Kehrtwende des Finanzministers bei der Einreichungsfrist für die neue Grundsteuer
Die Verärgerung zahlreicher Steuerpflichtiger über die neue Grundsteuerbürokratie hält bei Privatpersonen, Unternehmen, Vereinen und sonstigen Betroffenen unvermindert an. Sogar viele Experten hadern mit der neuen Grundsteuererklärung, die allgemein verpflichtend über das ELSTER-Onlineportal der Finanzverwaltung zu erledigen ist. Durch diesen erzwungenen Übermittlungsweg der Daten sparen die Finanzbehörden zwar eigenen Personalaufwand, da sie die anfallenden Arbeiten auf die Steuerpflichtigen delegieren, aber dadurch erhöhen sie die Belastungen für viele Steuerpflichtige. Etliche von ihnen wünschen sich alternativ eine gewohnte beleghafte Bearbeitungsmöglichkeit in Papierform, da sie dann mehr Ruhe, Zeit und Sicherheit empfinden als bei dem technisch unzureichenden Onlineverfahren.
Die Erklärungseingangsquote bei der Grundsteuerfeststellung spricht daher Bände. Wie der Finanzminister in der Fragestunde des Parlaments am 28. September 2022 (dokumentiert im Plenarprotokoll 18/8) einräumen musste, haben rund einen Monat vor dem verpflichtenden Fristablauf erst etwa ein Viertel der Steuerpflichtigen ihre Angaben bei der Finanzverwaltung eingereicht bzw. einreichen können. Mit diesem Befund ist Kennern der Materie sofort klar gewesen, dass eine fristgerechte Einreichung aller Steuerpflichtigen trotz all ihrer intensiven Bemühungen nicht bis zum vorgeschriebenen Termin des 31. Oktober 2022 möglich ist.
Der Finanzminister hat in den letzten Monaten unterdessen gegenüber dem Landtag und der allgemeinen Öffentlichkeit immer wieder klargestellt, dass er zu einer Fristverlängerung bei der Grundsteuererklärung nicht bereit ist. Vielmehr sei die Einhaltung des seinerzeit noch geplanten Verfahrens notwendig, um nicht den drohenden Verlust der Einnahmeerzielung aus der Grundsteuer zu riskieren.
Andere Sachverständige haben diese Fristsetzung zum 31. Oktober 2022 bereits frühzeitig als nicht haltbar kritisiert. Beispielsweise ist der dpa-Nachrichtenagenturmeldung „DIHK: Abgabefrist der Grundsteuererklärung verlängern“ schon am 28. Juli 2022 im Wortlaut unter anderem folgendes zu entnehmen:
„Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat sich dafür ausgesprochen, die Abgabefrist der Grundsteuererklärung zu verlängern. DIHK-Präsident Peter Adrian sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: «In einer der schwierigsten Phasen seit dem Zweiten Weltkrieg müssen viele Betriebe umfassende Grundsteuerdaten bis Ende Oktober an die Finanzämter liefern. Das stellt viele Unternehmen angesichts der Kürze der Zeit und der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Lage vor erhebliche Probleme.» Der DIHK-Präsident verwies auch auf technische Probleme, die beim Übermitteln der Daten über das Finanzamtsportal Elster aufgetreten seien.“
Ähnlich äußerte sich ebenfalls bereits am 4. August 2022 der Landesverband von Haus & Grund Rheinland / Westfalen in seiner Medienmeldung, in der es heißt „Grundsteuerreform überfordert viele: Politik muss gegensteuern / Haus & Grund Rheinland Westfalen fordert Fristverlängerung und Papierformulare“.
Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner hat sich wiederholt für eine Fristverlängerung bei der Grundsteuerfeststellung ausgesprochen. Die dpa-Nachrichtenagenturmeldung „NRW kritisiert Lindner-Vorstoß zur Fristverlängerung bei Grundsteuer“ vom 5. Oktober 2022 führt unter anderem dazu aus:
„Der Vorstoß von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für eine Fristverlängerung bei der Grundsteuer stößt in Nordrhein-Westfalen auf Kritik. Es wäre zielführender, wenn Lindner zunächst das Gespräch mit den Landesfinanzministern gesucht hätte „anstatt solche Ankündigungen über die Presse zu kommunizieren“, sagte NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf.“
Am 13. Oktober 2022 schließlich erkennt auch Finanzminister Dr. Marcus Optendrenk, dass sein ursprüngliches Grundsteuervorhaben gescheitert und nicht wie geplant umsetzbar ist. Nach monatelanger Dauerblockade jeder Änderung bei Modell oder Verfahren der neuen Grundsteuererhebung in Nordrhein-Westfalen konnte der Finanzminister seine Augen nicht mehr länger vor der Realität verschließen. Entgegen allen vorherigen Beteuerungen zieht er die Notbremse. Angesichts der viel zu niedrigen Einsendequote der Grundsteuererklärungen bleibt ihm keine andere Wahl. Er wäre klug beraten gewesen, sich früh dem Vorschlag der FDP-Landtagsfraktion für einen Modellwechsel hin zu einem bürokratiearmen Flächenmodell anzuschließen. Doch anstelle so die ursächlichen Probleme zu lösen, wird ausschließlich die Einreichungsfrist verlängert, ohne gleichzeitig das Modell oder Verfahren zu verbessern.
Mit dieser Vorgehensweise ist weiterhin höchst fraglich, ob nahezu alle Steuererklärungen für die neue Grundsteuerfeststellung nun am Stichtag des 31. Januar 2023 vorliegen.
Ebenso ist unklar, wie der Finanzminister zukünftig die nordrhein-westfälischen Kommunen zu unterstützen gedenkt, denen nach seinen eigenen Aussagen durch die Fristverlängerung nun die Gefahr des Verlusts ihrer Grundsteuereinnahmen zum 1. Januar 2025 droht (siehe Plenarprotokoll 18/8).
Die Kommunalen Spitzenverbände (KSV) sehen jedenfalls ausschließlich das Land in der Verantwortung, die Grundsteuerreform in der Finanzverwaltung fristgerecht umzusetzen, und haben bereits Kompensationsforderungen artikuliert, falls diese Umsetzung nicht rechtzeitig gelingt. Nach letzten Erkenntnissen sind fast 4 Milliarden Euro an kommunalem Steuerertrag durch die Grundsteuereinnahmen betroffen.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie sehen am 31. Oktober 2022 die Erklärungseingangsquote und ELSTER-Quote jeweils landesweit sowie aufgeschlüsselt nach den einzelnen Finanzämtern aus? (Sachstandsaktualisierung analog zu der Darstellung in LT-DS 18/1143, Antwort 4, erbeten)
- Welche rein fachlichen Erwägungen haben die Landesregierung in der Sache dazu bewogen, ihre monatelange klare Haltung gegen eine Fristverlängerung inzwischen aufzugeben und die Einreichungsfrist doch bis ins Jahr 2023 hinein zu verlängern?
- Schließt der Finanzminister nach der allgemeinen Fristverlängerung für sämtliche Steuerpflichtigen bei der neuen Grundsteuerfeststellung eine weitere allgemeine oder zumindest individuelle antragsbezogene Fristverlängerung nunmehr aus?
- Unter jeweils welchen Bedingungen ist die Landesregierung bereit, Kommunen ganz oder teilweise einen möglichen Entfall ihrer Grundsteuereinnahmen zum 1. Januar 2025 infolge der überraschenden allgemeinen Fristverlängerung zu kompensieren, falls sich ihre diesbezüglich unlängst geäußerte Befürchtung bestätigt?
- Welche konkreten einzelnen Erkenntnisse liegen der Landesregierung zur Haltung der Kommunalen Spitzenverbände zur bewilligten Fristverlängerung in Nordrhein-Westfalen bei der Grundsteuererklärung bis zum 31. Januar 2023 vor?
Ralf Witzel