Ein klares Bekenntnis für die Fusionstechnik –Nordrhein-Westfalen als Standort für das erste Demonstrationskraftwerk in Deutschland vorbereiten

I. Ausgangslage

Der Klimawandel und der weltweit rasant steigende Energiebedarf verdeutlichen, dass die Menschheit dringend auf Energiequellen angewiesen ist, die in der Lage sind, klimafreundliche Energie verlässlich in ausreichend großem Maße zu produzieren. Jüngste Studien belegen, dass der Energiebedarf weltweit steigt und weiterhin steigen wird. Dabei wird vor allem von einem starken Anstieg des Bedarfs an elektrischer Energie von mindestens einem Faktor zwei bis drei bis zum Jahr 2050 ausgegangen.

In diesem Zusammenhang erweist sich die Energieerzeugung aus der Kernfusion als äußerst vielversprechender Lösungsansatz. Die Kernfusion ist die energiereichste Energieerzeugungsform, die uns zur Verfügung steht. Aus einem Gramm Fusionsbrennstoff lässt sich ungefähr so viel Energie gewinnen wie aus elf bis 13 Tonnen Öl oder Steinkohle.

Die Fusionsenergie ist sauber und CO2-neutral. Fusionsenergie ist ressourcenschonend, denn potentielle Brennstoffe sind die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium die in der Natur beinahe unbegrenzt verfügbar sind.

Die Fusionsenergie ist sicher. Bei der Fusion sind gefährliche, unkontrollierte Kettenreaktionen physikalisch unmöglich. Ein Störfall im Betrieb würde die Reaktion unmittelbar stoppen.

Die Fusionsenergie ist grundlastfähig. Anders als die volatilen Windkraft- und Solaranlagen ist ein Fusionskraftwerk kontinuierlich in der Lage, das Stromnetz mit Energie zu versorgen.

Fusionsenergie ist wirtschaftlich und bezahlbar. Die Kosten einer Kilowattstunde liegen nach derzeitigen Berechnungen in der Größenordnung von heutigem Grundlaststrom.

Fusionsenergie kann gerade in den Bereichen unterstützen, in denen die heutigen erneuerbaren Energien ihre Schwächen zeigen, nämlich als konstanter und zuverlässiger Energielieferant für große Energieverbrauchszentren wie Industriecluster und Großstädte. Da „[d]ank der erheblichen Fortschritte in der Fusionsforschung in den letzten Jahren […] die Welt an einem Punkt angekommen [ist], an dem diese Technologie nicht mehr nur ein hypothetisches Zukunftsversprechen ist, sondern konkret machbar erscheint“, ist weltweit bereits ein Wettbewerb um die Entwicklung des ersten wirtschaftlichen Fusionskraftwerks entfacht und verschiedene Staaten, Organisationen und private Unternehmen sind in diesen Bemühungen engagiert.

Auch wenn bis zur Kommerzialisierung der Fusionstechnik noch ein schwieriger Weg zu gehen ist, zeigen die aktuellen wissenschaftlichen und technischen Durchbrüche, dass der Weggang bar und die Umsetzung greifbar ist. Die Errungenschaften des Joint European Torus (JET) in Großbritannien und des Wendelstein-7X in Deutschland symbolisieren Meilensteine in der Magnetfusion. Zusätzlich hat der Erfolg der Experimente an der National Ignition Facility (NIF) in den USA die Trägheitsfusion vorangetrieben.

Die aktuellen Durchbrüche und Fortschritte haben eine neue Dynamik und erhöhtes Engagement von privaten Unternehmen und Investoren bei der Kommerzialisierung der Fusionstechnik entfacht. Weltweit werden große Anstrengungen unternommen, um bei der Kommerzialisierung der Fusionstechnologie die Technologieführerschaft zu erreichen Neben massiven Investitions- und Förderprogrammen von Staaten wie den USA oder China, „committen“sich auch verstärkt Unternehmen mit hohen Energiebedarfen im Bereich der Fusion. So soll zum Beispiel das Fusionsforschungsunternehmen Helion Microsoft ab 2028 mit sauberer Energie aus einem Fusionsgenerator versorgen. Eine sich global-entwickelnde Wettbewerbssituation ist klar zu erkennen.

Es gilt zu demonstrieren, dass auf den Fortschritten basierend funktionierende Geschäftsmodelle hervorzubringen sind. Auch eine Reihe von deutschen Start-Ups verfolgen verschiedene innovative Ansätze, wie etwa die Unternehmen Marvel Fusion und Focused Energy für den Bereich der Trägheitsfusion oder Gauss Fusion und auch Proxima Fusion im Bereich der Magnetfusion. Für ihre weitere Entwicklung brauchen diese Start-Ups finanzielle Mittel aber auch regulatorische Planungssicherheit und Entwicklungsmöglichkeiten. Fehlen diese Perspektiven am Standort Deutschland, bleibt vielen Start-Ups im harten internationalen Wettbewerb nichts anderes übrig, als die weitere Entwicklung ihrer Anlagen im Ausland voranzutreiben, wie das Beispiel von Marvel Fusion aus München zeigt. Deutschland und insbesondere Nordrhein-Westfalen als energieerzeugungs- und energieverbrauchsintensiver Industriestandort sollten hier schnellst möglichst bei der Schaffung von passenden Entwicklungsperspektiven auf Flughöhe kommen, um nicht nur den technologischen Anschluss zu halten, sondern auch hier weltweit eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Die Bundesregierung hat die Zeichen der Zeit erkannt und sich mit der Einsetzung einer Expertenkommission und der Ausarbeitung eines Positionspapiers aufgemacht, eine nationale Strategie für die Zukunft der Fusionstechnologie in Deutschland zu entwickeln. Das ist ein klares politisches Signal der Bundesregierung, dass Deutschland bei der Förderung der Fusionstechnologie weltweit eine zentrale Rolle einnehmen will.

Die Bundesregierung beabsichtigt, die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit zukünftige Fusionskraftwerke von deutschen Unternehmen gebaut werden können. Dazu braucht es die enge Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie, wie auch verschiedene Instrumente, um die kooperative Forschung und den Wissenstransfer im Rahmen von Public-Private-Partnerships zu fördern. Zudem braucht die Fusionscommunity ein angemessenes

Fusionsökosystem, Technologie-Hubs sowie geeignete Förderprogramme. Schon jetzt fördert die Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIN-D lasergetriebene Kernfusion mit bis zu 90 Millionen Euro. Die Vorhaben auf Bundesebene gilt es sinnvoll landesseitig zu begleiten, damit die notwendigen Kräfte gebündelt werden, um Deutschland und insbesondere Nordrhein-Westfalen zum Standort für exzellente Grundlagenforschung zu behaupten.

Gerade in Nordrhein-Westfalen ist ein sehr leistungsfähiges Ökosystem aus Forschungseinrichtungen, Industrie und Universitäten vorhanden, das in der Lage ist, Schlüsseltechnologien für Fusionsanlagen zu entwickeln. Zu nennen ist hier für Nordrhein-Westfalen vor allem das Forschungszentrum Jülich für den Bereich der Magnetfusion. Aber auch im Bereich der Trägheitsfusion, mit Blick auf Lasertechnologie ist große Kompetenz zum Beispiel beim Fraunhofer-Institut für Lasertechnik in Aachen zu finden.

Die Kernfusionsforschung bietet große wirtschaftliche Wachstums- und Fortschrittspotentiale, da sie erhebliche positive Externalitäten entfaltet. In der Trägheitsfusion wird innovative Lasertechnologie benötigt, deren Anwendungsbereich nicht auf die Fusionsforschung beschränkt ist. Auch in der Magnettechnologie und Materialwissenschaft sind Fortschritte notwendig, die Spillover-Potenzial besitzen, die neue wirtschaftliche Dynamiken und Entwicklungen entfachen.

Jetzt geht es um die Schaffung der richtigen Rahmenbedingungen und Mobilisierung der not-wendigen Ressourcen, damit der Bau eines Fusionskraftwerkes am Standort Deutschland schnellstmöglich Wirklichkeit wird. Nordrhein-Westfalen sollte hierbei vorangehen und Standort für das erste Fusions-Demonstrationskraftwerk in Deutschland werden und auch perspektivisch für den Bau und den Betrieb von Fusionskraftwerken vorbereitet sein.

II. Beschlussfassung

  • Der Klimawandel und der weltweit rasant steigende Energiebedarf verdeutlichen, dass die Menschheit dringend auf Verfahren angewiesen ist, die in der Lage sind, klimafreundliche Energie verlässlich in ausreichend großem
    zu produzieren. 
     
  • Die Fusionsenergie bietet zahlreiche Vorteile: Fusionsenergie ist ressourcenschonend, sauber, sicher, grundlastfähig und bezahlbar.
     
  • Aufgrund des rasant steigenden Strombedarfs gebietet es die ökonomische Vernunft mit der Kernfusion langfristig zusätzliche Optionen für eine grundlastfähige und industrietaugliche Energieversorgung zu schaffen.
  • Die Erforschung und energetische Nutzbarmachung von Kernfusion ist zur Priorität der Forschungs- und Energiepolitik zu erklären. 
     
  • Die Bemühungen der Bundesregierung im Bereich der Fusionstechnologien werden intensiv vom Land Nordrhein-Westfalen unterstützt.
     
  • Die Erforschung und kommerzielle Nutzung von Kernfusion brauchen einen geeigneten rechtlichen Rahmen, der unabhängig vom Atomrecht ist.
     
  • Der Bau von Demonstrationsreaktoren ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur kommerziellen Nutzung der Kernfusion. Hier dürfen Deutschland und Nordrhein-Westfalen als Energieverbrauchszentrum weltweit nicht den Anschluss verlieren.
     
  • Beim Prozess hin zur kommerziellen Nutzung von Fusionstechnologie muss sich das Land Nordrhein-Westfalen einbringen und seine vorhandenen Standortvorteile ausspielen. 
     
  • Nordrhein-Westfalen soll zentraler Standort für die Forschung und Entwicklung sowie Nutzung von Fusionstechnologien werden.
     
  • ​​​Das erste Fusions-Demonstrationskraftwerk in Deutschland soll in Nordrhein-Westfalen errichtet werden.

    Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

    sich dafür einzusetzen, dass die Erforschung und kommerzielle Nutzung von Fusionstechnologien einen geeigneten rechtlichen Rahmen bekommt, der unabhängig vom Atomrecht ist. Dieser Rahmen soll die intrinsisch niedrigeren Risiken dieser Technologie berücksichtigen und die Fortführung der Erforschung ermöglichen. Hierbei sollten in Betracht gezogen werden, dass der Bau wie auch die Inbetriebnahme eines Demonstrationskraftwerkes unter den Regulierungsrahmen gestellt wird, dem auch Teilchenbeschleuniger unterliegen.
  • zu diesem Zweck Nordrhein-Westfalen als Modellregion für Forschung und Entwicklung sowie Nutzung von Fusionstechnologien zu entwickeln, in der räumlich begrenzte regulatorische Freiräume in Form von Freiheitszonen für Forschung und Entwicklung sowie Nutzung von Fusionstechnologien eingerichtet werden.
     
  • sich dafür einzusetzen, dass das Forschungszentrum Jülich als Exzellenzcluster für die anwendungsorientierte Kernfusionsforschung ausgebaut wird, bei dem bestehende Forschungs- und Entwicklungskompetenzen konzentriert und weitere etabliert werden. Auf der kooperativen Forschung und dem Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Industrie im Rahmen von Public-Private-Partnerships soll ein zentraler Schwerpunkt liegen.
     
  • privatwirtschaftliche und öffentliche Bemühungen und Investitionen im Bereich der Fusionstechnologien über eine zentrale Plattform auf Landesebene zu koordinieren, um damit ein Fusionsökosystem sowie Fusionstechnologie-Hubs in Nordrhein-Westfalen zu schaffen. •im Austausch mit den Nachbarstaaten Niederlande und Belgien die Zusammenarbeit im Bereich der Fusionsforschung zu intensivieren und zu prüfen, welche Synergien mit Blick auf den Bau eines Demonstrationskraftwerk bestehen und genutzt werden können.
     
  • Forschung und Entwicklung zur Nutzbarmachung und Nutzung der Kernfusion in die Energieforschungsoffensive und Innovationsstrategie des Landes zu integrieren und dafür einen Zugang zu landeseigenen Förderprogrammen zu ermöglichen.
     
  • gemeinsam mit Forschung und Industrie in die Standortsuche für ein Demonstrationskraftwerk in Deutschland einzutreten, mit dem Ziel das erste Demonstrationskraftwerk in Nordrhein-Westfalen zu errichten. 

    Bei dieser Suche soll vor allem das Forschungszentrum Jülich als Standort in Betracht gezogen werden. 

    Zudem soll aus den Investitionsgesetz Kohleregionen (InvKG) vorgesehenen Strukturfördermitteln für das Rheinische Revier mit einem Gesamtvolumen von 14,8 Milliarden Euro mindestens eine Milliarde Euro für Investitionen in die Realisierung eines solchen Demonstrationskraftwerks bereitgestellt werden.
     
  • im Austausch mit den Nachbarstaaten Niederlande und Belgien die Zusammenarbeit im Bereich der Fusionsforschung zu intensivieren und zu prüfen, welche Synergien mit Blick auf den Bau eines Demonstrationskraftwerk bestehen und genutzt werden können.
     
  • eine Meilensteinförderung für Forschungs- und Entwicklungsprojekte für Fusionstechnologien auf Landesebene umzusetzen und auf Bundesebene anzustoßen, die auch die Forschung und Entwicklung zu komplementären Technologien, wie etwa Lasern, dezidiert berücksichtigt und fördert.

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