Entwicklung, Bestände und Disponibilität der Selbstbewirtschaftungsmittel

Nach § 15 Absatz 2 Satz 4 Landeshaushaltsordnung ist in Bezug auf Selbstbewirtschaftungsmittel bei der Rechnungslegung nur die Zuweisung der Mittel an die beteiligten Stellen als Ausgabe nachzuweisen. Die Selbstbewirtschaftungsmittel gelten somit für den Haushalt als verausgabt, unabhängig davon, ob eine Zahlung tatsächlich erfolgt ist. Ab dem Jahr der Zuweisung werden die Selbstbewirtschaftungsmittel in den auf ihre Zuweisung zur Selbstbewirtschaftung folgenden Haushaltsrechnungen nicht mehr aufgeführt, sodass es dem Parlament nicht ohne weiteres möglich ist, die Entwicklung der Selbstbewirtschaftungsmittel-Bestände nachzuverfolgen. Da die Selbstbewirtschaftungsmittel nach ihrer Zuweisung zeitlich unbegrenzt zur Verfügung stehen und darüber hinaus die bei der Bewirtschaftung aufkommenden Einnahmen diesen Selbstbewirtschaftungsmitteln zufließen, können sie den Charakter von Dauerfonds neben den für das laufende Haushaltsjahr parlamentarisch bewilligten Haushaltsmitteln annehmen (Drs. 17/3600, Seite 121).

Die Selbstbewirtschaftungsmittel-Bestände in Nordrhein-Westfalen zum 01.01.2023 betrugen circa 8,5 Mrd. Euro (Vorlage 18/1669 Anlage 1 Seite 10). Zum 01.01.2024 betrugen sie circa 7,9 Mrd. Euro (Vorlage 18/2265 Anlage).

Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass sich insbesondere vor dem Hintergrund der dem Jahresberichtsbeitrag 2018 zugrundeliegenden Prüfungserkenntnisse und der bis 2024 erreichten Größenordnung von Selbstbewirtschaftungsmittel-Beständen gezeigt hat, dass die Selbstbewirtschaftungsmittel-Bestände mittlerweile den Charakter von Dauerfonds angenommen haben (Stellungnahme 18/1399, Seite 5).

Der Landesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dass die Kenntnis über den Bestand der Selbstbewirtschaftungsmittel für die Steuerung des Landeshaushalts, insbesondere im Hinblick auf die Schuldenbremse, von großer Bedeutung ist. Durch das Erfordernis, den Haushalt grundsätzlich ohne die Aufnahme von Krediten ausgleichen zu müssen, seien Einsparungen bei Haushaltsansätzen notwendig. Die Kenntnis über die Höhe noch bestehender Ausgabeermächtigungen in Form von Selbstbewirtschaftungsmitteln würde ein gezieltes Kürzen der Haushaltsansätze erleichtern. Für den Landtag sind die Kenntnisse über noch ausstehende Selbstbewirtschaftungsmittel zudem von Bedeutung, damit er seine Budget- und Kontrollrechte fundiert wahrnehmen kann (Drs. 17/3600, Seite 121).

Im Haushalt 2022 wurden im Einzelplan 14 Selbstbewirtschaftungsmittel in Höhe von 100 Mio. Euro rückübertragen. Im Haushalt 2023 wurden 112,3 Mio. Euro in Kapitel 20 020 Titel 119 20 zurückgeführt (Vorlage 18/2465, Seite 4). Im Haushalt 2024 sind in Kapitel 20 020 Titel 119 20 Einnahmen in Höhe von 859.990.300 Euro aus der Rückübertragung nicht mehr benötigter Selbstbewirtschaftungsmittel veranschlagt. Aus welchen Titeln diese zurückgeführt werden (sollen), ergibt sich aus Vorlage 18/2465 Anlage.

In der Anhörung zum Gesetzentwurf der FDP-Fraktion zur Änderung der Landeshaushaltsordnung (Drs. 18/7762) hat Professor Rossi darauf hingewiesen, dass die Selbstbewirtschaftung Fehlanreize für die Haushaltsaufstellung setzt. Sie verführe dazu, entgegen dem Grundsatz der kassenmäßigen Fälligkeit auch solche Mittel zur Selbstbewirtschaftung zu veranschlagen, die im Planungsjahr voraussichtlich gar nicht kassenwirksam werden (Stellungnahme 18/1434, Seite 3). Ein Volumen an Selbstbewirtschaftungsmitteln in Höhe von 10% des Gesamthaushalts indiziere, dass nicht nur beim Haushaltsvollzug, sondern bereits bei der Haushaltsaufstellung der gebotene Ausnahmecharakter der Selbstbewirtschaftung missachtet werde. Zugleich indiziere ein solches Volumen, dass das Instrumentarium für die Kontrolle des Haushaltsvollzugs offenkundig unzureichend ist (Stellungnahme 18/1434, Seite 4).

Da das Institut der Selbstbewirtschaftung Durchbrechungen wesentlicher Haushaltsgrundsätze wie des Grundsatzes der Jährlichkeit, des Bruttoprinzips sowie des Grundsatzes der Gesamtdeckung im Haushalt beinhaltet und diese Durchbrechungen das parlamentarische Budget- und Kontrollrecht beeinträchtigen, fordert der Landesrechnungshof Selbstbewirtschaftungsvermerke in Anzahl und Umfang auf das unbedingt Notwendige zu begrenzen. Jeder Selbstbewirtschaftungsvermerk sei dahingehend zu prüfen, ob und inwieweit durch die Selbstbewirtschaftung eine sparsame Bewirtschaftung über die für alle Ausgaben allgemein geltende sparsame Mittelverwendung hinaus gefördert wird. Zum Beispiel könne die Begründung, dass sich Maßnahmen über mehrere Jahre erstrecken, im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Selbstbewirtschaftungsmittel allenfalls als Beschreibung, aber nicht als ausreichende Begründung für die Veranschlagung der Mittel zur Selbstbewirtschaftung angesehen werden (Stellungnahme 18/1399, Seite 3). Zur Vereinheitlichung der Bewirtschaftungspraxis sollten zudem Bewirtschaftungsregelungen für Selbstbewirtschaftungsmittel erlassen werden (Stellungnahme 18/1399, Seite 4).

Der Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e.V. berichtet, neben dem Parlament hätten aufgrund der mangelnden Transparenz sogar die Ministerien nicht immer einen vollständigen Überblick über die derzeit noch vorhandenen Selbstbewirtschaftungsmittel (Stellungnahme 18/1418, Seite 1).

Diese Erkenntnisse teilt zwischenzeitlich offensichtlich auch der Minister der Finanzen Dr. Optendrenk. Laut der Ausgabe der Rheinischen Post vom 24.04.2024 hat er angekündigt, dass man künftig weniger auf Selbstbewirtschaftungsmittel setzen werde, bei denen die Häuser quasi über ein Budget in Eigenregie für jahresübergreifende Projekte verfügen. In dem Artikel wird er unter anderem wie folgt zitiert: „Wir werden den Mitteleinsatz wieder mit Verpflichtungsermächtigungen und Baransätzen genauer planen.“

Infolgedessen hat der Minister der Finanzen Schritte eingeleitet, um selbst wieder einen Überblick über den Einsatz und Einfluss auf die Höhe der Selbstbewirtschaftungsmittel zu gewinnen (vgl. Vorlage 18/2465 vom 14.04.2024). So befindet sich seitens des Ministeriums der Finanzen ein zentrales Controlling im Aufbau. Als erster Baustein waren die Anfangsbestände 2024 durch die Ressorts zu melden (vgl. Vorlage 18/2265 Anlage). Aktuell erfolgt die Meldung der Ressorts für das erste Quartal. Maßnahmen für eine zukünftige Automationsunterstützung wurden eingeleitet (Vorlage 18/2465, Seite 3). Zudem ist ab 2024 für eine Verausgabung der Mittel aus dem Haushaltsplan in die Selbstbewirtschaftung aufgrund des ausgebrachten Haushaltsvermerks zusätzlich noch eine Zustimmung des Ministeriums der Finanzen erforderlich (Vorlage 18/2465, Seite 2).

Die mit der vorliegenden Großen Anfrage abgefragten Informationen sollen dem Landtag Aufschluss über den Umgang der Landesregierung mit den in die Selbstverwaltung überführten Mitteln sowie deren Bewirtschaftung geben. Insoweit berufen sich die Anfragesteller auf ihr Frage- und Informationsrecht aus Art. 30 Absätze 1 und 2 der Landesverfassung. Zudem werden diese auch für die parlamentarische Beratung des Haushaltsentwurfs 2025 benötigt. Ohne die abgefragten Daten ist eine fundierte Beurteilung, inwieweit Mittelbedarfe bei einer Zusammenschau der Veranschlagungen in Titeln des Haushaltsentwurfs 2025 sowie der in den korrespondierenden Selbstbewirtschaftungskonten vorhandenen Mittel gedeckt sind bzw. in welcher Höhe Selbstbewirtschaftungsmittel in den Einzelplan 20 zurückübertragen werden können, nicht möglich. In der Antwort auf die Kleine Anfrage 2850 hat die Landesregierung ausgeführt, dass detaillierte Aussagen zur Rückführbarkeit der aktuellen Selbstbewirtschaftungsmittel der Ressorts, zum Stand der rechtlichen oder tatsächlichen Bindungen sowie zu den Anteilen der Bundesmittel bzw. der Mittel der Europäischen Union an den aktuellen Selbstbewirtschaftungsmitteln in der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich seien (Drs. 18/7284, Seite 2 f.). Um der Landesregierung eine vollständige Antwort zu ermöglichen, werden die Fragestellungen daher nunmehr mittels einer Großen Anfrage weiterverfolgt. Das Parlament benötigt einen lückenlosen und geschlossenen Gesamtüberblick zur Erfüllung seiner Kontrollaufgaben (Meickmann, Schattenhaushalte und parlamentarisches Budgetrecht, NVwZ 2022, 106 (107) m.w.N.). Zwangsläufig erfolgt die Einreichung der Großen Anfrage bereits im Vorfeld des voraussichtlich von der 37. bis zur 51. Kalenderwoche 2024 dauernden parlamentarischen Beratungsverfahrens des Haushaltsentwurfs 2025, da dieses die Vierteljahresfrist des § 90 Absatz 1 GO LT NRW nur um wenige Tage überschreitet und eine parlamentarische Verarbeitung der abgefragten Informationen in dessen Rahmen bei einem Zuwarten mit der Einreichung der Großen Anfrage bis zur Einbringung des Haushaltsgesetzes 2025 durch die Landesregierung bei einer Ausschöpfung der Vierteljahresfrist durch die Landesregierung nicht möglich wäre. Eine Berufung der Landesregierung auf eine Beschränkung des Budgetinformationsrechts aus Art. 81 Absatz 1, Absatz 3 Satz 1 der Landesverfassung in zeitlicher Hinsicht auf das parlamentarische Haushaltsgesetzgebungsverfahren (vgl. SächsVerfGH NVwZ 2008, 585 (593)), wäre im Hinblick darauf rechtsmissbräuchlich und läge auch nicht in dem erklärten Interesse der Landesregierung. So führte der Minister der Finanzen Dr. Optendrenk am 24.01.2024 in der Sitzung des Landtags aus: „Das parlamentarische Budget- und Kontrollrecht ist ein hohes Gut, das es nicht nur zu schützen, sondern auch zu stärken gilt. Deshalb ist eine hohe Transparenz auch bei den Selbstbewirtschaftungsmitteln für mich und für die Landesregierung ganz selbstverständlich und wichtig.“ (PlPr 18/54, Seite 119). Aufgrund der zeitlichen Grenzen des Budgetinformationsrechts aus Art. 81 Absatz 1, Absatz 3 Satz 1 der Landesverfassung, und da bei der Beurteilung der Zumutbarkeit im Rahmen der mit dem Frage- und Informationsrecht der Abgeordneten aus Art. 30 Absätze 1 und 2 der Landesverfassung korrespondierenden Antwortpflicht der Landesregierung unter anderem zu berücksichtigen ist, dass für die Beantwortung parlamentarischer Anfragen in der Regel lediglich ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung steht (VerfGH NRW NWVBl. 2020, 366 (374)), erklären sich die Anfragesteller vorsorglich von vornherein mit einer Verlängerung der Vierteljahresfrist des § 90 Absatz 1 GO LT NRW bis zur 37. Kalenderwoche 2024 einverstanden und regen insofern die Beantragung einer Fristverlängerung gemäß §§ 29 Absatz 3 Satz 3 GOLR, 32 Absatz 5 Satz 1, 2. Alternative GGO NRW an.

Der Aufbau der Großen Anfrage ermöglicht trotz des Umfangs eine in weiten Teilen standardisierte Bearbeitung. Unter I. sind allgemeine Fragen zusammengefasst, unabhängig vom einzelnen Selbstbewirtschaftungskonto vor die Klammer gezogen werden können. Unter II. finden sich die Fragen zu den einzelnen Selbstbewirtschaftungskonten, jeweils nach einem wiederkehrenden Schema aufgebaut sind. Grundlage der Gliederung II. ist die Tabelle der Anlage zu Vorlage 18/2265. Unter III. erfolgt entsprechend dem Schema zu II. die Aggregation der zu den einzelnen Selbstbewirtschaftungskonten abgefragten Ergebnisse, um ein kapitel- und einzelplanübergreifendes Gesamtbild zu erhalten.

Wir fragen daher die Landesregierung:

ALLE NACHSTEHENDEN FRAGEN SIND IM DOWNLOAD ABRUFBAR