Ernüchterung bei der Hilfegewährung über ein Jahr nach der großen Flutkatastrophe – Wann und wie werden Spendengelder an die betroffenen Geschädigten ausgezahlt?
Bereits Mitte Juli 2021 hat sich in Nordrhein-Westfalen die historisch mit Abstand schlimmste Hochwasserkatastrophe in der 75-jährigen Landesgeschichte ereignet. Mit rund 180 Städten und Gemeinden ist landesweit fast die Hälfte der Kommunen davon betroffen gewesen. 49 Bürgerinnen und Bürger haben durch diese Flut viel zu früh ihr Leben verloren.
Die Jahrhundertflut im Zusammenhang mit dem Tief Bernd hat insbesondere an den beiden Tagen des 14. und 15. Juli 2021 massive Schäden in zahlreichen Regionen verursacht und unvorstellbares Leid wie Verwüstungen in weiten Teilen unseres Landes mit sich gebracht. Innerhalb von oft nur wenigen Stunden verloren dadurch zahllose Menschen ihr ganzes Hab und Gut. Zudem ist die öffentliche Infrastruktur in etlichen Landesteilen infolge der Überschwemmungen, Unterspülungen, von Deichbrüchen, und überlaufenden Talsperren zerstört worden. Zahlreiche Straßen, Brücken, Schulen, Kitas, Wohn- und Betriebsgebäude sowie Leitungsnetze der Wasser-, Energie- und Telekommunikationsversorgung wurden teils irreparabel beschädigt und müssen grundlegend erneuert werden. Kulturelle Schätze, persönliche Wertsachen, unersetzliche Familienerbstücke und Erinnerungen gingen in den wuchtigen Massen von Schlamm und Geröll unwiederbringlich verloren.
Die materielle und immaterielle Dimension der Schäden und damit auch die Herausforderung ihrer Bewältigung sind gewaltig. Der Wiederaufbauarbeiten werden voraussichtlich noch lange dauern und mit einem Aufwand von geschätzten 13 Milliarden Euro beziffert. Ein Jahr nach der Flut sind die Sanierungsarbeiten an Brücken und Straßen sowie öffentlichen und privaten Gebäuden noch längst nicht abgeschlossen.
Die freiwilligen Hilfsorganisationen und Katastrophenschutzbehörden waren während des Hochwassers und in der Zeit danach vor Ort mit ihren Einsatzkräften, Beschäftigten und freiwilligen Helferinnen und Helfern aktiv. Stellenweise waren sie ununterbrochen im Einsatz. Im Rahmen ihres Einsatzes haben sie bei der Bewältigung der Katastrophe unmittelbar Hilfe geleistet, Menschenleben gerettet und waren direkt an den Bergungs- und Aufräumarbeiten beteiligt.
Nach der Jahrhundertflut war die Hilfsbereitschaft allgemein riesig. Laut einer Umfrage des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) wurden bislang rund 655 Millionen Euro gespendet – mehr als jemals zuvor nach einer Katastrophe in Deutschland. Inzwischen herrscht aber bei vielen Betroffenen Ernüchterung. Nur ein Teil der privaten Spenden wurde bisher ausgezahlt, viele warten auf Versicherungsgelder oder Hilfen von Bund und Ländern.
Auch administrative Hürden werden von Geschädigten immer wieder beklagt. Beispielsweise dürfen dem Vernehmen nach an vom Hochwasser betroffene Unternehmen grundsätzlich keine Spenden ausgezahlt werden. Unternehmen, insbesondere Kleinstunternehmer sowie Privatpersonen, sind jedoch dringend auf jede Form monetärer Hilfen angewiesen, um den Wiederaufbau zügig voranzubringen. Komplizierte Regelungen und damit verbundene Bürokratie erschwert es den Betroffenen, die notwendigen Gelder zu erhalten. Eine Geschädigte erzählte im Juli dem ZDF: „Es sind Hürden, die kann man gar nicht meistern. Es werden immer wieder neue Unterlagen und Papiere gefordert, die man einfach nicht mehr hat“.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Welche einzelnen Maßnahmen ergreift die Landesregierung bislang, um betroffenen Geschädigten vorhandene Hilfsgelder, insbesondere Spendengelder, zeitnah und unbürokratisch zukommen zu lassen?
- In genau welcher Höhe wurden bislang Finanzmittel, differenziert nach öffentlichen Zuwendungen und privaten Spendengeldern, seitens der öffentlichen Hand an die Betroffenen ausgezahlt?
- Nach jeweils genau welchen Kriterien entscheidet sich für die einzelnen Hilfsfonds, wer der Begünstigte der Unterstützungsleistungen ist?
- Was hat die Landesregierung bislang unternommen, damit auch Kleinstunternehmer und Unternehmer die ihnen zugedachten Spenden in wirtschaftlich sinnvoller Weise erhalten können?
- Welche einzelnen Maßnahmen hat die Landesregierung bislang alle ergriffen, um den Wiederaufbau in den geschädigten Gebieten in den jeweiligen Handlungsfeldern deutlich zu beschleunigen?
Dr. Werner Pfeil
Ralf Witzel