Entbürokratisierung für alle Großraum- und Schwertransporte in Nordrhein-Westfalen

I. Ausgangslage

In Deutschland bedarf der Transport von besonders großen und schweren Gütern (Großraum- und Schwertransport (GST)) mit Fahrzeugen, die von den zulässigen Abmessungen und Gewichten abweichen, einer Ausnahmegenehmigung für die Nutzung der Straßen. Für das Fahrzeug selbst muss eine Erlaubnis nach § 70 StVZO eingeholt werden und für die konkrete zu befahrende Strecke eine Genehmigung nach § 29 III StVO. Die Erteilung der Genehmigung nach § 29 StVO liegt im Aufgabenbereich der Länder. In Nordrhein-Westfalen ist die untere Straßenverkehrsbehörde, in deren Bezirk die Fahrt beginnt oder das GST-Unternehmen seinen Sitz hat, zuständig für die Erteilung der Erlaubnis des GST.

Die Genehmigungsverfahren sind komplex, aufwändig und zeitintensiv. Meistens vergehen mehrere Monate, bis das Verfahren abgeschlossen ist, weil viele Behörden für einen Antrag angehört werden müssen. Am Ende des Prozesses steht ein ausführlicher Genehmigungsbescheid, dem sämtliche in Betracht kommende Auflagen beigefügt sind, auch wenn sie für den konkreten Transport keine Rolle spielen. Zumindest leichte Verbesserungen bietet das internetbasierte Verfahren VEMAGS (Verfahrensmanagement für Großraum- und Schwertransporte), bei dem das Unternehmen einen Genehmigungsantrag über die Website stellen kann. Ein Vorteil ist eine vom Programm durchgeführte Plausibilitätsprüfung des Antrags. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis bleiben, straffer und einfacher wird das Verfahren durch VEMAGS nicht. Außerdem gibt es keine Verpflichtung einer Behörde zur Teilnahme an diesem Verfahren, dafür sind monatliche Gebühren zu entrichten. Zudem ist die technische Basis von VEMGAS mittlerweile in die Jahre gekommen.

Die Genehmigungsverfahren beim GST sind seit Jahren ein Dauerthema – insbesondere in den betroffenen Branchen. Sie belasten die Unternehmen unnötig und verursachen einen künstlichen Wettbewerbsnachteil für die Wirtschaft. Die bekannte marode Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen, unter der die Schwerlasttransporte besonders leiden, weil ihnen lediglich ein eingeschränktes Straßennetz (Positivnetz) zur Nutzung zur Verfügung steht, erschwert den Transport zusätzlich. Die Folge ist mangelnde Wettbewerbsfähigkeit durch Umwege, höhere Kosten, Zusatzbelastungen der Ausweichstrecken und vermeidbare CO2-Emissionen. Somit bedrohen die langen Genehmigungsverfahren den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen.

Der Landesregierung sind die für die Wirtschaft schädlichen Umstände der GST-Genehmigungsverfahren bewusst. Sie tritt für eine Beschleunigung ein, aber nur für den Bereich Windenergie. Deshalb hat sie im Mai 2024 beim Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen eine Stabstelle Windenergie eingerichtet. Nach Angaben des Landesbetriebs dient die Stabstelle als zentrale Anlaufstelle für Windenergieanlagentransporte, um Windanlageninvestoren, -betreiber, -verbände und -transporteure bei der Planung, Beantragung und Vorbereitung der erforderlichen Windenergietransporte zu beraten und zu unterstützen. Ziel der Stabstelle ist die beschleunigte Genehmigung für Schwer- und Sondertransporte für Windenergieanlagen. Es geht besonders um alle Fragen rund um das Erlaubnis- und Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagentransporte, Unterstützung bei der konkreten Routenplanung für einzelne Windparks und die Definition von Standardrouten für Windenergieanlagen von Binnenhäfen zur Autobahn.

Die beabsichtigte Genehmigungsbeschleunigung auf die Windenergie-Branche zu verengen, hat nur einen geringen Nutzen. Die Stabstelle ignoriert damit die weiteren Dimensionen des Bürokratieproblems. Das veranschaulicht ein Positionspapier der Verbändeinitiative Großraum- und Schwertransporte (VI GST) aus Juni 2023. Die VI GST ist ein Zusammenschluss führender Verbände der deutschen Wirtschaft und Transportbranche. In dem Papier wirbt die VI GST für verbesserte Bedingungen für Großraum- und Schwertransporte zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und für den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Das Positionspapier führt aus, dass jährlich 60.000 Großraum- und Schwertransporten (GST) notwendig seien, um den Ausbau der erneuerbaren Energien durch Errichtung der dafür erforderlichen Anzahl von sechs Windenergieanlagen täglich erfüllen zu können. Neben dem Ausbau der Windenergie, sei jedoch zu berücksichtigen, dass der GST auch für den Transport von Maschinen und Anlagen sowie den Ausbau der Infrastruktur (Brückenbau, Tiefbau, Wasserbau) und den Wohnungs- und Gewerbebau von entscheidender Bedeutung sind. Ohne Krane, Baumaschinen, Metall- und Stahlbetonbauteile seien die für den Wirtschaftsstandort Deutschland wichtigen Baumaßnahmen nicht durchzuführen. Ebenso seien für die Landwirtschaft und die Schausteller die GST von existenzieller Bedeutung. Die Verbändeinitiative beklagt insbesondere vermeidbare Bürokratiehürden und Defizite in der Verkehrsinfrastruktur und der Digitalisierung der zwingend erforderlichen Transporte.

Nicht nur die Windenergie, sondern alle Branchen, die auf GST angewiesen sind, brauchen dringend Erleichterungen beim Genehmigungsprozess der Transporte. Monatelange Verfahren bedeuten für die Unternehmen fehlende Planungssicherheit. Diese führt zu gestörten Lieferketten und Bauabläufen sowie deutlichen Kostensteigerungen. Wie man diesen Problemen besser begegnet, zeigte 2023 das Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit der Einrichtung des Runden Tisches Groß- und Schwerlastverkehr auf Autobahnen, der konkrete Vorschläge für die Beschleunigung der Verfahren erarbeitet hat.

Am 6. November 2023 wurde der Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung zwischen Bund und Ländern geschlossen. Ziel des Pakts ist eine durchgreifende Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Für den Bereich GST sollen Bund und Länder im Rahmen der eigenen Zuständigkeit alle möglichen Erleichterungen ausschöpfen, um das Verfahren für die Antragsteller zu vereinfachen. Dazu soll das Verfahrensmanagements weiterentwickelt werden als Beitrag zu einer durchgängigen, medienbruchfreien und digitalen Durchführung des Genehmigungsprozesses. Zudem können die Verfahren mit zentralen Erlaubnis- und Genehmigungsbehörden (EGB), in der die vielen einzelnen Behörden gebündelt werden, verschlankt und vereinfacht werden. In den Bundesländern, in denen eine Zentralisierung stattgefunden habe, zeigten die Genehmigungsprozesse weitaus mehr Effizienz. Länder ohne EGB werden notwendige Schritte für die Errichtung zentraler EGB einleiten, soweit erforderlich, heißt es im Bund-Länder-Pakt.

Von der Ausschöpfung aller Möglichkeiten eines effizienten GST ist Nordrhein-Westfalen weit entfernt. Eine zentrale EGB gibt es in Nordrhein-Westfalen bis heute nicht, Pläne dazu sind nicht bekannt. In Hessen ist man weiter, dort ist die Straßenverkehrsbehörde „Hessen Mobil“ als zentrale EGB für die Erteilung der Erlaubnis nach § 29 StVO zuständig.

Die Gründung der Stabstelle Windenergie zeigt, dass auch die Landesregierung der Ansicht ist, dass das GST-Genehmigungsverfahren die Unternehmen überfordert. Ziel der Landesregierung muss jedoch eine spürbare Beschleunigung und Vereinfachung der Genehmigungsverfahren für den gesamten Großraum- und Schwertransport sein. Anstatt grundsätzliche Veränderungen vorzunehmen, wie eine zentrale EGB, werkelt die Landesregierung mithilfe der Stabstelle punktuell und einseitig am Status Quo herum. Die Beschleunigung von Verfahren für nur eine Branche ist unzureichend. Diese Exklusivität stellt eine einseitige Bevorzugung zum Nachteil aller anderen Branchen dar, eine Bevorzugung, die sachlich durch nichts gerechtfertigt ist. Willkür sollte sich eine Landesregierung nicht leisten. Die Landesregierung ist dafür verantwortlich, dass alle Großraum- und Schwertransporte zügig und reibungslos durchgeführt werden können.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Alle auf Großraum- und Schwertransporte angewiesenen Branchen benötigen zur Steigerung der Effizienz und Sicherstellung der Planungssicherheit eine deutliche Beschleunigung des Genehmigungsprozesses für Transporte.
  • Die gewünschte Beschleunigung der Verfahren gelingt durch breit angelegte Entbürokratisierung.
  • Die langfristige Zielsetzung muss ein beschleunigtes, volldigitales und medienbruch- freies Genehmigungsverfahren von der Antragstellung bis zum E-Beifahrer sein.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • im Rahmen ihrer Zuständigkeit, alle Möglichkeiten zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Großraum- und Schwertransporte zu nutzen, insbesondere durch Entbürokratisierung.
  • analog zum Bundesministerium für Digitales und Verkehr einen „Runden Tisch Großraum- und Schwerlasttransporte in NRW“ einzurichten, um mit den unterschiedlichen Betroffenen weitere Vorschläge für die Verfahrensbeschleunigung zu entwickeln.
  • die Genehmigungsverfahren für GST durch die Einrichtung einer zentralen Erlaubnis- und Genehmigungsbehörde zu vereinfachen.