Schließungswelle bei Galeria Karstadt Kaufhof– Beschäftigten helfen und die Krise zur Chance für die Stadtentwicklung machen

I. Ausgangslage

Die Warenhaus-Kette Galeria Karstadt Kaufhof plant, deutschlandweit 47 von 129 Filialen zu schließen. In Nordrhein-Westfalen sind nach aktuellem Stand von dieser Schließungswelle 15 von 31 Häusern betroffen.

Für die Beschäftigten des Unternehmens ist diese Nachricht ein erneuter Rückschlag und Schock. Es ist davon auszugehen, dass voraussichtlich von insgesamt 17.400 Beschäftigten zwischen 4.000 und 5.000 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren werden.

Das Unternehmen und sein Warenhauskonzept befindet sich seit längerer Zeit in der Krise. Veränderte Konsumentenwünsche, die Konkurrenz aus dem Online-Handel und zuletzt die Corona-Pandemie haben das Unternehmen schwer getroffen. Verschiedene Versuche einer Neuaufstellung auch mit erheblichen Beiträgen der Belegschaft waren allesamt nicht erfolgreich. Auch die Unterstützung mit Kredithilfen von insgesamt 680 Millionen Euro durch die frühere CDU/SPD-Bundesregierung – für die der Bund ebenfalls Kredite aufnehmen musste – zeigte keine nachhaltigen Erfolge. Am 1. Februar 2023 meldete die Geschäftsführung schließlich Insolvenz an.

Im nun eingeleiteten Insolvenzverfahren steht in erster Linie die Signa-Holding als alleinige Gesellschafterin in der Verantwortung, die Kette neu aufzustellen und ein tragfähiges Geschäftsmodell zu implementieren. Aus Sicht der FDP-Landtagsfraktion muss klar sein, dass der Konzern keine weiteren Zuschüsse oder Kredithilfen vom Staat erhalten darf. Wenn ein Unternehmen kein tragfähiges Geschäftsmodell hat, fehlt ordnungspolitisch das Fundament für staatliche Hilfe.

Schnelle und wirksame Hilfe für die betroffenen Beschäftigten

Sieben Filialen in Nordrhein-Westfalen schließen bereits zum 30. Juni 2023, weitere acht Filialen zum 31. Januar 2024. Nun sind die örtlichen Arbeitsagenturen gefordert, frühzeitig mit den Beschäftigten in Kontakt zu treten und sich mit diesen über Qualifizierungsmöglichkeiten sowie die Vermittlung in eine neue Beschäftigung auszutauschen. Aufgrund des Fachkräftemangels gibt es im Einzelhandel, aber auch in vielen anderen Bereichen zahlreiche offene Stellen, so dass für die betroffenen Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof gute Chancen bestehen, schnell eine neue Beschäftigung zu finden.

Auch verspricht die Betreuung durch die örtlichen Arbeitsagenturen an den 15 verschiedenen NRW-Standorten und 32 Standorten außerhalb Nordrhein-Westfalens eine bessere und erfolgreichere Betreuung als die Einrichtung einer Transfergesellschaft. Zudem waren die Vermittlungsergebnisse der 2020 eingesetzten Transfergesellschaft mit 171 Beschäftigten überschaubar. Deshalb wäre eine Beteiligung des Landes an einer möglichen Transfergesellschaft nicht sinnvoll.

Aus der Schließungswelle eine Chance für die Stadtentwicklung machen

Für die Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung bieten die Schließungen der Kaufhäuser nicht nur eine Herausforderung, sondern auch Chancen. Denn oft befinden sich die Filialen an prominenten Orten in den Innenstädten und Zentren. Werden diese Flächen frei, können die Städte völlig neue Akzente in der Quartiersplanung setzen. Neben der Umnutzung der bestehenden Gebäude werden auch Abriss und Neubebauung möglich. Es liegt daher nun in erster Linie in der Verantwortung der jeweiligen Immobilieneigentümer und der Kommunen schnell Möglichkeiten für eine Nachnutzung zu besprechen und umzusetzen.

Für die Stadtentwicklung wäre es fatal, wenn auf die Schließung einer Filiale eine jahrelange Hängepartie um eine Nachnutzung sowie die Erlangung einer Baugenehmigung für eine Umnutzung oder eine Neubebauung folgen würde. Denn die Erfahrung aus der Praxis zeigt: Wo ein großer Anbieter verschwindet, braucht es zur Abwehr einer Bedrohung des gesamten Einzelhandels ein schnelles Engagement bei allen Beteiligten, um aus der Misere eine Chance zu machen. Die betroffenen Städte müssen deshalb zeitnah mit den jeweiligen Immobilieneigentümern besprechen, welche Lösungen vor Ort umsetzbar sind.

Dabei kann das Vorgehen das Landes in der Vergangenheit als Beispiel dienen. In der Corona-Pandemie hat sich das Land gemeinsam mit den Kommunen gegen die Verödung unserer Zentren gestemmt. Die damalige schwarz-gelbe Landesregierung hat zwei Mal einen „Innenstadt-Gipfel“ ausgerichtet, aus dem wichtige Impulse entstanden. Die Ergebnisse flossen in die „Innenstadtoffensive“ mit dem „Sofortprogramm Innenstadt“ ein. Damit wurden Pilotprojekte zur Zwischennutzung, wie etwa Popup-Stores und Showrooms, gefördert. Zudem haben Digital-Coaches die jeweiligen Geschäfte beraten, wie sie ihre Waren und Dienstleistungen ergänzend auch online anbieten können. Daran sollte die Landesregierung anknüpfen und zudem Immobilien- und Standortgemeinschaften stärker in den Blick nehmen. Anderseits sollten aber auch Mitnahmeeffekte vermieden werden, etwa wenn Unternehmen die Eröffnung einer Filiale von einer Dauersubventionierung der Mietkosten abhängig machen.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Die Verantwortung für die Zukunft des Unternehmens Galeria Kaufhof Karstadt liegt beim Eigentümer und dem Insolvenzverwalter. Weitere Zuschüsse oder Kredithilfen vom Land oder Bund kann es für das Unternehmen nicht geben.
  • Den vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Beschäftigten muss zeitnah Hilfe in Form von Qualifizierungsangeboten sowie der Vermittlung in neue Beschäftigungen angeboten werden.
  • Aufgrund des Fachkräftemangels gibt es in Nordrhein-Westfalen viele offene Stellen. Die betroffenen Beschäftigten haben deshalb gute Chancen, zeitnah eine neue Beschäftigung zu finden.
  • Die Schließung von 15 Filialen von Galeria Kaufhof Karstadt ist für die betroffenen NRW-Städte eine Herausforderung, aber gleichzeitig auch eine Chance für neue städtebauliche Akzente. Die jeweiligen Immobilieneigentümer und die Kommunen sind gefordert, schnell Möglichkeiten für eine Nachnutzung zu besprechen und umzusetzen.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • die örtlichen Arbeitsagenturen dabei zu unterstützen, frühzeitig mit den vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Beschäftigten in Kontakt zu treten und diesen Qualifizierungs- und Vermittlungsangebote zu machen.
  • zeitnah einen Innenstadt-Gipfel mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Stadtplanung, Quartiersmanagement und Einzelhandel einzuberufen und damit dazu beizutragen, dass vor Ort Lösungen für die von der Schließung betroffenen Immobilien zu finden. Zur Vermeidung von Leerständen in prominenten Innenstadtlagen sollten dabei neben neuen dauerhaften Nutzungskonzepten auch Zwischennutzungen – wie Showrooms für das Handwerk, Startup-Center, Kurzzeit-Ateliers oder Co-Working-Spaces – einbezogen werden.
  • eine dauerhafte „Task-Force“ aus Kommunal- und Wirtschaftsministerium einzurichten, um den Austausch mit den betroffenen Kommunen zu verbessern.
  • das Innenstadt-Sofortprogramm des Landes zu überarbeiten und dabei folgende Punkte zu berücksichtigen:
    • Alle Förderlinien müssen einfach und digital abgewickelt werden. o Es darf keine Kleinstprogramme mehr geben.
    • Die Digital Coaches haben wertvolle Arbeit geleistet und den Einzelhandel dabei unterstützt, die Chancen der Digitalisierung zu ergreifen.
    • Reine Mitnahmeeffekte müssen vermieden werden.
  • das Gesetz zu Immobilien- und Standortgemeinschaften zu evaluieren und dem Landtag einen umfassenden Bericht bis zum 15. August 2023 vorzulegen. Immobilien- und Standortgemeinschaften als Zusammenschluss von Ladenbesitzerinnen und -besitzer können einen wichtigen Beitrag leisten, um eine Verkaufsstraße mit neuem Leben zu füllen. Dafür muss das Land die Verfahren vereinfachen.
  • sich als Land nicht an einer möglichen Transfergesellschaft zu beteiligen.
  • dem Unternehmen Galeria Kaufhof Karstadt keine weiteren Zuschüsse oder Kredithilfen mehr zu gewähren.