahr 2021 kommen im Durchschnitt aller Schulformen 14,2 Schülerinnen und Schüler auf eine Vollzeitlehrereinheit, in den Grundschulen sind es 15,7 Schülerinnen und Schüler. Gemessen an den zur Verfügung stehenden Stellen im Haushalt fällt die Relation wie folgt aus: Durchschnitt  2013 bis 2017: 14,952; Durchschnitt 2018 bis 2022: 13,948.

Dieser positive Trend bei der Schüler-Lehrer-Relation ist zum einen auf die erfolgreichen Maßnahmen zur Lehrkräftegewinnung der vergangenen Jahre zurückzuführen. Zum anderen hat aber auch der Rückgang der Schülerzahlen zur Verbesserung beigetragen. Nun weist die von der Landesregierung vorgelegte Prognose der künftigen Schülerzahlen für die kommenden Jahre auf wieder steigende Schülerzahlen hin, wobei die zusätzlichen Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine noch nicht berücksichtigt sind. Ohne die zusätzlichen ukrainischen Kinder und Jugendlichen geht die Landesregierung in ihrer aktuellen Prognose für die Schülerinnen und Schüler von einem Aufwuchs von 2.443.588 (2021) auf 2.658.175 im Jahre 2026/27 aus, mithin einer Steigerung um 8,78 Prozent.

Die neue Landesregierung strebt gemäß schwarz-grünem Koalitionsvertrag in dieser Legislaturperiode einen Lehrkräfteaufwuchs in Höhe von 10.000 Lehrkräften an. Allein zum Erhalt der aktuell erreichten Schüler-Lehrer-Relation wäre bei den Lehrkräften ausgehend von der Anzahl von 189.878 aktuell besetzten Stellen (100 Prozent) ein Aufwuchs von 16.674 Lehrkräften bis zum Jahr 2026/27 notwendig. Um mindestens das erreichte Niveau bei der Schüler-Lehrer-Relation zu halten, droht angesichts der bisherigen Planung von Schwarz-Grün in den kommenden Jahren eine Lücke von mehr als 6.000 Lehrkräften. Bezieht man den Ukraine-Effekt mit ein, erhöht sich der Bedarf an zusätzlichen Lehrkräften zusätzlich. Angesichts dieser drohenden Lücke ist eine transparente und ambitionierte Bedarfs- und Stellenplanung und eine gezielte Strategie zur qualifizierten Besetzung der Stellen dringend geboten.

Die Grundschulen haben in Nordrhein-Westfalen die schlechteste Schüler-Lehrer-Relation im Vergleich der allgemeinbildenden Schulformen. Auch im Ländervergleich zeigt etwa der aktuelle INSM-Bildungsmonitor, dass an nordrhein-westfälischen Grundschulen immer noch mehr Kinder und Jugendliche je Lehrkraft unterrichtet werden als in den meisten anderen Bundesländern. Um die Qualität der Bildung in Nordrhein-Westfalen auch im Ländervergleich weiter zu verbessern, muss insbesondere im Primarbereich noch deutlich mehr Personal ausgebildet und eingestellt werden.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass im Jahr 2026/27 mit der geplanten Anzahl von zusätzlichen 10.000 Lehrkräften die aktuelle Schüler-Lehrer-Relation nicht gehalten werden kann?
  2. Wie hoch schätzt die Landesregierung die für die kommenden Jahre zu erwartende Lücke an Lehrkräften? (Anzahl fehlender Lehrkräfte für die jeweiligen Jahre bis 2026/27 und Schulformen bitte separat auflisten.)
  3. Wie hoch ist die Anzahl der von der Landesregierung in den kommenden Jahren aus der Lehrerausbildung erwarteten neuen Lehrkräfte? (Anzahl neuer Lehrkräfte für die jeweiligen Jahre bis 2026/27 und Schulformen bitte separat auflisten.)
  4. Welche zusätzlichen Maßnahmen zur Erweiterung der Lehramtskapazitäten erachtet die Landesregierung für notwendig, um die drohende Lehrkräftelücke vorausschauend und qualitätssichernd schließen zu können?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart