Europas Erfolg und Vision bleibt gemeinsamer Frieden. Zum 85. Jahrestag des Kriegsbeginns am 1. September 1939 – Überfall auf Polen durch Nazideutschland
I. Ausgangslage
Der 1. September markiert mit dem deutschen Überfall auf Polen den Beginn des Zweiten Weltkriegs. Für die Menschen in NRW und in ganz Deutschland ist der 1. September ein Datum, das zutiefst bewegt. Dass wir heute, 85 Jahre nach diesen Ereignissen, an sie erinnern, gebietet die Menschlichkeit ebenso wie die politische Verantwortung in diesen aktuellen, bewegten Zeiten.
In der Zeit des Nationalsozialismus haben deutsche Politiker, deutsche Soldaten und die gesamte deutsche Bevölkerung große Schuld auf sich geladen. Die Vorbereitungen seit 1933, die offene Gewalt ab 1939 und die systematische Vernichtung von Millionen von Menschen bis 1945 offenbaren die dunkelsten Abgründe der deutschen Geschichte. Sie kosteten über 60 Millionen Menschen das Leben und offenbarten mit der Shoa ein bis dato nicht gekanntes Ausmaß an Vernichtungswille und Menschenhass. Dabei war Polen nicht nur das erste Opfer des deutschen Vernichtungsfeldzugs, auch die Dauer der Fremdherrschaft setzte sich durch den sowjetischen Einfluss nach 1945 weiter fort. Allein in Polen verloren fast 6 Millionen Menschen bis 1945 ihr Leben, ungezählte weitere wurden Opfer furchtbarer Gräueltaten, von Entwurzelung und Vertreibung.
Dass aus diesen dunkelsten Stunden der gemeinsamen Geschichte dennoch wieder gegenseitiges Vertrauen erwachsen konnte, ist das Ergebnis intensiver und fortgesetzter Bemühungen in den letzten Jahrzehnten: Das gute nachbarschaftliche Verhältnis zu Polen war allen Bundesregierungen ein besonderes Anliegen. Ein Ausrufezeichen im deutsch-polnischen Aussöhnungsprozess kommt Willy Brandt und seinem Kniefall in Warschau zu. Der Widerstand der Solidarność-Bewegung in Danzig wiederum war wegweisend für die Entwicklung hin zum Mauerfall und für die spätere deutsch-deutsche Wiedervereinigung.
Seit nunmehr 20 Jahren ist Polen Mitglied der Europäischen Union. NRW und ganz Deutschland sind im Jahr 2024 auf vielfältige Weise mit dem polnischen Staat und der polnischen Bevölkerung verbunden: Mit seiner Partnerregion Schlesien teilt die Industrieregion NRW gemeinsame Geschichte bis zurück ins 19. Jahrhundert, hier gibt es enge Verflechtungen mit der polnischen Kultur. Heute leben allein in NRW rund 600.000 Menschen mit polnischen Wurzeln. Belebt wird der deutsch-polnische Dialog auch durch zahlreiche Städtepartnerschaften. Die Partnerschaft zwischen Warschau und Düsseldorf ist dafür nur eines von vielen Beispielen der lebhaften und fruchtbaren Austauschkultur, die im Oktober diesen Jahres ihr 35. Jubiläum feiert. Das Regionale Weimarer Dreieck bringt junge Menschen aus Polen, Frankreich und Deutschland zusammen, Kooperationen, gemeinsame Ausbildungsprojekte und Städtepartnerschaften werden von Schulen und Vereinen gepflegt. Das Deutsch-Polnische Jugendwerk
engagiert sich für diesen Austausch, der Grundlage für ein gegenseitiges Verständnis ist. Auch wirtschaftlich sind NRW und Polen heute eng miteinander verflochten.
Die Stärkung dieser Gemeinsamkeiten in einer lebendigen Gedenk- und Erinnerungskultur muss ein Kernanliegen bleiben. Dies zeigt auch der aktuelle Beschluss zur Errichtung eines Polnischen Hauses im Herzen Berlin, der nun im Bundestag abgestimmt wird.
Der 85. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen ist Mahnung und Auftrag zugleich. Angesichts aktueller politischer Entwicklungen wie des Überfalls Russlands auf die Ukraine und dem Erstarken nationalistischer Parteien in ganz Europa wird deutlich, dass Frieden in Europa keineswegs selbstverständlich ist. Umso bedeutender ist es, dass die Mehrheit der Polinnen und Polen vor knapp einem Jahr ein deutliches Votum für ein demokratisches Miteinander in einem gestärkten Europa und zur Überwindung populistischer und antidemokratischer Kräfte abgegeben haben. Dies ist Anreiz und Chance zugleich, um die Errungenschaft eines friedlichen und freundschaftlichen deutsch-polnischen Miteinanders wieder zu vertiefen, zu schützen und zu stärken.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Die Partnerschaft mit unserem Nachbarland Polen ist Herzstück für ein starkes und friedliches Europa.
- Die bilateralen Beziehungen zu Polen müssen weiterhin einen besonderen Stellenwert in unseren Bemühungen und Plänen einnehmen.
- Weitere Förderung für wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Austausch zwischen Regionen in NRW und in Polen sowie die Förderungen von Erinnerungskultur und Gedenken wie das Deutsch-Polnische Haus in Berlin sind zu begrüßen.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung, im Rahmen vorhandener Mittel
- die erfolgreiche Partnerschaft zwischen NRW und Schlesien weiterzuführen und auszubauen.
- zu prüfen, inwieweit bestehende Programme des kulturellen und wirtschaftlichen Austauschs zwischen Polen und NRW unterstützt werden können.
- die Pflege der deutsch-polnischen Erinnerungskultur insbesondere für Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen und weiterzuentwickeln.
- zu prüfen, ob angesichts neuer politischer Entwicklungen Angebote gegebenenfalls (weiter-)entwickelt werden können.
- zu prüfen, inwieweit die deutsch-polnische Geschichte als Lerninhalt an Schulen vor- kommt und dieses Wissen weiter zu thematisieren.
- zu prüfen, inwieweit das Thema Gegenstand von Fortbildungsangeboten für Lehrkräfte sein kann.
- in Zusammenarbeit mit Gedenkstätten und Austauschorganisationen weitere Programme aufzulegen.