Geldkarte statt Bargeld – Bürokratie und Fehlanreize bei den Asylleistungen reduzieren!
I. Ausgangslage
Bei den Grundleistungen für Personen, die ein Asylgesuch geäußert haben, sowie für vergleichbare Personengruppen wird nach § 3 Absatz 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zwischen dem notwendigen Bedarf (Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege, Haushaltsgüter) und dem notwendigen persönlichen Bedarf (Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens wie z. B. Freizeit, Kultur, Kommunikation und Mobilität) unterschieden. Nach § 3 Absatz 2 AsylbLG wird bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gedeckt. Der notwendige persönliche Bedarf soll auch durch Sachleistungen gedeckt werden, soweit dies mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Ansonsten können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden.
In den Landeseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen werden in der Praxis Geldleistungen als „Taschengeld“ zu einem festen Termin wöchentlich ausgezahlt. Die Leistung für den notwendigen persönlichen Bedarf in einer Aufnahmeeinrichtung lag eigentlich bei 164 Euro für Alleinstehende. Nach Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2022 verstößt jedoch die niedrigere „Sonderbedarfsstufe“ für alleinstehende Erwachsene in Sammelunterkünften gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das Urteil bezog sich konkret auf alleinstehende Erwachsene in Sammelunterkünften mit einer Aufenthaltsdauer von 18 Monaten. Die Bundesregierung geht aber von einer Anwendbarkeit des Beschlusses auch auf die Parallelregelungen in § 3a Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 2 Nummer 2 AsylbLG für Leistungen im Grundleistungsbezug aus. Demnach ist ein „Taschengeld“ von 182 Euro im Monat, also rund 42 Euro in der Woche auszuzahlen.
Seit Jahren wird diskutiert, anstelle der Auszahlung von Bargeld stärker auf Sachleistungen und Wertgutscheine zu setzen. Der Vorrang von Sachleistungen wäre eine konsequente Umsetzung des Wortlauts des Asylbewerberleistungsgesetzes. Damit könnten mögliche Fehlanreize der Bargeldauszahlung für irreguläre Migration reduziert werden wie z. B. Zahlungen an Schlepper. Entsprechende Versuche z.B. in Bayern haben sich aber nicht flächendeckend durchgesetzt. Eine Umstellung auf Sachleistungen ist mit einem administrativen Mehraufwand verbunden, da dann die entsprechenden Leistungen für den jeweiligen individuellen Bedarf durch die Verwaltung sicherzustellen wären. Bei Gutscheinsystemen und Sachleistungskarten besteht die Problematik, ein gesondertes Zahlungssystem umzusetzen und dafür ausreichend Geschäfte als Vertragspartner zu gewinnen.
Der Einsatz von guthabenbasierten Kreditkarten stellt hingegen eine unbürokratische Alternative zur Bargeldauszahlung dar. Mit derartigen Karten kann wie mit handelsüblichen Prepaid-Kreditkarten an den entsprechenden Terminals in Geschäften gezahlt werden. Zahlungen sind dabei in der Höhe auf das aufgeladene Guthaben beschränkt. Zudem wären Einschränkungen bei der Auszahlung von Bargeld an Geldautomaten und in Geschäften sowie hinsichtlich bestimmter Online-Zahlungen wie z. B. an Glücksspielanbieter sinnvoll. So kann auch die Geldüberweisung an ausländische Empfänger erschwert werden. Da die Karten zentral aufgeladen werden und keine Zahlstellen in den Einrichtungen mehr betrieben werden müssen, sinkt auch der Verwaltungsaufwand.
In Frankreich wird die Geldleistung bereits seit etlichen Jahren auf einer speziellen Geldkarte ausgezahlt. Sie kann für elektronische Käufe in Geschäften oder online genutzt werden. Die Abhebung von Bargeld ist hingegen seit 2019 nicht mehr möglich. In Bayern wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Aufnahmegesetzes vom 23. Dezember 2021 die rechtliche Grundlage für die Datenverarbeitung zur Einführung einer Geldkarte geschaffen. Derzeit wird eine entsprechende Ausschreibung vorbereitet. In Hamburg läuft bereits eine Ausschreibung eines Dienstleisters für ein entsprechendes Pilotverfahren. Auch in Hannover soll eine Geldkarte in
einem Pilotverfahren erprobt werden. Nordrhein-Westfalen sollte diesen Beispielen folgen und die Auszahlung von Bargeld in den Landeseinrichtungen durch die Ausgabe von guthabenbasierten Kreditkarten ersetzen.
II. Beschlussfassung
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- die Auszahlung des notwendigen persönlichen Bedarfs („Taschengeld“) als Bargeld in den Landeseinrichtungen durch die Ausgabe von guthabenbasierten Kreditkarten mit Einschränkungen bei Bargeldauszahlungen zu ersetzen.
- zu prüfen, welche landesrechtlichen Vorgaben dazu ggf. zu ändern sind.
- entsprechende Dienstleistungen auszuschreiben.
- möglichst kurzfristig ein Modellvorhaben an einer Zentralen Unterbringungseinrichtung zu starten.
- regelmäßig über den Umsetzungsstand im zuständigen Ausschuss des Landtags zu berichten.