Grenzenloses Ausreiten ermöglichen - Hürden im Reitsport zwischen Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden abbauen
I. Ausgangslage
Der deutsch-niederländische Naturpark Maas-Schwalm-Nette liegt an der Grenze zwischen der Provinz Limburg in den Niederlanden und dem deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen, zwischen Susteren, Leudal, Venlo und Mönchengladbach. Der Grenzpark umfasst dendeutschen Naturpark Schwalm-Nette und die niederländischen Gemeinden Beesel, Leudal,Echt-Susteren, Maasgouw, Roerdalen, Roermond und Venlo.
Aktuell wird im Rahmen des Interreg-Projektes “MSN Freizeitreiten – Buitenrijden" ein grenz-überschreitendes Reitwegenetz im Naturpark geplant. Dieses Projekt wird dabei unter anderem von der Europäischen Union (EU), dem Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (MWIKE) und der Provinz Limburg in den Niederlanden finanziert. Daneben sind drei Kreise, 15 Städte und Gemeinden sowie weitere Partner auf deutscher und niederländischer Seite an dem Projekt beteiligt, um das Freizeitreiten touristisch zu fördern. Ziel ist es, aus etwa 900 Kilometern geeigneter Wege ein attraktives Reitwegenetz zu gestalten, das die Region touristisch bereichert. Die Umsetzung soll bis 2026 abgeschlossen sein.
Durch das Projekt sollen mehr Reiterinnen und Reiter, sowohl von deutscher als auch von niederländischer Seite, die Natur genießen und gleichzeitig die ansässige Gastronomie nutzen können. Die regionale Wirtschaft soll ebenfalls in das Projekt eingebunden werden, indem beispielsweise passende Rastplätze und Pferdehöfe ausgeschildert werden. Zudem sollen die Reitwege besser beschildert und eine Lenkungswirkung erzielt werden. Auch die Umsetzung eines Online-Routenplaners ist vorgesehen. Außerdem sollen im Rahmen des Projektes grenzüberschreitende Hürden für das Reiten abgebaut werden.
In Nordrhein-Westfalen ist das Reiten in der freien Landschaft und im Wald nur nach § 62 des Landesnaturschutzgesetz NRW erlaubt, wenn die Reiterin oder der Reiter ein am Pferd beidseitig angebrachtes gültiges Kennzeichen mitführt.
Da beim Reiten im Reitwegenetz im Naturpark Maas-Schwalm-Nette die Übergänge zwischen Deutschland und den Niederlanden fließend sind, ergeben sich Situationen, in denen Reite-rinnen und Reiter aus Limburg die Grenze zwangsläufig passieren müssen, aber keine solche Reitplakette besitzen. Der Ersterwerb einer solchen Plakette kann je nach Behörde drei bis sieben Werktage dauern, was spontane Ausflüge in das Reitgebiet konterkariert. Um Bürokratie abzubauen und spontane grenzüberschreitende Ritte oder Kutschfahrten zu ermöglichen, sollten Gastronomiebetriebe und Reitställe vor Ort in Zusammenarbeit mit den Kreisen Reitplaketten auch an auswärtige Reiterinnen und Reiter vergeben können.
Der Kreis Warendorf bietet bereits Urlauberinnen und Urlauber mit Pferden an, für fünf Euro pro Woche eine Plakette ausleihen können. Das Angebot wird dort gut angenommen. Ein weiteres Hindernis für einen reibungslosen grenzüberschreitenden Reitsport, welches im Rahmen des Interreg-Projektes angegangen werden soll, ist die Problematik der Vorlage eines Gesundheitsscheines für Pferde beim Grenzübertritt im Rahmen des europäischen Animal Health Law (AHL) der Verordnung (EU) 2016/429 (Tiergesundheitsrecht). Diese Verordnung schreibt aus Gründen des Tierseuchenschutzes vor, dass Equiden (darunter fallen auch Pferde) für ein grenzüberschreitendes Verbringen ein amtstierärztliches Gesundheitszeugnis brauchen. Um Hürden für Reiterinnen und Reiter abzubauen, ist es sinnvoll auf eine Ausnahmeregelung im grenznahen Gebiet zwischen Deutschland und den Niederlanden hinzuwirken.
Eine Ausnahmeregelung ist in Art. 139 I a) EU VO 2016/429 für den Fall vorgesehen, dass sich die zuständigen grenznahen Behörden des Bestimmungsortes darauf einigen, dass bei der Verbringung zur Nutzung der Equiden zu Freizeitzwecken in Grenznähe kein amtstierärztliches Gesundheitszeugnis nötig sei. Das beteiligte deutsche Bundesland, im vorliegenden Fall Nordrhein-Westfalen, muss gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine Ausnahmegenehmigung mit den betroffenen niederländischen Grenzregionen vereinbaren. Derartige Abkommen, welche im Rahmen der europäischen Regeln möglich sind, existieren bereits beispielsweise zwischen Deutschland (Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Württemberg) und Frankreich (Département Moselle, Elsass) sowie zwischen Deutschland (Schleswig-Holstein) und Dänemark (verschiedene Grenzkommunen).
Eine entsprechende Ausnahmeregelung führt darüber hinaus zu einer erfolgreichen Umsetzung des Interreg-Projektes und einem zielorientierten Einsatz von Fördergeldern der EU und des Landes Nordrhein-Westfalen. Um den Reittourismus in der Region nachhaltig zu stärken, sollte das bestehende Reitroutensystem über das aktuelle Interreg-Projekt hinaus flächendeckend ausgebaut werden. Ein er-weitertes Wegenetz ermöglicht es Reiterinnen und Reitern abwechslungsreichere Routen zu nutzen und so neue touristische Potenziale für die lokale Wirtschaft zu erschließen. Besonders in ländlichen Regionen Nordrhein-Westfalens kann ein erweitertes Reitwegenetz dazu beitragen, den Tourismus zu fördern und gleichzeitig die Attraktivität der Region für Pferdesportbegeisterte zu steigern.
Für eine optimale Orientierung und Tourenplanung sollte das Reitwegenetz über den Natur-park Maas-Schwalm-Nette hinaus mit einem flächendeckenden Knotenpunktsystem versehen werden. Ein solches System, das bereits erfolgreich im Rad- und Wandertourismus eingesetzt wird, könnte Reiterinnen und Reitern eine intuitive und flexible Navigation ermöglichen. Die einfache Kombination verschiedener Routenabschnitte würde spontane und individuelle Reitausflüge erleichtern und die Region insgesamt für den Reittourismus attraktiver machen.
Um die touristische Infrastruktur für Reiterinnen und Reiter weiter zu verbessern, sollte die Zertifizierung und Förderung von gastgewerblichen Betrieben nicht nur auf die Interreg-Projektpartner beschränkt bleiben. Hotels, Gaststätten, Bauernhöfe und Campingplätze in Nordrhein-Westfalen sollen die Möglichkeit erhalten, eine „Pferde Willkommen“-Zertifizierung zu erhalten, wenn sie entsprechende Voraussetzungen wie Pferdeunterstände, Paddocks oder sichere Anbindemöglichkeiten bieten. Eine solche Auszeichnung trägt dazu bei, das Angebot für reitende Gäste gezielt zu verbessern und den Reittourismus langfristig zu stärken.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest,
- dass der Reittourismus regionale Wertschöpfungsketten stärkt und damit einen wichtigen Beitrag zur Förderung der lokalen Wirtschaft leistet.
- dass der Pferdetourismus ein Trendmarkt mit Wachstumspotenzial darstellt und unterstützt werden sollte.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- den Verleih von Reitplaketten durch ansässige Gastronomiebetriebe und Reitställe an Reiterinnen und Reiter, die aus dem europäischen Ausland mit ihrem Pferd die Reitwege im Naturpark Maas-Schwalm-Nette nutzen möchten, zu ermöglichen.
- in Gesprächen mit dem Bund und der niederländischen Regierung darauf hinzuwirken, dass Deutschland mit den Niederlanden eine Ausnahme nach Art. 139 der Verordnung (EU) 2016/429 bezüglich eines amtstierärztlichen Gesundheitszeugnisses für Pferde
- im Freizeitbereich für die Grenzregion zwischen den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen für das Bundesland Nordrhein-Westfalen verabschiedet.
- das Reitroutensystem flächendeckend auszubauen, um den Reittourismus nachhaltig zu stärken.
- für eine flexible Tourenplanung zu Pferd in Nordrhein-Westfalen das Reitwegenetz auch über den Naturpark Maas-Schwalm-Nette hinaus mit einem flächendeckenden Knotenpunktsystem zu versehen.
- die Zertifizierung und Förderung von Betrieben über das Interreg-Projekt in Nordrhein-Westfalen hinaus voranzutreiben. Hotels, Gaststätten, Bauernhöfe und Campingplätze sollen eine „Pferde Willkommen“-Zertifizierung erhalten, wenn sie bestimmte Kriterien
- erfüllen (z. B. Pferdeunterstände, Paddocks oder Boxen für Übernachtungen, sichere Anbindemöglichkeiten, Bereitstellung von Wasser und Futter).