Effizientere Bekämpfung von Cum-Cum-Geschäften!

I. Ausgangslage

Cum-Cum-Geschäfte ist die Bezeichnung für Wertpapiertransaktionen, bei denen die schuld-rechtlichen Verpflichtungsgeschäfte "mit" Zins- oder Dividendenberechtigung gehandelt werden. 

Am 18. August 2015 entschied das höchste deutsche Steuergericht, der Bundesfinanzhof (BFH) dass diese Geschäfte grundsätzlich illegal sind. Es handle sich um einen Gestaltungsmissbrauch“. Bei den Deals fehle ein wirtschaftlich vernünftiger Grund. Aus dem Geschäft entstehe im Wesentlichen nur ein Steuervorteil für die Parteien. Ein entsprechendes Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) folgte 2017.

Anfang 2020 urteilte auch das Finanzgericht Hessen in einer ersten und richtungsweisenden Entscheidung, dass es sich bei Cum-Cum-Aktiendeals um missbräuchliche Steuergestaltungen mit Blick auf die Abgabenordnung handelt.

Das Bundesfinanzministerium stellte im Anschluss in einem Schreiben an die obersten Finanzbehörden der Länder ebenfalls klar, dass es in der kurzen Aktien-Leihe von ausländischen Investoren an deutsche Geschäftspartner über den Dividendenstichtag einen Gestaltungsmissbrauch sieht. Am 9. Juli 2021 wurde ein Schreiben der geänderten Verwaltungspraxis zur Behandlung steuerlicher Sachverhalte im Zusammenhang mit Cum/Cum-Geschäften veröffentlicht, dass das BMF-Schreiben vom Juli 2017 ersetzte.

Die Finanzdienstleistungsaufsicht hat aber bereits im Jahr 2019 mit möglichen Rückforderungen von über 600 Millionen Euro gerechnet. Dabei wurde als erschreckend konstatiert, wie viele auch kleinere Institute wie Volksbanken und Sparkassen involviert waren. 

In einer Antwort der Bundesregierung aus dem Jahr 2019 wurde mitgeteilt, dass es nach Angaben der Länder und des Bundeszentralamts für Steuern bereits 104 identifizierte Cum-Cum-Verdachtsfälle – davon 40 in Nordrhein-Westfalen – gab. Finanzinstitute hatten damals rund 270 Millionen Euro an Rückstellungen gebildet.

Schätzungen für den Zeitraum 2000 bis 2020 zeigen, dass allein in Deutschland der Mindestschaden aus Cum-Cum-Geschäften bei 28,5 Milliarden Euro liegt. Finanzexperten beziffert ihn nun auf mindestens 30 Milliarden Euro.
 
In der Antwort der Landesregierung zur Kleinen Anfrage 4247 vom 30.07.2024 unter dem Titel „Aktueller Stand der Cum-Cum Verfahren in Nordrhein-Westfalen – die nächste Panne im NRW-Justizministerium!“ antwortete das Justizministerium zur Frage eins, ob er mehr Personal einstelle um die Abteilung H der Staatsanwaltschaft Köln zu stärken, dass es „in einem regelmäßigen Austausch mit dem zuständigen Generalstaatsanwalt in Köln stehe.“

Auf die Frage zwei, wie das Ministerium die Aufklärung der Cum-Cum-Verfahren weiter fördern wolle, wird auf die Antwort des Leitenden Oberstaatsanwalts in Köln verwiesen. Dieser wird zitiert mit folgenden Worten: „Bei den in meinem Bericht vom 16.05.2024 mitgeteilten, hier bekannt gewordenen, derzeit über siebzig sog. „Auslagerungsfällen“ handelt es sich nicht um Ermittlungsverfahren“ weiter heißt es: „Zu dieser ist eine Einleitung von Ermittlungsverfahren bisher auch deshalb nicht erfolgt, weil eine abschließende rechtliche Bewertung dieser Sachverhalte bisher nicht vorgenommen worden ist (…).“

Im Rahmen einer Umfrage des RBB für tagesschau.de wurden alle Finanzministerien der Länder mit Datum vom 21.08.2024 zum aktuellen Stand der Aufarbeitung befragt. Leider befand sich Nordrhein-Westfalen nicht unter den Bundesländern, die dazu eine konkrete Antwort gegeben hat.

Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Köln liegen keine Zahlen zu „Cum-Ex-Geschäften“ und „Cum-Cum-Geschäften“ vor. Da es sich nicht um sich ausschließende Steuerhinterziehungs- komplexe handle, erfolge eine numerische Erfassung von „Cum/Ex-Fällen“ bzw. „Cum/Ex-Beschuldigten" einerseits und von weiteren „Cum/Cum-Fällen" bzw. „Cum/Cum-Beschuldigten“ andererseits nicht.

Es gebe lediglich siebzig sogenannte ‚Auslagerungsfällen, also von der Großbank an kleinere Banken weitergereichte Cum-Cum-Geschäfte, bei denen allerdings noch eine rechtliche Bewertung vorgenommen wurde, für die ebenfalls die Hauptabteilung H der Kölner Staatsanwaltschaft zuständig ist. Bisher ist es noch zu keiner Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gekommen. 

Wenn man dieser Auffassung der Staatsanwaltschaft Köln folgt, wofür spricht, dass Cum-Cum die zeitlich frühere rechtswidrige Steuererstattung vor einer zeitlich danach folgenden Cum-Ex Steuererstattung wäre, dann sind bei ca. 130 Cum-Ex-Tatkomplexen in NRW mindestens 130 Cum-Cum-Verfahren möglich.

Dann gibt es aber nicht nur 40 Cum-Cum Verdachtsfälle wie 2019 angenommen und auch nicht 70 Cum-Cum „Auslagerungsfälle“, sondern möglicherweise über 130 Cum-Cum-Körperschaftssteuerhinterziehungsfälle. Von der Körperschaftsteuer erhalten Bund und Länder jeweils einen Anteil von 50 Prozent.

Gerade bei und wegen der angespannten Haushaltslage und weil möglicherweise solche Betrügereien auch in anderer Form weiterhin möglich sein könnten, muss die Abteilung H der Staatsanwaltschaft Köln folgerichtig eine Spezialzuständigkeit erhalten und mit mehr Personal ausgestattet werden, um nicht nur die bestehenden Verfahren zügiger abzuarbeiten, sondern auch bei weiteren Verdachtsfällen sofort schlagkräftig tätig werden zu können.

II. Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • eine Spezialzuständigkeit für die Hauptabteilung H zu schaffen und diese personell und sachlich zusätzlich mit 10 neuen Staatsanwälten und 20 weiteren Ermittlern (Polizei und Steuerfahnder) auszustatten, so dass eine effiziente strafrechtliche Verfolgung von Cum-Cum und Cum-EX-Geschäften gewährleistet ist und hierfür die erforderlichen Gelder im Haushalt 2025 bereit zu stellen.
     
  • für qualifizierte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen der Ermittlerinnen und Ermittler zur Unterstützung der strafrechtlichen Verfolgungen von Cum-Cum und Cum-Ex-Geschäften zu sorgen.