Gemeinsames Europäisches Asylsystem jetzt umsetzen – Nordrhein-Westfalen muss die Vereinbarung des Ministerrats unterstützen
Der Beschluss des Ministerrats vom 8. Juni 2023 ist ein großer Schritt zur Neuordnung der Migrationspolitik in der Europäischen Union. Mit dieser Vereinbarung kann es gelingen, irreguläre Migration deutlich zu reduzieren und den kriminellen Schlepperorganisationen ihre Grundlage zu entziehen. Europa steht aber weiterhin zu seiner humanitären Verpflichtung zur Aufnahme von Schutzbedürftigen. Mit einem Abschluss der Verhandlungen zum Asylpaket zwischen Rat, Kommission und Parlament vor Jahresende wäre eine Rechtssetzung vor der Wahl des Europäischen Parlaments in einem Jahr zu erreichen.
Schutzsuchende sollen gemäß der Vereinbarung künftig schon an den EU-Außengrenzen überprüft werden. Dazu sollen kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen geschaffen werden. Dort soll in der Regel innerhalb von zwölf Wochen eine rechtssichere Bewertung von Asylanträgen von Personen mit geringen Chancen auf einen Flüchtlingsstatus erfolgen. Dies betrifft Flüchtlinge aus Herkunftsstaaten mit Anerkennungsquoten unter 20 Prozent. Mit der Einführung dieses Grenzverfahrens sollen Flüchtlinge aus den entsprechenden Herkunftsländern künftig nicht mehr weiter in die EU einreisen können, sondern direkt aus den Grenzeinrichtungen zurückgeführt werden.
Die EU braucht einen starken Schutz der Außengrenzen, um den freien Personen- und Warenverkehr im Schengen-Raum aufrecht erhalten zu können. Grenzkontrollen an EU-Binnengrenzen wie zwischen Österreich und Bayern würden zu erheblichen Belastungen von Grenzpendlern, Tourismus und Handel führen und dürfen deshalb nicht ausgeweitet werden. Dies gilt insbesondere für die Grenzen von Nordrhein-Westfalen zu den Niederlanden und Belgien mit den eng verflochtenen Beziehungen der Menschen in der Grenzregion. Die Äußerungen des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, mit denen er den Schutz der EU-Binnengrenzen und eine Kontrolle des Zuzugs in das eigene Territorium fordert, weisen deshalb in die falsche Richtung.
Der geplante Solidaritätsmechanismus für Mitgliedstaaten, die unter Migrationsdruck stehen, kann zu einer besseren Verteilung der aufgenommenen Menschen innerhalb der EU führen. Dies würde einerseits die Staaten an den EU-Außengrenzen wie die Mittelmeeranrainer Spanien, Italien und Griechenland entlasten, andererseits aber gerade auch Hauptzielländer wie Deutschland und damit auch die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen.
Äußerungen von Seiten der Grünen stellen jedoch die Vereinbarung des Ministerrats in Frage und damit auch die Unterstützung von Bund und Ländern. So meinte Ministerin Josefine Paul, dass die Ergebnisse hinter ihren Forderungen zurückblieben.
Der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen sieht hingegen in den Vereinbarungen einen ersten Schritt. Hauptgeschäftsführer Christof Sommer meinte: „Die Kommunen sind dringend auf Entlastung angewiesen. Die Einigung der EU-Staaten ist für uns das erhoffte Signal, dass sich zumindest langfristig endlich etwas ändert. Angesichts der höchst unterschiedlichen Positionen ist ein solcher Kompromiss nach vielen Jahren fruchtloser
Diskussionen ein Lichtblick.“
Nordrhein-Westfalen hat im Jahr 2022 über 220.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Zudem wurden 2022 rund 50.000 Asylsuchende registriert. Im ersten Quartal 2023 gab es 12.125 Zugänge im Vergleich zu 9.062 Zugängen im ersten Quartal 2022. Die Schutzquote lag im März 2023 in Nordrhein-Westfalen bei 54 Prozent. Die Vereinbarung des Ministerrats hat wesentliche Auswirkungen auf Politik und Haushalt des Landes sowie der Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Die Frage, wie es weitergeht und ob der Beschluss Realität wird, hat höchste Relevanz für die Landespolitik und muss darum in einer Aktuellen Stunde debattiert werden.