Gefahr für Mensch und Umwelt bekämpfen - Nordrhein-Westfalen braucht wirksame Rattenbekämpfung
I. Ausgangslage
Die Bekämpfung von Ratten stellt Kommunen, Bürgerinnen und Bürger, Landwirte, Industrie und Handel seit jeher vor erhebliche Herausforderungen. Ratten sind Kulturfolger und nutzen menschliche Siedlungsräume aufgrund des reichhaltigen Nahrungs- und Unterschlupfangebots. Eine wirksame Bekämpfung ist nicht nur aus hygienischen Gründen notwendig, sondern dient unmittelbar dem Schutz der öffentlichen Gesundheit, der Infrastruktur und des Privateigentums.
Aktuell wird auf Bundesebene diskutiert, die Zulassung antikoagulanter Rodentizide für den privaten Gebrauch nicht zu verlängern. Diese Debatte wird von Fachverbänden, Kommunen und Verbraucherschutzorganisationen mit Sorge verfolgt, da alternative Bekämpfungsstrategien ohne chemische Mittel bislang weder flächendeckend erprobt noch ausreichend wirksam sind.
Die Diskussion verdeutlicht ein Spannungsfeld: Auf der einen Seite steht der berechtigte Wunsch nach stärkerem Umwelt- und Tierschutz durch Einschränkung des Giftmitteleinsatzes. Auf der anderen Seite stehen die Gesundheitsrisiken, die von einer unzureichenden Rattenbekämpfung ausgehen. Für Nordrhein-Westfalen ist diese Abwägung besonders relevant, da urbane Ballungsräume, dichter Verkehr, industrielle Infrastruktur und umfangreiche Kanalisationssysteme einen idealen Lebensraum für Ratten darstellen.
Ratten gelten weltweit als Vektoren zahlreicher Infektionskrankheiten. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Robert-Koch-Instituts können sie über 100 verschiedene Erreger übertragen, darunter Leptospiren, Salmonellen, Hantaviren und Toxoplasmen. Die Erkrankungen reichen von Magen-Darm-Infekten bis zu schweren, potenziell tödlichen Verläufen wie der Leptospirose oder der hämorrhagischen Fieber durch Hantaviren.
Neben dem direkten Infektionsrisiko verursachen Ratten erhebliche Sachschäden; zum Beispiel durch das Zernagen von Kabeln und Leitungen (was zu Stromausfällen oder Bränden führen kann) oder der Beschädigung von Kanalisationssystemen, Isolierungen und Lebensmittellagern sowie der Verunreinigung von Lebensmitteln und Tierfuttermitteln mit Kot und Urin. Die ökonomischen Schäden durch Rattenbefall werden in Deutschland jährlich auf mehrere Milliarden Euro geschätzt. Diese Summen verdeutlichen, dass eine unkontrollierte Ausbreitung der Rattenpopulation nicht nur eine Frage der öffentlichen Gesundheit, sondern auch ein wirtschaftlicher Faktor ist.
Fachverbände wie der Deutsche Schädlingsbekämpfer-Verband (DSV) und der Industrieverband Agrar (IVA) warnen aktuell vor einer dramatischen Verschärfung der Befallssituation. Schätzungen zufolge leben in deutschen Großstädten drei bis vier Ratten pro Einwohner. Da ein einziges Rattenpaar unter günstigen Bedingungen mehrere Hundert Nachkommen im Jahr haben kann, wächst die Population exponentiell, wenn sie nicht konsequent kontrolliert wird.
Auch in Nordrhein-Westfalen sind Städte und Gemeinden seit Jahren mit steigenden Befallzahlen konfrontiert. Kommunale Ordnungsämter berichten, dass Beschwerden über Rattenbefall in Grünanlagen, Spielplätzen und Kellern zunehmen. Gleichzeitig fehlen dem Land bislang belastbare Daten: Ein systematisches Monitoring der Rattenpopulation existiert nicht. Ohne fundierte Datenbasis ist eine vorausschauende Bekämpfungsstrategie jedoch nicht möglich.
Die Zahl professioneller Schädlingsbekämpfer in Deutschland ist begrenzt, die Ausbildungskapazitäten reichen nicht aus, um kurzfristig einen vollständigen Ersatz der privaten Eigenbekämpfung sicherzustellen. Bereits heute berichten Fachverbände von Engpässen und langen Wartezeiten für kommunale und private Auftraggeber. Selbst die Landesregierung räumt ein, dass ihr keine genauen Daten zu verfügbaren Kapazitäten oder zur Auslastung der Branche vorliegen.
Ein vollständiges Verbot für Privatpersonen würde die Nachfrage nach professioneller Schädlingsbekämpfung weiter erhöhen. Dies hätte zwei zentrale Folgen: Zum einen längere Wartezeiten, bis ein Befall überhaupt behandelt werden kann und zum anderen die steigenden Kosten, die für einkommensschwache Haushalte ein erhebliches Problem darstellen.
Während der Erwerb handelsüblicher Präparate günstig möglich ist, stellen die Beauftragung und wiederholte Einsätze durch Schädlingsbekämpfer für viele Haushalte eine spürbare finanzielle Belastung dar. Insbesondere einkommensschwächere Haushalte hätten dadurch kaum eine realistische Möglichkeit, Rattenbefälle effektiv zu bekämpfen.
Somit droht im Falle eines Verbots eine Versorgungslücke, die das Risiko einer unkontrollierten Ausbreitung zusätzlich verschärfen könnte. Eine Politik, die allein auf professionelle Dienstleistungen verweist, würde nicht nur Kapazitätsengpässe verstärken, sondern auch soziale Schieflagen schaffen. Vor diesem Hintergrund ist es von zentraler Bedeutung, die Eigenverantwortung und Selbsthilfemöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger zu stärken und den verantwortungsvollen Zugang zu Rodentiziden zu erhalten. Wird dies nicht gewährleistet, könnten Betroffene versuchen, Rodentizide illegal im Ausland oder über den Schwarzmarkt zu beschaffen. Eine unkontrollierte Anwendung würde dabei die Risiken für Umwelt und Gesundheit weiter erhöhen.
In der Debatte wird die Abwägung zwischen Umweltschutz und Gesundheitsschutz bislang nur unzureichend getroffen. Auch wenn die möglichen Risiken von Rodentiziden einen verantwortungsvollen und umsichtigen Einsatz zwingend voraussetzen, bleibt festzuhalten, dass es bislang keine gleichwertig wirksame Alternative gibt, die eine flächendeckende Bekämpfung ohne chemische Mittel ermöglichen würde. Außerdem hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Biozid-Durchführungs-Verordnung zum 1. Januar 2025 bereits einen weiteren Schritt der Risikominimierung umgesetzt. Seit Anfang dieses Jahres sind Biozide und damit auch Rattenmittel im Selbstbedienungsverbot und unterliegen der Beratungspflicht. Verbraucher werden vor dem Kauf in einem ausführlichen Beratungsgespräch auf vorbeugende Maßnahmen als auch die korrekte Anwendung von Rattenmitteln hingewiesen. Demnach überwiegen in der aktuellen Situation die Gefahren einer unzureichenden Bekämpfung.
Für Nordrhein-Westfalen ist daher eine Doppelstrategie notwendig: Kurzfristig muss sichergestellt werden, dass Privatpersonen weiterhin der legale Zugang zu wirksamen Bekämpfungsmitteln ermöglicht wird. Gleichzeitig muss mittelfristig der Ausbau von Alternativen, Monitoring und Fachkräftekapazitäten erfolgen. Nur durch eine praxisorientierte und verantwortungsbewusste Herangehensweise lässt sich verhindern, dass Nordrhein-Westfalen in den kommenden Jahren von einer massiven Rattenplage betroffen wird.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest,
- dass es bereits heute in Nordrhein-Westfalen eine hohe Belastung durch Rattenbefälle gibt, die öffentliche Gesundheit und Sicherheit gefährden.
- dass die professionellen Schädlingsbekämpfer jetzt schon überlastet sind. Ausbildungszahlen und verfügbare Fachkräfte reichen nicht aus, um die Aufgaben privater Bekämpfung vollständig zu übernehmen. Die Landesregierung räumt selbst ein, dass ihr keine belastbaren Informationen zu Kapazitäten oder aktuellen Befallszahlen vorliegen.
- dass ein vollständiges Verbot für Privatpersonen zu höheren Wartezeiten und steigenden Kosten, zu illegalen Beschaffungen von Rodentiziden und im schlimmsten Fall zu einer unkontrollierten Ausbreitung der Rattenpopulation führen würden.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- sich auf Bundesebene gegenüber der BAuA und der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass antikoagulante Rodentizide auch weiterhin in verantwortungsvoller Weise für Privatpersonen zugelassen bleiben;
- Alternativen wie mechanische Fallen oder präventive Maßnahmen in Betracht zu ziehen, ohne auf eine wirksame chemische Bekämpfung durch Privatpersonen zu verzichten;
- gemeinsam mit den Kommunen ein Monitoring über die Entwicklung der Rattenpopulation in Nordrhein-Westfalen aufzubauen, um Gesundheitsgefahren frühzeitig zu erkennen;
- die Ausbildung und Verfügbarkeit von professionellen Schädlingsbekämpfern zu stärken, um langfristig eine verbesserte Bekämpfungsstruktur zu erreichen.