Easy Tax zeitnah zum Vorteil der Steuerpflichtigen einführen: Nordrhein-Westfalen muss bei der automatisierten Steuererklärung Vorreiter werden statt Mitläufer bleiben

I. Ausgangslage

Die Erstellung und Abgabe der jährlichen Einkommensteuererklärung ist für viele Bürgerinnen und Bürger mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden. Das manuelle Ausfüllen der Steuererklärung wird dadurch für viele Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zur lästigen Pflicht. Aufgrund der Komplexität des deutschen Steuerrechts ist die Erstellung nicht nur zeitaufwendig, sondern auch fehleranfällig. Bürgerinnen und Bürger aller Altersklassen und Berufsgruppenmüssen viel Lebenszeit investieren, um ihre Erklärung korrekt auszufüllen und abzugeben – Zeit, die ihnen für Familie, Beruf oder Ehrenamt verloren geht.

Das volle Potential der Digitalisierung und Automatisierung wird im Bereich der Steuerveranlagung derzeit nicht ausgeschöpft. Dennoch gibt es aktuelle Bestrebungen und Ankündigungen anderer Bundesländer, die Abgabe einer Steuererklärung entweder radikal zu vereinfachen oder für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen sogar obsolet zu machen.

Das Bayerische Finanzministerium hat erst Anfang September 2025 seine Vision einer „Steuererklärung per App mit nur einem Klick“ publik gemacht. Bayern stellt eine deutschlandweite Einführung der App ab 2026 in Aussicht – soweit dieses Konzept Unterstützung von den übrigen Bundesländern erhält. Und auch das Land Hessen inszeniert sich als Vorreiter in Sachen Steuervereinfachung: Mitte August 2025 verkündete das Hessische Ministerium der Finanzen den Start eines Pilotprojekts, das den Steuerpflichtigen das Leben leichter machen soll. Das Finanzamt Kassel schickt einer ausgewählten Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern einen Vorschlag für den Einkommensteuerbescheid, ohne dass eine eigene Erklärung erstellt werden muss.

Solche und ähnliche Vorstöße sind nicht nur zeitgemäß und notwendig, sondern aufgrund der Vielzahl an steuerrelevanten Daten, die der Verwaltung bereits vorliegen, nur logisch und konsequent – und können außerdem zur Stärkung des Vertrauens in die Finanzverwaltung beitragen. Solche oder ähnliche Initiativen zur Erprobung von Vereinfachungen für Steuerpflichtige sind offenbar in Nordrhein-Westfalen derzeit nicht geplant. Finanzminister Dr. Optendrenk äußerte sich bislang lediglich positiv zum bayerischen Vorstoß einer Steuererklärung per App, ohne konkrete Ankündigungen für das eigene Bundesland zu tätigen.

II. Handlungsnotwendigkeiten

Bürgerfreundlichkeit und Serviceorientierung können maßgeblich durch den Einsatz von Automatisierung in der Steuerveranlagung verbessert werden. Ziel muss sein, zeitnah eine echte Entlastung für Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. Pilotprojekte mit ausgewählten Gruppen von Steuerpflichtigen sind dafür ein richtiger erster Schritt. Nordrhein-Westfalen darf in diesem Prozess nicht bloß Mitläufer sein, sondern sollte den Ehrgeiz haben, Vorreiter der digitalen Steuervereinfachung („Easy Tax“) zu werden.

Angesichts der genannten Entwicklungen ist jetzt ein entschlossenes Handeln in Nordrhein-Westfalen geboten. Es sollten daher schnellstmöglich die technischen und rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um Bürgerinnen und Bürger von unnötiger Bürokratie zu befreien. Es darf nicht sein, dass der Staat den Menschen neben der Belastung durch ein hohes Steuer- und Abgabenniveau auch weiterhin unverhältnismäßig viel Lebenszeit raubt.

Eine automatisierte, vorausgefüllte Steuererklärung, die der Steuerpflichtige nach Durchsicht idealerweise nur noch bestätigen muss, würde genau dies leisten: Sie führt zu spürbarer Entlastung im Alltag, reduziert Bürokratie und ist Ausdruck einer bürgerfreundlichen Verwaltung. Wichtig ist, dass die Nutzung solcher digitalen Angebote freiwillig bleibt und höchsten Datenschutzstandards genügt, um Vertrauen und Akzeptanz in der Bevölkerung sicherzustellen. Darüber hinaus ist neben der technischen Umsetzung die Transparenz gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die Beauftragung eines Steuerberaters muss weiterhin gleichberechtigt möglich sein.

Nordrhein-Westfalen sollte seine Chancen nutzen und frühzeitig eigene Pilotprojekte zur „Easy Tax“ umsetzen, anstatt auf Ergebnisse aus anderen Bundesländern zu warten. Durch landeseigene Modellprojekte könnte Nordrhein-Westfalen wertvolle Erkenntnisse gewinnen, wie sich Steuererklärungen noch weiter automatisieren lassen – beispielsweise durch die Ausweitung der Zielgruppen auch über die Vorstöße von Hessen und Bayern hinaus.

Damit die Pilotprojekte nach erfolgreichem Abschluss bundesweit zeitnah umgesetzt werden können, müssen auch etwaige gesetzliche Hindernisse abgebaut werden. Die Landesregierung muss deshalb die Vereinfachung des Steuerrechts nicht nur im eigenen Verantwortungsbereich vorantreiben, sondern auch Impulse in Berlin setzen, damit Deutschland insgesamt den Schritt Richtung „Easy Tax“ gehen kann.

III Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • eine Lösung zur standardmäßigen Bereitstellung von automatisierten Steuererklärungen durch die Finanzverwaltung zu erarbeiten und diese schnellstmöglich zu implementieren. Die Nutzung bereits vorhandener Datenquellen sollte dabei selbstverständlich sein, Datenschutz und Transparenz oberste Priorität haben;
  • sich aktiv an der Entwicklung einer bundesweiten App-Lösung in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern zu beteiligen, um eine „Steuererklärung per App mit einem Klick“ auch in Nordrhein-Westfalen zu ermöglichen;
  • sich auf Ebene des Bundesrats für zusätzliche Vereinfachungen im deutschen Steuerrecht einzusetzen, um die Effizienzvorteile durch Automatisierung zu verstärken und nachhaltig zu verankern.