Folgen der fehlenden Studienbefragung zur Ermittlung des „Klebeeffekts“ bei der Grundschullehrerausbildung!

Mit der kleinen Anfrage 226 unter dem Titel „Kommt die Grundschullehrerausbildung an der RWTH Aachen?" (LT-Drucksache 18/336) wurde unter anderem nach dem „Klebeeffekt“ gefragt, der genutzt werden sollte, um ausgebildete Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer sowie Sonderpädagogen flächendeckend in ganz NRW zu verteilen.

In der Antwort der Landesregierung vom 26.8.2022 antwortet diese auf die Frage 3: „Wie hoch ist der Anteil der Absolvierenden an den bisherigen Hochschulstandorten mit den Studiengängen Sonderpädagogik und Grundschullehramt, die nach dem Studienabschluss bevorzugt in der Region der Hochschule verbleiben („Klebeeffekt") bzw. auch noch fünf Jahre nach dem Studienabschluss in der Region der Hochschule verblieben sind?“ Die Antwort der Landesregierung lautet: „Die Frage kann nicht beantwortet werden, da entsprechende Zahlen weder von der Landesregierung noch von den nachgeordneten Behörden oder den einzelnen Hochschulen erhoben werden. Ebenso wenig liegen Daten dazu vor, in welchem Umfang Lehrkräfte nach einem auswärtigen Studium langfristig für eine Tätigkeit an Schulen in ihre Herkunftsregion zurückkehren.“

Fehlende Grundschullehrer sind seit mehreren Jahren ein Problem, nicht nur in der Region Aachen, jedoch wird diese Region durch den fehlenden Klebeeffekt besonders benachteiligt.

In der Kleinen Anfrage 17/16686 vom 4.3.2022 heißt es unter der Überschrift: „Der Lehrermangel wird immer dramatischer“: Lehrkräfteversorgung in der Städteregion Aachen wie folgt, „Am 1. März 2022 berichteten die Aachener Nachrichten von einem „dringenden Appell“ von Stadt und Städteregion Aachen an die Landesregierung: An den 88 städteregionalen Grundschulen seien in den vergangenen sechs Jahren durchschnittlich sechs von zehn Lehrerstellen unbesetzt geblieben. Erneut pochen Stadt und Städteregion darauf, an den Aachener Hochschulen auch Grundschullehrkräfte auszubilden. Die Ausbildungskapazitäten müssten ohnehin erweitert werden und von den üblichen Klebeeffekten könne die ganze Region profitieren.

In der Aachener Zeitung vom 19.10.2019 heißt es unter der Überschrift: „Grundschullehrer in Aachen ausbilden!“: „Braucht Aachen wieder einen Studiengang fürs Grundschullehramt? „Ja!“, sagt das Schulräteteam der Städteregion. „Ja klar!“, sagt der Verband Bildung und Erziehung (VBE). „Ja“, sagen auch die Liberalen im Aachener Stadtrat und im Städteregionstag. Sie setzen sich dafür ein, dass die Lehrerausbildung für Primarstufe, aber auch für Sekundarstufe I und Sonderpädagogik in Aachen (wieder) ermöglicht wird. Entsprechende Anträge an den Stadtrat und den Städteregionstag sind vergangene Woche gestellt worden. Oberbürgermeister Marcel Philipp und Städteregionsrat Tim Grüttemeier, so die Forderung, sollen NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen und RWTH-Rektor Ulrich Rüdiger bitten, noch in diesem Jahr entsprechende Maßnahmen einzuleiten.“

In seiner Sitzung am 28.11.2019 hat sodann auch der Städteregionsausschuss der Städteregion Aachen auf Antrag der FDP-Fraktion folgenden Beschluss gefasst: „Der Städteregionsausschuss unterstützt alle Bemühungen, dem eklatanten Mangel an Lehrkräften im Grundschulbereich entgegenzuwirken. Er bittet die Landesregierung, die Ausbildungskapazitäten für das Lehramt an Grundschulen über neue Studienplätze zu erweitern. Er setzt sich dafür ein, wieder ein regionales Studienangebot aufzubauen und bittet die Landesregierung, die RWTH Aachen zeitnah mit den notwendigen Ressourcen auszustatten, um ein Studium zum Grundschullehramt anbieten zu können.“

In der 17. Legislaturperiode hat das Wissenschaftsministerium keine Änderungen durchgeführt.

Die Landesregierung antwortete in ihrer Antwort ebenso wie in der Antwort vom 26.8.2022 über die Besetzung und den Platzausbau an den acht bestehenden Studienstandorten für die Grundschullehrerausbildung an den Universitäten Bielefeld, Dortmund, Duisburg-Essen, Köln, Münster, Paderborn, Siegen, Wuppertal und an den sechs Studienstandorten für das Lehramt für sonderpädagogische Förderung.

Damit konnte jedoch in den letzten Jahren in der Region Aachen die Unterversorgung mit Grundschullehrern und Sonderpädagogen nicht behoben werden. Anstatt dessen verschärfte sich vielmehr die Situation.

In der Aachener Zeitung vom 22.4.2022 heißt es unter der Überschrift: „Gewerkschaften kritisieren RWTH“: „Das Wissenschaftsministerium argumentierte gegenüber unserer Zeitung mit einer sinkenden Nachfrage an Lehrkräften ab 2026. „Allerdings lag das Ministerium schon in den letzten Jahren mit seinen langfristig prognostizierten Schülerzahlen gerade in Ballungsräumen von NRW häufig falsch“, kritisieren nun DGB und GEW und verwiesen auf die aktuell steigenden Schülerzahlen, weil Kinder und Jugendliche aus der Ukraine nach Deutschland kommen.“

Dieser Umstand sollte seit 2019 bekannt sein. Hier wird auf die Studie der Bertelsmann-Stiftung „Lehrermangel in Grundschulen bis 2030 größer als bislang erwartet“ verwiesen. Darin heißt es: „Der Lehrermangel in Grundschulen wird im Laufe der nächsten sechs Jahre dramatischer als bislang angenommen. Im Jahr 2025 fehlen mindestens 26.300 Absolventen für das Grundschullehramt. Die Kultusministerkonferenz (KMK) ist in ihrer Prognose aus dem Oktober 2018 hingegen von lediglich rund 15.300 fehlenden Lehrkräften ausgegangen. Diese Diskrepanz ist auf einen stärkeren Anstieg der Schülerzahlen zurückzuführen. Ging die KMK im vergangenen Jahr noch davon aus, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler in der Primarstufe im Jahr 2025 bei 3,064 Millionen liegen würde, zeigt eine Schülerzahlenprognose auf der Basis der aktuellen Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Bundesamts, dass die Zahl der Grundschulkinder rund 3,232 Millionen betragen dürfte. Dies entspricht einem Plus gegenüber der KMK-Schätzung von rund 168.000 Schülern.“

Andere Bundesländer wie etwa Sachsen haben hierauf reagiert. So berichtete am 25.2.2020 das Sachsen Fernsehen, nachzulesen auf der Internetseite: „Ministerpräsident Michael Kretschmar möchte die regionale Lehrerbildung fördern und zur Gewinnung von Lehrkräften beitragen. Nachdem eine Studie der TU Dresden ergeben hat, dass die Verbundenheit mit der Familie und der Region unter Lehramtsstudenten sehr hoch ist sollen nun neue Standorte geschaffen werden. Zudem sollte eine regionale Ausbildung nicht nur auf bestimmte Schularten begrenzt werden. Zukünftig möchte Kretschmer, dass das komplette Studium inklusive des ersten und zweiten Staatsexamens sowie des Referendariats in der Region absolviert werden kann. Damit hofft er einen sogenannten „Klebeeffekt“ zu erreichen und somit eine Ortsverankerung zu erreichen. Nun versucht die Landesregierung so schnell wie möglich die finanziellen und personellen Voraussetzungen zu schaffen.“

Dass das CDU geführte NRW-Wissenschaftsministerium, das für die Hochschulen zuständig ist, in den letzten Jahren offenbar keine Untersuchung vorgenommen hat und deswegen natürlich auch keine Daten zum „Klebeeffekt“ in NRW vorliegen hat, ist nicht nachvollziehbar, jedoch ergeben sich aus Studien anderer Bundesländer entsprechende Studienergebnisse.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wird die Landesregierung in Kenntnis des Grundschullehrermangels in der Region Aachen und in Kenntnis der Studie der TU Dresden sowie in Unkenntnis der eigenen Datenlage die finanziellen und personellen Voraussetzungen dafür schaffen, damit in der Region Aachen im Jahr 2023/2024 Studiengänge für das Grundschullehramt und das Lehramt für Sonderpädagogik angeboten wird?
  2. Wird die Landesregierung in Kenntnis des Grundschullehrermangels in der Region Aachen und in Kenntnis der Studie der TU Dresden eine eigene Studie zum Klebeeffekt durch das Wissenschaftsministerium in Auftrag geben?
  3. Wird die Landesregierung in Kenntnis des Grundschullehrermangels in der Region Aachen aber auch in anderen Regionen in NRW ähnlich wie bei dem Projekt der Landärzte Lehrer für das Grundschullehramt und Lehrer im Bereich Sonderpädagogik finanziell besser entschädigen oder ihnen einen Studienplatzvorteil verschaffen, wenn sie sich im Gegenzug verpflichten, nach Abschluss von Studium und Referendariat zehn Jahre lang als Lehrer in einer unterversorgten Region zu arbeiten?
  4. Wird die Landesregierung in Kenntnis des Grundschullehrermangels in der Region Aachen und in anderen Regionen in NRW die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, um in der Stadt Aachen oder in der Region Aachen eine Niederlassung der Universität Köln neu zu errichten, damit sie räumlich, personell und finanziell gut ausgestattet im Studienjahr 2023 mit der Ausbildung beginnen kann? 
  5. Was wird die Landesregierung bei Verneinung der Fragen 1 - 4 machen, um die Situation der Grundschulen in der Region Aachen zu verbessern?

Dr. Werner Pfeil