Für ein faires Praktisches Jahr im Medizinstudium: Ausbildungsbedingungen verbessern und Vergütung anheben!

I. Ausgangslage


In den letzten fünf Jahren hat das Land Nordrhein-Westfalen einige Maßnahmen ergriffen, um mehr junge Menschen für die ärztliche Tätigkeit zu gewinnen und die Zahl der Medizinstudienplätze auszubauen. Das Praktische Jahr (PJ) nach § 3 der Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) ist der letzte von insgesamt drei Teilen des Medizinstudiums. Das PJ folgt im Studium auf zehn eher theoretisch orientierte Semester der vorklinischen und klinischen Ausbildung. Wenn das PJ absolviert wird, wurden die ersten zwei Abschnitte des ärztlichen Staatsexamens bereits bestanden.

Das PJ dauert 48 Wochen, gliedert sich in drei Abschnitte (Innere Medizin, Chirurgie und Allgemeinmedizin oder ein anderes klinisches Fachgebiet) und wird in der Regel in den Universitätskrankenhäusern oder in anderen Krankenhäusern durchgeführt, mit denen die Universität eine Vereinbarung hierüber getroffen hat (Lehrkrankenhäuser). Im PJ sollen die erworbenen fachlichen Kenntnisse auf einzelne Krankheitsfälle angewandt werden und die Studieren-
den so auf den praktischen Berufsalltag vorbereiten.

Die Bedingungen im PJ sind jedoch in einigen grundlegenden Punkten verbesserungswürdig. Dies betrifft insbesondere die unzureichende Anleitung und Betreuung der Studierenden, die geringe Aufwandsentschädigung und die fehlende Möglichkeit sich offiziell krankzumelden. Die Belastung von Studierenden während des PJs kann relativ häufig zu Burn-Out führen. Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) hat deshalb am 7. Juli 2023 auf der Plattform „openPetition“eine Online-Petition „Ausbildung statt Ausbeutung: Endlich ein #fairesPJ im Medizinstudium!“ gestartet.

Laut Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1351 „Nordrhein-Westfalen liegt bei der PJ-Vergütung hinten –was unternimmt das Land, um attraktiver für angehende Ärztinnen und Ärzte zu werden?“ liegen ihr hingegen keine Informationen vor, die auf strukturelle Probleme in Bezug zur Ausgestaltung des Praktischen Jahres (PJ) in Nordrhein-Westfalen hinweisen. Somit scheinen die aufgeführten Punkte bisher keine Aufmerksamkeit bei der Landesregierung gefunden zu haben.

Angehende Ärztinnen und Ärzte benötigen angemessene Ausbildungsbedingungen und eine qualifizierte Lehre. Dazu zählen u.a. eine strukturierte Einführung der Studierenden in Stationsabläufe, die flächendeckende Etablierung eines Mentoring-Systems, regelmäßige Feedbackgespräche und Besprechungen der Ausbildungsziele sowie die kontinuierliche Betreuung eigener Patientinnen und Patienten unter Supervision. Die Approbationsordnung sieht dazu einen Ausbildungsplan in Form eines Logbuchs vor. In der Praxis des Klinikalltags kommt die Anleitung und Betreuung der Studierenden allerdings häufig zu kurz.

Die Aufwandsentschädigung für das PJ ist nach § 3 Absatz 4 Sätze 8 ff. ÄApprO an die Bedarfssätze des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) gekoppelt. Demnach gibt es keine Mindestvergütung, allerdings einen Maximalbetrag. Viele Kliniken bleiben mit ihrer Vergütung unter diesem Höchstbetrag. In die Aufwandsentschädigung werden häufig auch Sachleistungen wie kostenlose Verpflegung und Unterkunft einberechnet.

Kliniken aus Nordrhein-Westfalen sind in den Rankings der PJ-Vergütung nicht in der Spitzengruppe der höchsten Aufwandsentschädigungen vertreten. Bei den Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen liegt die Aufwandsentschädigung zwischen 229 Euro und etwas über 600 Euro (abhängig von der Zahl der Anwesenheitstage). Das Land argumentiert dabei mit der Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten und einem nur geringfügigen Einfluss der Höhe
der Aufwandsentschädigung auf die Auswahl der PJ-Stelle.

Viele Studierende empfinden die gezahlten Aufwandsentschädigungen angesichts einer fordernden Vollzeittätigkeit als viel zu gering. Da während des PJs praktisch auch kaum zeitlicher Spielraum für Nebenjobs besteht, ist teilweise selbst der Lebensunterhalt in Frage gestellt. Laut dem PJ-Barometer des Marburger Bundes waren 77 Prozent nach eigenen Angaben auf familiäre Unterstützung angewiesen, um sich das praktische Jahr leisten zu können. Deshalb ist eine für die Grundbedürfnisse ausreichende Aufwandsentschädigung in Höhe des BAföG-Höchstsatzes nötig.

Studierende können nach § 3 Absatz 3 ÄApprO im PJ insgesamt bis zu 30 Fehltage auf die Ausbildung anrechnen. Diese umfassen unter anderem Urlaubstage, Krankheitstage, Kind-Krank-Tage und Lerntage. Derzeit besteht keine Möglichkeit, sich krankzumelden, ohne dafür diese Fehltage zu verwenden. Die aktuellen Regelungen können daher dazu führen, dass Studierende krank im PJ erscheinen und dadurch ihre eigene Gesundheit, die ihrer Patientinnen
und Patienten und die ihrer Kolleginnen und Kollegen potenziell gefährden. Lediglich während der COVID-19 Pandemie gab es eine Ausnahmeregelung für den Fall einer Infektion. Eine vergleichbare Regelung zur Gewährung einer begrenzten Anzahl gesonderter Krankheitstage für attestierte Krankmeldungen bzw. Arbeitsunfähigkeit wäre aber grundsätzlich sinnvoll.

Im Frühjahr 2023 wurde vom Bundesministerium für Gesundheit ein neuer Zwischenstand des Referentenentwurfs zur Neuregelung der Ärztlichen Approbationsordnung vorgelegt. Diese soll zum 1. Oktober 2027 in Kraft treten. Ziel ist ein stärkerer Praxisbezug des Studiums. Auch die Regelungen für das PJ sollen neugestaltet und erweitert werden. Das PJ soll künftig in vier Abschnitte unterteilt werden, von denen mindestens ein Quartal verpflichtend in einer Praxis
absolviert werden muss. Hinsichtlich der Aufwandsentschädigung und der Fehltage ist hingegen keine substantielle Änderung vorgesehen.

Da die Approbationsordnung im Bundesrat zustimmungspflichtig ist, haben die Länder einen erheblichen Einfluss auf die künftige Gestaltung. Dabei ist Nordrhein-Westfalen gefordert, sich entsprechend einzubringen. Zudem könnte das Land bereits vor einer neuen Approbationsordnung im Austausch mit den medizinischen Fakultäten und Universitätskliniken in Nordrhein- Westfalen auf eine Verbesserung der Ausbildungsbedingungen und eine Erhöhung der Aufwandsentschädigungen hinwirken.


II. Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • im Austausch mit den medizinischen Fakultäten und Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen die Anleitung und Betreuung der Studierenden während des PJs zu verbessern.
     
  • sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, in der Approbationsordnung bei den Regelungen zur Aufwandsentschädigung für das PJ eine Mindestvergütung in Höhe des BAföG-Höchstsatzes vorzugeben.
     
  • bereits vor einer entsprechenden Änderung der Approbationsordnung im Austausch mit den medizinischen Fakultäten und Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen eine Erhöhung der Aufwandsentschädigungen zu erreichen.
     
  • sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, in der Approbationsordnung bei den Regelungen zu Fehltagen eine gesonderte Regelung für Krankheitstage (attestierte Arbeitsunfähigkeit bzw. Krankmeldung) einzuführen.