Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Qualifikation – Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte, insbesondere aus der IT-Branche, sicherstellen und Chancen von Digitalstudiengängen nutzen

I. Ausgangslage

In der modernen Arbeitswelt sind kontinuierliche Weiterbildung und Flexibilität unserer Fachkräfte entscheidend für den Erfolg unserer Gesellschaft. Deshalb wollen wir die Rahmenbedingungen für Aus- und Weiterbildung verbessern – sowohl für Menschen mit beruflicher Ausbildung als auch akademischem Studium. Beide Qualifikationswege sind gleichwertig und wichtig. Daher sollte die Durchlässigkeit zwischen diesen beiden Qualifikationswegen sichergestellt sein. In der Praxis zeigen sich aber mit Blick auf den Zugang zu einem Studium für beruflich Qualifizierte Verbesserungspotenziale. Hierbei ist vor allem die Anerkennung der beruflichen Qualifikation beziehungsweise der Ausbildungsleistung zu nennen.

Dies gilt insbesondere für IT-Fachkräfte. Informationstechnologien sind von zentraler Rolle in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens und werden auch zukünftig im besonderen Maße benötigt. IT-Fachkräfte werden gebraucht, da sie die technische Grundlage für die moderne digitale Welt schaffen und aufrechterhalten. Sie entwickeln und warten Software, Netzwerke und IT-Infrastrukturen, die Unternehmen aller Branchen effizienter und
wettbewerbsfähiger machen. Ohne IT-Experten wäre der Zugang zu digitalen Dienstleistungen, die Sicherheit von Daten und die kontinuierliche Innovation in Technologien nicht möglich. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Lösung komplexer technischer Probleme und treiben den Fortschritt in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Cyber-Sicherheit und Big Data voran. In Deutschland werden allerdings im Jahr 2040 rund 663.000 IT-Fachleute fehlen.

Nordrhein-Westfalen ist ein wichtiger Standort für die IT-Branche, der jedoch mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen hat. So hatten mehr als drei Viertel der NRW-Unternehmen im Jahr 2021 Schwierigkeiten IT-Stellen zu besetzen. Es ist von entscheidender Bedeutung, qualifizierte IT-Fachkräfte für den Standort zu gewinnen und langfristig zu binden, um die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken. Entsprechend sollte, gerade mit Blick auf den erhöhten Bedarf an hochspezialisierten IT-Fachkräften, sichergestellt werden, dass berufliche ausgebildete IT-Fachkräfte eine konkrete Option für ein Studium in Nordrhein-Westfalen haben und nicht auf Grund mangelnder Anerkennung in ein Studium im europäischen Ausland vertrieben werden.

IT-Fachkräfte bringen oft umfangreiche praktische Erfahrungen und spezialisierte Kenntnisse mit, die sie durch berufliche Aus- und Weiterbildungen erworben haben. Daher ist es wichtig, dass beim Zugang zum Studium der Qualifikationsrahmen der beruflichen Ausbildung angemessen berücksichtigt wird.

Die Aufnahme eines Studiums ermöglicht es IT-Fachkräften, ihre Fähigkeiten weiter auszubauen und ihr Potenzial voll auszuschöpfen, um den ständig wachsenden Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden. Entscheidend für die Aufnahme eines Studiums ist die Anerkennung der beruflichen Qualifikation. Die adäquate Anerkennung der erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse würdigt diese und ermöglicht IT-Fachkräften einen schnelleren und effizienteren Einstieg in das Studium. Einen Rahmen für die Anerkennung und Vergleichbarkeit von beruflicher Qualifikation stellt der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR). Der DQR ist ein Instrument zur Einordnung der Qualifikationen des deutschen Bildungssystems. So werden Qualifikationen der verschiedenen Bildungsbereiche acht Niveaus zu geordnet, die durch Lernergebnisse beschrieben werden. Lernergebnisse bezeichnen das, was Lernende wissen, verstehen und in der Lage sind zu tun, nachdem sie einen Lernprozess abgeschlossen haben. Die einzelnen Niveaus verdeutlichen entsprechend, welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen eine Person mit einer bestimmten Qualifikation besitzt.3 Insgesamt unterscheidet der DQR acht Niveaus zur allgemeinen Beschreibung der Kompetenzen (DQR1 bis DQR8).

Unterschiedliche Bewertung des Qualifizierungsrahmens – Anerkennung von beruflichen Ausbildungsleistungen verbessern

Allerdings erweist sich die Anerkennung und Bewertung beruflicher Ausbildungsleistungen oft schwieriger als erwartet. Grundsätzlich stellt die Berufsbildungs-Hochschulzugangsverordnung (BBHZVO) sicher, dass beruflich Qualifizierte auch ohne Hochschulreife ein erstes berufsqualifizierender Hochschulstudium an allen Universitäten und Fachhochschulen in staatlicher Trägerschaft und staatlichen Kunsthochschulen aufnehmen können. An die Stelle von Abitur, fachgebundener Hochschulreife oder Fachhochschulreife tritt die berufliche Qualifikation als Nachweis der Studierfähigkeit.

Der DQR hat orientierenden Charakter aber keine regulierende Funktion. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass die DQR-Niveaus nicht äquivalent genutzt werden. Einige nordrhein-westfälische Universitäten neigen dazu, berufliche Ausbildungen niedriger zu bewerten als akademische Abschlüsse. Dies führt dazu, dass Personen mit umfangreicher Berufserfahrung und spezialisierten Weiterbildungen in der Informationstechnologie wie beispielsweise dem Operative Professional (DQR6) Schwierigkeiten haben, ihre Qualifikationen angemessen anerkennen zu lassen. In einigen Fällen wird durch Hochschulen beispielweise der Fachinformatiker (DQR4) höher als eine Weiterbildung zum Operative Professional (DQR6) bewertet, obwohl das Niveau DQR6 gleichwertig zu einem Fachwirt, Fachkaufmann, Meister und eben Bachelor zu werten ist Diese Diskrepanz führt dazu, dass für eine zusätzliche berufliche Weiterbildung häufig nur wenige ECTS-Punkte anerkannt werden und diese somit häufig nicht signifikant auf ein Studienkonto einzahlen.

Eine sowohl bei den Hochschulen als auch bei den Studienberatungen unzureichende Kenntnis über berufliche Qualifikationen verstärkt dieses Problem zusätzlich. Beruflich qualifizierte Studieninteressenten erwarten aber zu Recht von den Studienberatungen kenntnisreiche Unterstützung. Im europäischen Ausland finden sich dagegen Beispiele, wie berufliche Qualifikationen höher bewertet und teilweise sogar unmittelbaren Zugang zu einem Master-Studien-
gang ermöglichen. Zudem finden auch beruflich Qualifizierte aus dem Ausland sich mit Schwierigkeiten konfrontiert, ihre Qualifikationen entsprechend anerkennen beziehungsweise einstufen zu lassen, obwohl der DQR an den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR), zur leichteren Vergleichbarkeit, gekoppelt ist. In diesem Zusammenhang muss auch die Anerkennung europäischer und internationaler Abschlüsse verbessert werden.

Entsprechend gilt es hier gemeinsam mit den Hochschulen stärker auf die einheitliche Anerkennung von beruflichen Abschlüssen hinzuwirken und auch zusätzliche Angebote für Berufstätige zu schaffen, die ein Studium aufnehmen möchten.

Digitale Studienangebote – Ideal für ein berufsbegleitendes Fernstudium von beruflich Qualifizierten aus der IT-Branche

Die COVID-19-Pandemie hat die Bedeutung und die Möglichkeiten digitaler Bildungsangebote deutlich gemacht. Die Hochschulen stehen vor der Herausforderung, ihre Lehr- und Lernformate zu digitalisieren und innovative Studiengänge anzubieten, die den Anforderungen der modernen (auch digitalen) Arbeitswelt gerecht werden. Dies erfordert Investitionen in die technische Infrastruktur, Schulung von Lehrpersonal und die Entwicklung von E-Learning-Plattformen.

Gerade für beruflich Qualifizierte aus der IT-Branche bieten sich digitale Angebote für ein berufsbegleitendes Fernstudium an. Hierbei zeigt sich allerdings ein Nachholbedarf bei den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen. In Nordrhein-Westfalen und deutschlandweit bieten die meisten staatlichen Hochschulen ausschließlich Präsenzstudiengänge an. Ausnahmen finden sich bei der Fernuniversität in Hagen und einigen Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Viele private Hochschulen bieten Fernstudiengänge – auch berufsbegleitend – an, jedoch oft zu hohen Gebühren. Durch den Ausbau digitaler Studienangebote könnten deshalb auch bei den berufstätigen IT-Fachkräften Potenziale gehoben werden.

Anerkennung der Gleichwertigkeit von beruflicher Qualifikation ist ein entscheidender Schritt, um den Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte, insbesondere aus der IT-Branche, zu erleichtern. Dies stärkt nicht nur die individuelle Karriereentwicklung, sondern fördert auch die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen in einer zunehmend digitalisierten Welt. Die Nutzung der Chancen von Digitalstudiengängen kann eine zukunftsorientierte Bildung gewährleisten, die den Bedürfnissen des modernen Arbeitsmarktes entspricht.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Eine bessere Anerkennung von beruflichen Abschlüssen im Rahmen des DQR würde den Zugang zu Studiengängen erleichtern und somit die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung unterstreichen. Hier besteht Verbesserungspotenzial.
  • Durch die Kopplung des DQR an den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) wird es leichter, Qualifikationen zu vergleichen. In diesem Zusammenhang bestehen auch bei der Anerkennung europäischer und internationaler Abschlüsse zusätzlich Verbesserungspotenziale.
  • Digitale Bildungsangebote und insbesondere digitale berufsbegleitende Studiengänge müssen in Nordrhein-Westfalen verstärkt ausgebaut und gefördert werden.


Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Qualifikationen in allen Bereichen aktiv zu fördern.
  • gemeinsam mit den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen eine einheitliche Bewertung der DQR-Kompetenzen sicherzustellen.
  • gemeinsam mit den Hochschulen die Kenntnis über berufliche Aus- und Weiterbildungsqualifikationen und insbesondere die DQR-Niveaus durch Fortbildungen und Vernetzungstreffen zu verbessern.
  • auch beruflich qualifizierte IT- und andere MINT-Fachkräfte, die ein Studium aufnehmen möchten, gezielt zu unterstützen.
  • die Studienberatungen als Ermöglicher zu etablieren und gemeinsam mit ihnen auch für beruflich qualifizierte Studieninteressierte passende Angebote auszubauen.