Gefordertes Kirchenprivileg bei der Grundsteuerfeststellung in Nordrhein-Westfalen – Welche begünstigten Steuerpflichtigen erhalten von der Finanzverwaltung aktuell eine sanktionsfreie Fristverlängerung genehmigt?
Die reguläre Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärungen endet am 31. Oktober 2022. Nach aktuellen Medienberichten bittet nun aber das Erzbistum Köln um einen Fristaufschub für die Feststellungserklärungen zum bistumseigenen Immobilienbestand bis zum 31. März 2023. Begründet wird diese Bitte insbesondere mit technischen Schwierigkeiten und Hürden bei der Online-Eingabemaske, die die Finanzverwaltung zur Abgabe der Erklärungen über das Onlineportal ELSTER bereitstellt. Laut Berichterstattung sollen neben dem Erzbistum Köln noch weitere Bistümer der katholischen Kirche betroffen sein (vgl. WirtschaftsWoche vom 9. September 2022, S. 6).
Als wesentlichen Grund für die geforderte Fristverlängerung benennt das Erzbistum Köln bislang eine zu knapp bemessene Zeichenbegrenzung in der verpflichtenden Ausfüllmaske, in der sich die längeren Namen vieler Kirchengemeinden nicht korrekt hinterlegen ließen.
Aus Steuerberaterkreisen kommen gegenwärtig aber auch weitere Hinweise zu technischen Schwierigkeiten und Hürden der IT: So ließen sich im System beispielsweise keine Fälle für grundsteuerpflichtige Objekte anlegen, die mehrere Flurstücke umfassen, wenn letztere zum Beispiel für das eigene Haus, den Garagenhof und die Zuwegung nicht identisch sind.
Daneben klagen viele Bürgerinnen und Bürger über das bürokratische Feststellungverfahren zum Scholz-Modell und das wenig intuitiv und nicht in allgemeinverständlicher Sprache aufgesetzte Online-Portal. Da viele Steuerpflichtige vor diesem Hintergrund auf externe Hilfe von Steuerberatern oder aus dem Familienkreis angewiesen sind, werden auch von diesen Betroffenen Forderungen nach einer Fristverlängerung in Nordrhein-Westfalen immer lauter.
Bislang hat die Landesregierung eine Fristverlängerung bei den Feststellungserklärungen klar ausgeschlossen. In der Antwort (LT-DS 18/600) auf eine entsprechende Anfrage der FDP-Landtagsfraktion hat der Finanzminister diese ablehnende Haltung insbesondere damit begründet, dass jede zeitliche Verzögerung die rechtzeitige Grundsteuererhebung durch die Kommunen ab dem 1. Januar 2025 gefährden und dadurch zu Liquiditätsengpässen in den kommunalen Haushalten führen könnte.
Hintergrund für die Sorge sei, dass im Falle von verzögerten Festsetzungsbescheiden den Kommunen zu wenig Zeit bliebe, um die Hebesätze an die geänderte Bemessungsgrundlage anzupassen.
Da sich das Erzbistum seinerseits selbst zu seinen Forderungen nach Fristverlängerung bei der Grundsteuererklärung öffentlich und freiwillig gegenüber Medienorganen erklärt hat, liegt bei der Erörterung des vorliegenden Sachverhalts keine Verletzung des Steuergeheimnisses vor.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Aus jeweils welchen einzelnen Erwägungen hält der Finanzminister den geforderten Fristaufschub bei den Grundsteuererklärungen des Erzbistums Köln und weiterer Kirchengemeinden bis zum 31. März 2023 abweichend von seiner bisherigen Position für geboten?
- Konkret welche anderen Gründe führen ebenfalls zu der sanktionsfreien Bewilligung einer Fristverlängerung bei anderen Steuerpflichtigen?
- Ist der Vorwurf des Erzbistums Köln aus Sicht des Finanzministers zutreffend, dass das verpflichtende IT-Portal bedingt durch technische Defizite den Kirchengemeinden eine rechtssichere Dateneingabe für grundsteuerpflichtige Liegenschaften gar nicht ermöglicht?
- Ist der Vorwurf nordrhein-westfälischer Steuerberater aus Sicht des Finanzministers zutreffend, im vorgeschriebenen ELSTER-Portal seien Liegenschaftssachverhalte mit mehreren unterschiedlichen zu einem Objekt gehörenden Flurstücken technisch nicht korrekt bearbeitbar?
- Wie viele Steuerpflichtige, differenziert nach Privatpersonen, Unternehmen, Vereinen und sonstigen Grundeigentümern, haben sich bislang mit der Bitte um Fristaufschub erfolgreich bzw. erfolglos an die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung gewandt?
Ralf Witzel
Dirk Wedel