Erinnern für die Gegenwart – Gedenkstätte „Stalag“ 326 zu einer Gedenkstätte von nationaler Bedeutung weiterentwickeln
I. Ausgangslage
Über drei Millionen sowjetische Kriegsgefangene wurden Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft . Menschen aus den 15 damaligen Sowjetrepubliken, die beispielsweise auf dem Gebiet der heutigen Ukraine, in Estland, in Armenien oder auch Usbekistan sowie der Russischen Föderation geboren waren, wurden in die Gefangenschaft der Nationalsozialisten bzw. Wehrmacht genommen und systematisch ausgebeutet , man ließ sie den Hungerstod sterben oder ermordete sie. Die Dimension dieses Verbrechens spiegelt sich bis heute in der deutschen Erinnerungskultur noch nicht angemessen wieder. Wie Bundespräsident a.D. Joachim Gauck bereits 2015 auf dem zum Stalag gehörenden Ehrenfriedhof in Schloß Holte-Stukenbrock ausführte, „stelle sich auch 70 Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs immer noch die Aufgabe, das Schicksal der 5,3 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen aus dem Erinnerungsschatten heraus zu holen“.
Die Prozedur der Registrierung, Entlausung und Musterung bei der Ankunft im Stammlager 326 diente dem NS-Regime nicht zuletzt dazu, Kriegsgefangene nach ihrer jeweiligen Arbeitskraft perfide zu selektieren. Die Kriegsgefangenen wurden dabei entmenschlicht und ihrer Rechte beraubt. Stalag 326 war als Musterungslager für viele Menschen eine erste Station auf ihrem Weg in eines der unzähligen Arbeitskommandos im gesamten Wehrkreis VI und damit fast überall im heutigen Nordrhein-Westfalen. Sie kamen mit ihrem kulturellen Hintergrund, ihren unterschiedlichen Religionen damit nicht nur im ganzen Land, sondern auch in jeder sozialen Schicht an. Sie trafen auf Menschen, die sie bewachten, Arbeit zuwiesen oder auch als Kollegen mit ihnen arbeiteten. Mit jeder Person, deren Geschichte wir verfolgen können, wird dieser Menschen gedacht und es soll möglich werden zu zeigen, welche Handlungsspielräume selbst in einem menschenverachtenden System wie dem des Nationalsozialismus bestanden.
Stalag 326 legt mit den erhaltenen Gebäuden ein besonders bedeutendes authentisches Zeugnis von diesem menschenverachtenden Kapitel der deutschen Geschichte ab und bietet in Schloß Holte-Stukenbrock einen Ausgangspunkt für eine auch durch digitale Angebote erfolgende Erschließung des transitorischen Charakters des Lagers. Im Rahmen des ganzheitlichen Ansatzes der Machbarkeitsstudie des Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) aus dem Jahr 2020 wird auch die Zeitschicht des Sozialwerks Stukenbrock (1947-1970) berücksichtigt. Die Gedenkstätte Stalag 326 wird damit über gute Grundlagen für eine erinnerungs-kulturelle Arbeit und historisch-politische Bildung verfügen.
Mit seiner jetzigen Lage auf dem Gelände des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfallen (LAFP) in Schloß Holte-Stuken-brock sind nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen verbunden. Das hat der Lenkungskreis vor Ort durch die von ihm angestoßene Variantenuntersuchung und die anschließende Machbarkeitsstudie des LWL gezeigt. Diese sind auch in den 2020 gestellten Antrag beim Bund eingeflossen. Nach der auf Bundesebene erfolgten Zusicherung einer Unterstützung der Weiterentwicklung der Gedenkstätte mit rd. 25 Mio. Euro hat das Land eine Förderung in gleicher Höhe bereits zugesichert. Der LWL wird laut eines Beschlusses weitere 10 Mio. Euro für das Projekt bereitstellen.
Die ursprünglichen Planungen zur Umsetzung müssen unter anderem aufgrund der gestiegenen Baukosten noch einmal überprüft und nachjustiert werden. Das betrifft die noch notwendige Trennung der Gedenkstätte Stalag 326 vom LAFP, die Frage des Umfangs und der Gestaltung von Neubauten für die Gedenkstätte und die Darstellung des inhaltlichen Vorlaufs und der Planungen für den Endausbau mit seinen Konsequenzen für die Betriebskosten.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Es soll eine ihrer nationalen und internationalen Bedeutung entsprechende Weiterentwicklung der Gedenkstätte Stalag 326 erfolgen.
- Es wird begrüßt, dass der Bund, das Land, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe und die Kommunen der Region dieses Projekt gemeinsam voranbringen wollen.
- Dabei steht als Rahmen für das Projekt ein investives Mittelvolumen von 60 Mio. Euro (davon Bund und Land von insgesamt 50 Mio. Euro). für den Aufbau der Gedenkstätte zur Verfügung.
Die Landesregierung wird beauftragt,
- die Prüfungen, Planungen und Umsetzung für die Trennung des LAFP von der Gedenkstätte zu veranlassen.
- die Weiterentwicklung der bisherigen Machbarkeitsstudie anhand einer im Dialog mit der Lenkungsgruppe erarbeitete Prioritätenliste mit dem Ziel zu unterstützen, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel eine inhaltlich und baulich angemessene und auch in seinen Folgekosten tragbare Weiterentwicklung zu einer Gedenkstätte von nationaler und internationaler Bedeutung zu ermöglichen. Eingeworbene Drittmittel können zur Realisierung sonst nicht finanzierbarer Prioritäten eingesetzt werden.
- parallel zur Planung die Gründung einer Stiftung als Rechtsträger der Gedenkstätte vorzubereiten und anschließend umzusetzen.
- zusätzlich zu den unter Punkt 3 des Feststellungsteils genannten investiven Mitteln werden für die notwendige Trennung von LAFP und Gedenkstätte die bereits im Haushalt 2023 unter Titel 06 070 88381 vorgesehenen 1 Mio. Euro eingesetzt und weitere 3 Mio. Euro in diesem Haushaltsjahr aus Landesmitteln bereitgestellt.