Fünftes Gesetz zur Änderung des Landesplanungsgesetzes Nordrhein-Westfalen

A Problem

Mit der zweiten Änderung des Landesentwicklungsplans hat die Landesregierung beschlossen 1,8 Prozent der Landesfläche für die Windenergie im Rahmen einer weiteren Änderung der Regionalpläne planerisch bereits im Jahr 2025 zu sichern. Das soll über die Ausweisung von Windenergiegebieten erfolgen. Erst mit Inkrafttreten der Regionalpläne ist der Zubau der Windenergieanlagen in einem geordneten räumlichen Rahmen gesichert. Für den Übergangszeitraum bis zum Inkrafttreten der Regionalpläne war mit einer sogenannten Übergangsregelung vorgesehen, den Zubau von Windenergieanlagen außerhalb der vorgesehenen Windenergiegebiete zu verhindern und damit die Aufstellung der Regionalpläne abzusichern.

Der Versuch solch einer Übergangsregelung im Rahmen der zweiten Änderung des Landesentwicklungsplans zu etablieren, ist gescheitert. Das OVG Münster hat in einem Urteil vom 16.02.2024 entschieden (Az. 22 D 150/22.AK), dass die im neuen Entwurf des Landesentwicklungsplans forcierte Lenkung des Windenergieausbaus in Plansatz 10.2-13 (Steuerung der Windenergienutzung im Übergangszeitraum) rechtswidrig ist und „schon grundsätzlich kein beachtliches, dem Vorhaben der Klägerin entgegenstehendes Ziel der Raumordnung“ erkennen“ ließe. Mit der Übergangsregelung in Plansatz 10-2-13 „dürfte der LEP-E insoweit unzulässiger Weise ein Ausschlusskonzept verfolgen, wie es seit dem 1. Februar 2024 für neue Flächennutzungs- und Raumordnungspläne nicht mehr zur Verfügung stehen dürfte“ und verwies auf den zwischenzeitlich in § 245e Abs. 1 BauGB geregelten Paradigmenwechsel. Demnach kommt neuen Plänen, die nach dem 1. Februar 2024 in Kraft treten, keine Ausschlusswirkung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB mehr zu. Das gelte gleichermaßen bei der Festlegung von Zielen in Raumordnungsplänen.

Der Versuch, in Folge des OVG-Urteils vom 16.02.2024, die Übergangsregelung rechtssicher auszugestalten, indem mit einer Änderung des Landesplanungsgesetzes (LPlG) und der Neueinführung des § 36 Abs. 3 LPlG Genehmigungsbehörden ermöglicht wird, laufende Genehmigungen für Bauanträge für Windenergieanlagen bis zum Inkrafttreten der Regionalpläne auszusetzen, wenn durch das konkrete Vorhaben die Durchführung der Regionalplanung unmöglich oder wesentlich erschwert wird, ist ebenfalls gescheitert.

In seiner Entscheidung vom 26.09.2024 (Az. 22 B 727/24.AK) hat das OVG Münster die Aussetzung einer Genehmigung für eine Windenergieanlage im Kreis Soest für offensichtlich rechtswidrig erklärt. Die dafür neu geschaffene Landesvorschrift in §36 Abs. 3 LPlG verstößt laut Gericht gegen das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImschG) und dürfte nichtig sein.

Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens zur vierten Änderung des Landesplanungsgesetzes sind von zahlreichen Sachverständigen erhebliche rechtliche Bedenken gegenüber den Regelungen des neuen §36 Abs.3 LPlG geäußert worden. Sowohl auf den Konflikt mit bundesgesetzlichen Vorgaben wurde hingewiesen als auch vor einer möglichen Klagewelle von Vorhabenträgern von Windenergieprojekten wurde erwartet.

Nach Inkrafttreten der Regelung im Juni 2024 ist es zu zahlreichen Genehmigungsaussetzungen für Windkraftvorhaben in Nordrhein-Westfalen gekommen. Die Genehmigungen von über 80 Windenergieanlagen sind bis dato ausgesetzt worden. Beim OVG Münster sind weiter 17 Eilverfahren zu rund 50 Windenergieanlagen anhängig. Windenergieunternehmen berichten von Rückstellungsquoten von 75 Prozent ihrer geplanten Anlagen alleine in den vergangenen Monaten. Alleine im Regierungsbezirk Arnsberg waren Stand 28.08.2024 rund 65 Windräder von Genehmigungsrückstellungen betroffen. Branchenverbände beziffern die dadurch gefährdete installierte Energieleistung auf mehrere hundert Megawatt, was einem NettoJahreszubau an Windkraft in früheren Jahren in Nordrhein-Westfalen gleichkommt. Durch die Genehmigungsaussetzungen wird der Ausbau der Windenergie in Nordrhein-Westfalen erheblich verzögert. Investitionen in Windenergieanlagen in Millionenhöhe drohen verloren zu gehen. Neben dem hohen wirtschaftlichen Schaden wird sowohl die Erreichung der Ausbauziele für die Windenergie als auch die Erreichung Klimaziele des Landes gefährdet. Der zügige Ausbau von Energieerzeugungskapazitäten ist darüber hinaus notwendige Bedingung für den Erhalt der Versorgungssicherheit und stabile Energiepreise.

Unterdessen ist auf Bundesebene mit der Novellierung des Baugesetzbuches (BauGB) eine Änderung in § 249 Abs. 2 BauGB vorgesehen, die die Möglichkeit von Genehmigungsaussetzungen für diejenigen Vorhaben untersagt, die sich vor der Feststellung des Erreichens der Flächenbeitragswerte bereits im Genehmigungs- oder Vorbescheidsverfahren befinden und deren Privilegierung im Außenbereich nach § 35 Absatz 1 Nummer 5 BauGB mit Eintreten der Rechtsfolge nach Absatz 2 Satz 1 und 2 BauGB nachträglich entfällt. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Anlage nach § 35 Absatz 1 BauGB oder nach § 35 Absatz 2 BauGB zu beurteilen ist, soll nach der Neuregelung der Zeitpunkt sein, zu dem der Antrag bei der zuständigen Behörde eingegangen ist.

Es bedarf es einer gesetzlichen Klärung, die das Bundesrecht achtet, den Windausbauzielen von Bund und Land Rechnung trägt und den Vertrauensschutz der Unternehmen und Akteure der Windbranche wiederherstellt.

B Lösung

Die neu geschaffene Landesvorschrift in §36 Abs. 3 LPlG NRW wird aufgehoben.

C Alternativen

Keine.

D Kosten

Keine.

E Zuständigkeit

Zuständig ist das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.

F Auswirkungen auf die Selbstverwaltung und die Finanzlage der Gemeinden und Gemeindeverbände

Die Gemeinden und Gemeindeverbände werden durch die Rückkehr zu einem rechtssicheren und rechtskonformen Verfahren in ihrer Selbstverwaltung gestärkt.

G Finanzielle Auswirkungen auf die Unternehmen und die privaten Haushalte

Unternehmen und private Haushalte sind betroffen und profitieren von der Streichung des §36 Abs. 3 LPlG. Unternehmen, die Windenergieanlagen planen, bauen und betreiben, werden durch eine klare gesetzliche Regelung in ihrem Rechtschutz und durch die Abschaffung einer rückwirkenden Regelung im Vertrauen auf die Rechtssicherheit gestärkt, sodass letztlich etwaige Prozesskosten vermieden werden. Insbesondere werden Genehmigungsrückstellungen von einem Jahr und mehr auf diesem Weg ausgeschlossen, die andernfalls in der Regel ein Ende der Investitionsvorhaben eines Windprojektes und folglich einen Millionenschaden pro Windenergieanlage nach sich ziehen würden. Insgesamt werden somit mehrere hundert Millionen Euro wirtschaftliche Schäden der Branche vermieden.

H Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung

Der Gesetzentwurf stellt Rechtssicherheit für Unternehmen der Windbranche, Bürgerenergiegenossenschaften und andere Windparkprojektiererinnen und Windprojektierer sowie für die Genehmigungsbehörden wieder her und ermöglicht einen stärkeren Ausbau der Windenergie in NRW. Dieser leistet einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele der Landes- und der Bundesregierung und damit zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung.

I Befristung

Keine.

Gegenüberstellung

Die grafische Gegenüberstellung ist im unten angehängten pdf-Format zu finden.

Begründung

Eine Streichung von § 36 Abs. 3 LPlG ist notwendig, um Rechtsunsicherheiten für den weiteren Windenergieausbau und den Einbruch des Genehmigungshochlaufs von Windenergieanlagen zu korrigieren sowie eine echte Ermöglichungsplanung für Nordrhein-Westfalen zu gewährleisten.

Durch § 36 Absatz 3 LPlG wurde eine verfahrensrechtliche Regelung im Konflikt mit dem Bundesrecht getroffen, die § 73 BImSchG i. V. m. Art. 31 GG entgegensteht. Der seit Februar 2024 bundesrechtlich mit dem Wind-an-Land-Gesetz vollzogene Paradigmenwechsel von einer Ausschlussplanung zu einer Positivplanung des Windkraftausbaus wurde dadurch konterkariert, indem zur sogenannten Steuerung im Übergangszeitraum bis Ende 2025 an einer befristeten Ausschlussplanung festgehalten werden soll. Dies ist nicht im Sinne des Bundesgesetzgebers. Die Regelung überschreitet damit die Kompetenzen des Landesgesetzgebers. Diesen Umstand hat das Oberverwaltungsgericht Münster bereits in seinem Urteil vom 16.02.2024 bezüglich des Plansatzes 10.2-13 des Landesentwicklungsplanentwurfs beanstandet. Die Überführung des materiellen Regelungsgehalts des Ziels 10.2-13 in § 36 Abs. 3 Landesplanungsgesetz entkräftet die grundlegende Kritik des OVG Münster durch die verfahrensrechtliche Anpassung nicht.

Eine Neufassung des § 36 Abs. 3 LPlG kommt nicht in Betracht, da jedweder vermeintlicher “Steuerungsmechanismus im Übergangszeitraum” lediglich einen unzulässigen Vorgriff auf planungsrechtliche Regelungen bedeuten würde, die nunmehr erst bei Inkrafttreten rechtssicher anwendbar sind. Jede weitere Hilfskonstruktion, einen vermeintlichen „Übergangszeitraum“ des Windenergieausbaus bis zum Inkrafttreten der Regionalpläne zu etablieren, würde nicht nur neuerliche Verunsicherung erzeugen, Genehmigungsbehörden und Bezirksregierungen belasten und Investitionen in den Windausbau verhindern, sondern wäre vermutlich stets ein Kollisionsfall mit dem Bundesrecht. Das OVG geht in seinem Beschluss vom 26.09.2024 davon aus, dass der Bundesgesetzgeber ein solches „Schutzinstrument“ für die Raumordnung explizit nicht schaffen wollte. Vielmehr bestünden mit den Regelungen in § 12 Abs. 2 ROG und § 36 Abs. 2 LPlG bereits Sicherungsinstrumente für die Raumplanung.

Zudem hat jede Genehmigungsverzögerung massive negative Auswirkungen auf den künftigen Windkraftausbau in Nordrhein-Westfalen, auf die Akzeptanz für die Energiewende und auf Vermögenswerte nordrhein-westfälischer Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger in Bürgerenergieprojekten. Windkraftunternehmen und Bürgerenergiegenossenschaften werden durch § 36 Abs.3 LPlG anhaltender Rechtsunsicherheit bis zum Inkrafttreten der Regionalpläne ausgesetzt. Die Aufstellung der Regionalpläne wiederum wird durch die geltende Gesetzeslage um Monate verzögert, weil die Regionalplanung in der Konsequenz der aktuellen Regelung ihre Flächenkulissen aufwendig anpassen müssten. Die Voraussetzungen für eine Genehmigungsaussetzung sind darüber hinaus nicht hinreichend bestimmt. Wann ein Windenergievorhaben, wie in § 36 Abs.3 Landesplanungsgesetz formuliert, die Regionalplanung „unmöglich“ macht oder ausreichend „erschwert“, ist in der Praxis kaum nachweisbar. Das OVG Münster hat in seiner Entscheidung vom 26.09.2024 verdeutlicht, dass die streitige einzelne Windenergieanlage offensichtlich keine Erschwernis oder Unmöglichmachung einer Planung bedeute. Gleichfalls habe die Bezirksregierung Arnsberg ermessensfehlerhaft gehandelt und keine wirkliche Abwägung vorgenommen. Eine offensichtlich rechtswidrige Regelung, die damit nichtig ist, muss folglich bereinigt werden. Dazu dient der vorliegende Gesetzentwurf.